Recht konkret: Streuverluste

09.06.1996
München: Wer kennt das nicht: Vor Haustüren oder im Eingangsbereich stapeln sich Berge von achtlos abgeworfenen Prospekten, oder dicke Bündel gleichlautender Werbe-Flyer quellen aus dem Briefkasten. Oft werden Kataloge und Hochglanzblättchen auch einfach auf Zäune und Gartentüren gespießt und lösen sich langsam aber sicher im Regen auf.Das ist für die Verteilerfirma ein bequemer Weg, die Ware schnellstmöglich loszuwerden. Doch für den Auftraggeber und Werbenden ist dieses Verfahren äußerst unliebsam, da der Streuverlust dann besonders groß und die Werbung buchstäblich für den Mülleimer ist. Mit einem solchen Fall hatte sich das Landgericht Karlsruhe zu befassen (Az.: O 156/88 KfH III)

München: Wer kennt das nicht: Vor Haustüren oder im Eingangsbereich stapeln sich Berge von achtlos abgeworfenen Prospekten, oder dicke Bündel gleichlautender Werbe-Flyer quellen aus dem Briefkasten. Oft werden Kataloge und Hochglanzblättchen auch einfach auf Zäune und Gartentüren gespießt und lösen sich langsam aber sicher im Regen auf.Das ist für die Verteilerfirma ein bequemer Weg, die Ware schnellstmöglich loszuwerden. Doch für den Auftraggeber und Werbenden ist dieses Verfahren äußerst unliebsam, da der Streuverlust dann besonders groß und die Werbung buchstäblich für den Mülleimer ist. Mit einem solchen Fall hatte sich das Landgericht Karlsruhe zu befassen (Az.: O 156/88 KfH III)

Der Streitpunkt: Ein Unternehmen zur Verteilung von Werbeprospekten als Briefkastenwurfsendungen hatte für ein Unternehmen aus der Möbel- und Einrichtungsbranche die Prospekt-Verteilung übernommen. Pro 1.000 verteilte Prospekte wurde ein Preis von 78 Mark netto vereinbart.

Ein fester Bestandteil des Vertrags war die Festlegung, daß mindestens 97 Prozent der Haushalte in den Verteilungsgebieten die Prospekte erhalten sollten. Der Streuverlust sollte höchstens drei Prozent betragen dürfen.

Forderung des Verteilers: Beweispflicht liegt beim Auftraggeber

Der Auftraggeber verweigerte in dem konkreten Fall einen Teil der Vergütung, da nach seiner Schätzung ein Streuverlust von 60 Prozent anzunehmen sei. Das Verteilungsunternehmen erhob daraufhin Klage und verlangte den restlichen Werklohn. Es berief sich dabei auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Auftraggeber mit Beweismitteln den Streuverlust selbst nachzuweisen habe. Im übrigen sei eine anteilige Rechnungsermäßigung nur dann möglich, wenn der Auftraggeber durch schriftliche Einzelreklamationen eine Minderverteilung von mindestens zehn Prozent der Gesamtauflage nachweisen könne. Das Landgericht hat die Klage der Verteilungsfirma abgewiesen.

Das Urteil: In seinen Entscheidungsgründen hat das Gericht hervorgehoben, daß das Prospektverteilungsunternehmen den Nachweis erbringen muß, daß die Verteilung ordnungsgemäß ausgeführt worden ist. Bei Wurfsendungen der vorliegenden Art ist es nämlich grundsätzlich Sache des Auftragnehmers, sogleich bei den Verteilungen ausreichende Stichprobenkontrollen zu machen und deren Ergebnisse in Prüfprotokollen, die für den Auftraggeber ohne weiteres nachvollziehbar sind, festzuhalten.

Leistungserfolg schon nach kurzer Zeit nicht mehr überprüfbar

Eine solche von Anfang an durchzuführende Kontrolle und Dokumentation des verteilenden Unternehmens ist notwendig, da nur so für den Fall späterer Zweifel auf Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich Art und Umfang der Vertragserfüllung hinreichende Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Eigentümlichkeit von Prospektverteilungsaufträgen liegt nämlich darin, daß einerseits die Leistung des Auftragnehmers ohne Mitwirkung eines Empfängers, der sie irgendwie abnehmen oder quittieren könnte, erbracht wird. Andererseits kann der Leistungserfolg schon nach kurzer Zeit - wenn nämlich ein erheblicher Teil der mit den Wurfsendungen bestückten Briefkästen inzwischen geleert ist - nicht mehr angemessen überprüft werden.

Die Erfahrung lehrt: Verteiler machen es sich oft zu einfach

Bei alledem ist nach den Erfahrungen in der Praxis mit immer wieder vorkommenden Unzuverlässigkeiten der Verteiler, die sich Arbeit ersparen wollen und nur einen Teil der Wurfsendungen bestimmungsgemäß einwerfen, durchaus zu rechnen. Bei dieser Sachlage, so das Landgericht, bleibt keine andere Möglichkeit, soll der Auftragnehmer nicht rechtlos gestellt werden, als dem Verteilungsunternehmen schon unmittelbar bei den Verteilungen hinreichende Ergebniskontrollen und -protokollierungen aufzuerlegen.

Diese Kontrollpflichten können auch durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden. Denn soweit sich das Verteilungsunternehmen auf diese Vertragsbedingungen beruft, wonach eine anteilige Rechnungsermäßigung nur dann verlangt werden kann, wenn der Auftraggeber eine Minderverteilung nachweist und diese Reklamation vom Empfänger des jeweiligen Hauses persönlich unterschrieben und innerhalb von drei Tagen seit der Verteilung beim Verteilungsunternehmen eingegangen sein müssen, so verstößt diese Regelung gegen AGB-Gesetz und ist unwirksam.

Der Verteiler muß die Auftragserfüllung belegen können

Denn nicht der Auftraggeber hat die teilweise Nichterfüllung zu beweisen, sondern der Verteilungsunternehmer muß die ordnungsgemäße und vollständige Vertragserfüllung belegen. Zu einer zeitnahen Kontrolle der Briefkästen ist in der Praxis zudem nur der Verteilungsunternehmer in der Lage. Als Alternative zur alsbaldigen nur vom Verteilunternehmer durchführbaren Briefkastenkontrolle bliebe nur die nachträgliche Befragung einzelner Bewohner der Verteilgebiete über den Erhalt der Wurfsendung.

Eine solche Nachfrage würde aber angesichts der Vielzahl heutzutage verteilter Reklamesendungen keine zuverlässigen Ergebnisse bringen, ganz abgesehen davon, daß damit die befragen Empfänger in unzumutbarer Weise belästigt würden.

Wenn die Verteilfirma trotz dieser Gegebenheiten in ihren Geschäftsbedingungen die Kontroll- und Beweisobliegenheiten auf den Auftraggeber verlagert, bedeutet dies praktisch den Ausschluß einer wirksamen Überprüfung der von ihr angenommenen Leistungen, was eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellt und gemäß Gesetz zur Unwirksamkeit der Regelung führt. Da die Verteilfirma dieser Beweissicherungs- und Dokumentationspflicht nicht ausreichend nachgekommen war, ging die sich daraus ergebende Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten.

Dies gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber schon während oder kurz nach der Auftragsdurchführung eine nicht ordnungsgemäße Verteilung der Wurfsendung gerügt hat. (jlp)