Europäische Chemikalienagentur

REACh-Verordnung – was Reseller wissen müssen

06.07.2009
Auch Hersteller oder Importeure von Notebooks, PC-Zubehör, Kameras oder Batterien sind betroffen, sagt Dr. Hans M. Wulf.

IT-Unternehmen müssen viele gesetzliche Vorschriften beachten. Ständig kommen neue Regelungen hinzu. So ist am 1. Juni 2007 eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die den Umgang mit Chemikalien im Geschäftsverkehr regelt. Am 1. Dezember 2008 lief die Frist zur Vorregistrierung ab, sodass nun am 1. Januar 2009 von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eine Liste der vorregistrierten Stoffe veröffentlicht wurde. Welche Pflichten hierdurch nun für IT-Hersteller und Reseller bestehen, zeigt dieser Beitrag.

Übersicht zur EU-Verordnung

Bei der EU-Regelung handelt es sich um die EU-Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACh: Registration, Evalua¬tion and Authorisation and Restriction of Chemicals). Sie ist zwischenzeitlich durch die EU-Verordnung 1272/2008 vom 16.12.2008 ergänzt worden und zielt auf ein einheitliches Überprüfungsverfahren für alle chemischen Stoffe in der EU. Zukünftig dürfen grundsätzlich nur noch chemische Stoffe verwendet werden, die registriert sind. Die Verpflichtung zur Registrierung trifft grundsätzlich alle Hersteller und Importeure von chemischen Stoffen oder Zubereitungen, in denen chemische Stoffe enthalten sind und deren Produktions- bzw. Importmenge mehr als eine Tonne pro Jahr beträgt.

Möchten mehrere Unternehmen denselben Stoff registrieren lassen, können sie zur Kostenreduzierung ein Konsortium bilden. Bestimmte, besonders gefährliche Stoffe (z.B. Krebs erzeugende Stoffe) bedürfen neben der Registrierung auch einer Zulassung bei der ECHA, deren Kosten vom Antragsteller zu tragen sind. Jeder Hersteller bzw. Importeur muss grundsätzlich für bestimmte gefährliche Stoffe ein Sicherheitsdatenblatt kostenlos erstellen, wenn der Stoff oder die Zubereitung u.a die Kriterien für die Einstufung gefährlich erfüllt. Das Sicherheitsdatenblatt muss vorliegen, wenn der Stoff zum ersten Mal in Verkehr gebracht wird. Es muss darüber hinaus immer aktuell gehalten werden. In der Lieferkette hat jeder Lieferant das Sicherheitsdatenblatt seinen professionellen Abnehmern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ist eine Gefährlichkeit nicht gegeben, so ist in der Lieferkette dennoch ein Informationsblatt beizufügen. Maßgebliche Vorschrift ist hier Art. 33 der Verordnung.

IT-Hersteller und Reseller sind jedoch nur im Ausnahmefall Hersteller oder Importeur von chemischen Stoffen. Sie sind vielmehr Hersteller oder Importeur von sog. "Erzeugnissen" (z.B. Notebook, PC-Zubehör, Kameras, Batterien etc.) und haben damit keine umfassende Registrierungspflicht für die darin enthaltenen Stoffe (z.B. in Notebooks enthalten: Flammschutzmittel, Nickel, Lithium). Sobald jedoch aus Erzeugnissen bestimmte Stoffe freigesetzt werden sollen (z.B. Duftstoffe), entsteht wieder die Pflicht zur Registrierung. Dennoch existieren auch für das bloße Inverkehrbringen von Erzeugnissen (einschließlich Herstellung, Import oder Lieferung) bestimmte Pflichten nach der REACh-Verordnung und zwar insbesondere die Informations- (Art. 33) und Notifizierungspflicht (Art. 7 II).

Pflichten für IT-Hersteller und Reseller

Die Informationspflicht nach Art. 33 gilt für besonders Besorgnis erregende Stoffe ("Kandidatenstoffe"), deren Liste von der ECHA im Internet veröffentlicht wurde (http://echa.europa.eu/chem_data/candidate_list_table_en.asp) und derzeit 15 Stoffe umfasst (etwa Natriumdichromat, Tributylzinnoxid, Hexabromcyclododecan oder Benzylbutylphthalat). Sobald das hergestellte, importierte oder auszuliefernde Erzeugnis eines dieser Kandidatenstoffe - in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) - enthält, sind bestimmte Informationen entlang der Wertschöpfungskette weiter zu geben und zwar mindestens der Stoffname, falls vorhanden zusätzlich noch Informationen zum sicheren Umgang mit dem Erzeugnis. Soweit an das betreffende Unternehmen Anfragen über das Erzeugnis von Seiten von Verbrauchern oder Dritten eingehen, müssen diese Informationen nach Art. 33 II innerhalb von 45 Tagen zur Verfügung gestellt werden. Zur Hilfestellung hat die ECHA Formulierungshilfen im Internet zur Verfügung gestellt (http://reach.bdi.info/REACH-Hilfestellungen/Musterformulierungen_und-formate_zur_Erfuellung_der_Informationspflicht_nachArtikel33.pdf).

Neben der Pflicht zur Informierung der Wertschöpfungskette besteht bei Erzeugnissen mit Kandidatenstoffen oberhalb der genannten Konzentration nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung auch die Pflicht zur Mitteilung gegenüber der Chemikalienagentur (ECHA), wenn der Kandidatenstoff in dem Erzeugnis in einer Jahresmenge pro Produzent/Importeur über einer Tonne enthalten ist. Produziert der Hersteller eines Erzeugnisses (z.B. CPU-Kühlkörper), welches einen Kandidatenstoff in obiger Mindestkonzentration enthält, daher derart viele Produkte, dass in einem Jahr mehr als eine Tonne des Kandidatenstoffes verarbeitet wird, so ist hierüber die Chemikalienagentur in Kenntnis zu setzen. Fristablauf für diese Notifizierung ist allerdings erst der 1. Juni 2011. Der konkrete Inhalt der Mitteilung ergibt sich aus Art. 7 Abs. 4. Einschränkend sieht Art. 7 Abs. 3 hier allerdings vor, dass diese Notifizierungspflicht dann nicht besteht, wenn der Produzent oder Importeur bei normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen einschließlich der Entsorgung eine Exposition (Einwirkung) von Mensch oder Umwelt ausschließen kann. In diesem Fall ist lediglich der Abnehmer entsprechend zu informieren. Auch scheidet die Notifizierungspflicht aus, wenn der betreffende Kandidatenstoff bereits bei der ECHA fürs die beabsichtigte Verwendung registriert wurde.

Sanktionen

Nach Art. 126 der EU-Verordnung sind die Mitgliedstaaten zuständig für die Sanktionierung von Verstößen der Verordnungsvorschriften. Das deutsche Chemikaliengesetz sieht bei Verstößen Ordnungsgelder bis zu EUR 50.000,00 und bei vorsätzlicher Begehung sogar Freiheitsstrafe von 5 Jahren vor.

Vorgehensweise

Hersteller und Importeure von IT-Produkten sollten einen kritischen Blick auf deren Zusammensetzung werfen. Welche Chemikalien sind in den einzelnen Komponenten eigentlich enthalten? Besprechen Sie sich mit den Zulieferern oder - falls Sie herstellen lassen - mit dem (häufig asiatischen) Hersteller. Wichtigste Frage ist, ob die Produkte Kandidatenstoffe gemäß der aktuellen Liste enthalten.

Kandidatenstoffe nicht vorhanden: Falls nein, so ist zunächst nichts weiter zu unternehmen. Hier wäre allenfalls zu prüfen, ob einzelne chemische Stoffe in den Produkten bestimmungsgemäß freigesetzt werden (z.B. Duftstoffe). Diese Stoffe sind nach Art. 7 Abs. 1 zu registrieren. Bei IT-Produkten dürfte eine solche bestimmungsgemäße Freisetzung jedoch regelmäßig ausscheiden. Rein vorsorglich empfiehlt es sich zusätzlich, eine Stoffliste über enthaltene Chemikalien der eigenen Produkte zu erstellen.

Kandidatenstoffe vorhanden: Falls Ihr Produkt Kandidatenstoffe mit obiger Konzentration (0,1 Masseprozent) enthält, dann sollten Sie wie folgt vorgehen:

Zunächst versuchen Sie, diese Stoffe in Zukunft aus dem Produkt zu verbannen und Alternativchemikalien zu verwenden.

Sodann sorgen Sie auf diesen Produkten (Verpackung, Dokumentation etc.) für die Einhaltung der Informationspflicht nach Art. 33 Abs.1, wobei Sie die Musterformulare der Chemikalienbehörde verwenden können. Auf Anfrage müssen Sie dem Anfragenden innerhalb von 45 Tagen die genannten Informationen zur Verfügung stellen (Stoffname und Hinweise zum Umgang).

Prüfen Sie, ob der Kandidatenstoff für die beabsichtigte Verwendung registriert wurde. Falls ja, dann müssen Sie die ECHA nicht informieren. Falls nein, dann besteht eine Notifikationspflicht, soweit die oben beschriebene Menge von eine Tonne pro Jahr und Produzent überschritten wird und eine Einwirkung auf Mensch und Umwelt nicht ausgeschlossen werden kann. Scheidet eine solche Einwirkung aus, dann sorgen Sie in Ihrer Dokumentation für eine Anleitung zur Verhinderung einer Einwirkung des Kandidatenstoffes auf Mensch und Umwelt.

Fazit

Das Thema REACh sollte in jedem Hersteller- und Reseller-Unternehmen einer Überprüfung unterzogen werden. Stellen Sie ein Projektteam zusammen, das die Zusammensetzung Ihrer IT-Produkte aufklärt. Sind Kandidatenstoffe enthalten, dann sollten Sie schnell handeln und die entsprechenden Maßnahmen umsetzen. Bei Rückfragen stehen Berater der ECHA sowie des Bundesumweltministeriums sowie der Autor zur Verfügung.

Weitere Informationen und Kontakt:

Dr. Hans M. Wulf, Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, E-Mail: wulf@praetoria-legal.com, Internet: www.it-rechtsinfo.de/rechtsanwalt-internetrecht/kanzlei