Neue Regelungen zum Jahresbeginn

Reform des Erbrechts – die wichtigsten Änderungen im Überblick

14.01.2010
Nach einigen Verzögerungen ist die Erbrechtsreform am 1. Januar 2010 in Kraft getreten.

Der Stuttgarter Fachanwalt für Erbrecht Michael Henn, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (DANSEF) mit Sitz in Stuttgart, fasst die wichtigsten Änderungen zusammen, die zu Beginn des Jahres in Kraft getreten sind.

Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und Lebenspartner auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe bleibt durch die geplanten Neuerungen unberührt.

Ein wesentliches Anliegen der Reform ist die Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügung von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen. Dementsprechend wurden die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:

Die Entziehungsgründe wurden vereinheitlicht, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang galten insoweit Unterschiede.

Darüber hinaus werden nunmehr alle Personen geschützt, die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind nahestehen, z. B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung ist auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht. Nach bisheriger Gesetzeslage war dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber einem viel engeren Personenkreis möglich.

Beispiel: Wird der langjährige Lebensgefährte der Erblasserin durch ihren Sohn getötet oder die Tochter des Erblassers durch seinen Sohn körperlich schwer misshandelt, rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils.

Der Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" ist entfallen. Zum einen galt er bislang nur für Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des Pflichtteils von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hat er sich als zu unbestimmt erwiesen. Stattdessen berechtigt nun eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils. Zusätzlich muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Lösung bietet hier die bislang geltende Stundungsregelung, die jedoch eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet war. Mit der Reform wurde die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar.

Beispiel: Nun kann auch der Neffe, der ein Unternehmen geerbt hat oder die Lebensgefährtin des Erblassers eine Stundung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine "unbillige Härte" darstellen würde.

Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Schenkungen des Erblassers können zu einem Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Durch diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Die Schenkung wird in voller Höhe berücksichtigt. Sind seit der Schenkung allerdings zehn Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dies gilt auch, wenn der Erblasser nur einen Tag nach Ablauf der Frist stirbt.

Nunmehr ist es so, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs graduell immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurückliegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Auch außerhalb des Pflichtteilsrechts wurde das Erbrecht vereinfacht und modernisiert. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, ging der pflegende Angehörige oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gab es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt hat. Nun soll der Anspruch unabhängig davon sein, ob für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet wurde.

Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 Euro. Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 Euro zu bewerten. Derzeit erben Sohn und Tochter je zur Hälfte. Nun kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000-20.000 = 80.000). Von den 80.000 Euro erhalten beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den Ausgleichsbetrag von 20.000 Euro. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 Euro.

Abkürzung der Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen

Änderungsbedarf ergab sich auch im Verjährungsrecht. Mit der Reform wurde die Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 angepasst. Diese sehen eine Regelverjährung von drei Jahren vor. Dagegen unterliegen die familien- und erbrechtlichen Ansprüche noch immer einer Sonderverjährung von 30 Jahren, von denen das Gesetz zahlreiche Ausnahmen macht. Dies führt zu Wertungswidersprüchen in der Praxis und bereitet Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse. Die Verjährung familien- und erbrechtlicher Ansprüche wurde daher der Regelverjährung von 3 Jahren angepasst. Dort, wo es sinnvoll ist, bleibt jedoch die lange Verjährung erhalten.

Die Reform ist am 1. Januar 2010 in Kraft treten; die Rechtsänderung zum Jahreswechsel bot sich insbesondere wegen der vorgesehenen Änderungen des Verjährungsrechts an.

Henn empfiehlt, in Zweifelsfällen Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, und verweist u. a. auf die bundesweit mehr als 700 auf Erbrecht, Erbschaftsteuerrecht und Scheidungsrecht spezialisierten Rechtsanwälte und Steuerberater der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (www.dansef.de).

Weitere Informationen und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Dansef-Vizepräsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.dansef.de