Streit der Gesellschafter

"Rosenkrieg" bei Media-Saturn läuft auf Schiedsgericht hinaus

22.06.2012
Bei der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat der Richter den Streithähnen ins Gewissen geredet.
Moralischer Appell: Das Oberlandesgericht in München hat den Media-Saturn-Gesellschaftern geraten, "man möge sich doch bitte wieder zusammenraufen".

Der Machtkampf bei Europas größtem Elektronikhändler Media-Saturn soll von einem Schiedsgericht entschieden werden. Das Oberlandesgericht München erklärte in zweiter Instanz am Donnerstag, den 21. Juni, dass es nach vorläufiger Einschätzung den Streit zwischen der Metro AG und dem Minderheitsgesellschafter Erich Kellerhals an ein von den beiden Parteien selbst berufenes Schiedsgericht verweisen werde. Zugleich forderte das Gericht die Metro und Kellerhals dringend zu einem Kompromiss auf. Hintergedanke: Ein Schiedsgericht kann sehr viel schneller entscheiden als ein staatliches Gericht, und seine Entscheidungen sind sehr schwer anzufechten.

Die Metro AG hält über 75 Prozent an Media-Saturn und will das Vetorecht des Firmengründers kippen. Aber auch ein Schiedsspruch oder Urteil könne den Streit nicht wirklich beenden, weil sich beide im Gesellschafterkreis im Unternehmen weiter gegenübersäßen, sagte der Senatsvorsitzende Hartmut Fischer. "Deshalb mein fast moralischer Appell: Die Gesellschafter mögen sich doch bitte wieder zusammenraufen." Die Alternative wäre, "dass man zum Scheidungsrichter geht".

Am 9. August will das Oberlandesgericht verkünden, ob es den Streit über das Vetorecht an das Schiedsgericht verweist. Das Schiedsgericht, das aus einem ehemaligen Gerichtspräsidenten und zwei Juraprofessoren besteht, will am 24. Juli unter Ausschluss der Öffentlichkeit Zeugen hören. Ein Schiedsverfahren sei schneller und es sei sehr schwer anzufechten, erklärten die Anwälte beider Seiten.

Da laut Firmenstatuten von Media-Saturn für alle wichtigen Entscheidungen eine Anteilsmehrheit von 80 Prozent erforderlich ist, benötigt die Metro die Zustimmung von Kellerhals, der 22 Prozent der Anteile hält. Drei Prozent der Anteile hält mit Leopold Stiefel einer der anderen Firmengründer. Die Metro und Kellerhals werfen sich aber gegenseitig vor, wichtige Entscheidungen etwa über die Expansion nach China oder ein eigenes Internet-Angebot der Elektronikketten verzögert zu haben. Anfang Juni hatte der kommissarische Finanzvorstand von Media-Saturn wegen des Streits nach nur wenigen Wochen im Amt das Handtuch geworfen.

Was die Anwälte sagen und welche Möglichkeiten das Gericht sieht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Die wichtigsten Männer bei Media-Saturn
Olaf Koch
ist seit 1. Januar 2012 Vorstandsvorsitzender der Metro AG, die seit Januar 78,38 Prozent der Anteile der Media-Saturn-Holding besitzt. Vorher war Koch zwei Jahre lang Finanzvorstand. Er ist Nachfolger von ...
... Eckhard Cordes,
der nach internen Turbulenzen erklärt hatte, seinen bis Oktober 2012 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.
Pieter Haas
ist seit dem zweiten Quartal 2013 Vorstandsmitglied bei der Metro AG, wo er unter anderem für Media-Saturn verantwortlich ist. Nach dem Rücktritt von Horst Norberg als Vorsitzender der Geschäftsführung von Media-Saturn wurde Haas in die Geschäftsführung der Media-Saturn Holding berufen, um die "strategische Neuausrichtung" und die damit verbundene "notwendige Restrukturierung" voranzutreiben – so lange bis ein neuer Chef gefunden wurde. <br> Nachdem ein Gericht im April 2015 die Klage von Erich Kellerhals, Minderheitsgesellschafter bei Media-Saturn, auf Abberufung von Haas abgewiesen hat, blieb Haas stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Media-Saturn Holding. <br> Haas arbeitet seit 2001 für Media-Saturn, zunächst als Geschäftsführer der niederländischen Landesgesellschaft. 2008 rückte er als COO in die Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding auf.<br><br>
Erich Kellerhals
ist einer der Mitgründer von Media Markt und Minderheitsgesellschafter der Media-Saturn-Holding (21,62 Prozent der Anteile). Damit verfügt er über eine Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung von Media-Saturn, die laut Firmenstatut bei 20 Prozent liegt und Grund für die internen Auseinandersetzungen der vergangen Monate war. Im Bild auch seine Frau Helga, die einst auch Mitgründerin war.
Leopold Stiefel
ist ebenfalls einer der Mitgründer des ersten Media Markts und war lange Zeit Minderheitsgesellschafter der Media-Saturn-Holding. 2002 hat er seine Tätigkeit als Vorsitzender der Geschäftsführung von Media-Saturn beendet. Seine letzten Anteile von 2,97 Prozent hat er im Januar 2013 für etwa 230 Millionen Euro an die Metro AG verkauft. Auch seine politische Karriere (CSU-Stadtrat in Ingolstadt) und seine Funktionärskarriere im Eishockey (ERC Ingolstadt) hat der mittlerweile 70-Jährige beendet.
Walter Gunz
war einer der vier Media-Markt-Gründer (dazu: Leopold Stiefel, Erich + Helga Kellerhals). Und obwohl er vor mehr als zehn Jahren ausgeschieden ist, sieht er sich weiter als Teil des Unternehmens. 2013 hat er ein Buch geschrieben ("Ich war doch nicht blöd"), in dem er auch auf die Anfangsjahre des Media Markt zurückblickt.
Horst Norberg
war von Anfang 2011 bis zum Mai 2014 CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding. Ende 2012 hatte er bekanntgegeben, dass er seinen Vertrag verlängert habe und noch bis Ende 2015 an der Spitze der Retail-Kette stehen werde.<br> Doch nach den neuen Entwicklungen im Eigentümerstreit zwischen den Media-Saturn-Gesellschaftern, die mit der "Stellenanzeige" von Erich Kellerhals begannen, fehlte ihm die nötige Rückhalt, so dass er seinen Rücktritt erklärte.<br> Norberg war 1987 zum Unternehmen gekommen – zunächst als Geschäftsführer der Media Märkte in Braunschweig und später Mülheim – und danach in die Geschäftsführung von Saturn aufgestiegen. Ab 2001 war Norberg Chief Operating Officer (COO) von Saturn und damit Mitglied der MSH-Geschäftsführung.
Martin Wild
trägt seit Mai 2014 den Titel des Chief Digital Officers (CDO) der Media-Saturn-Holding. Bereits im Juni 2013 war Wild als CEO an die Spitze des E-Tailers Redcoon gerückt (zunächst nur als Interims-CEO, dann vollamtlich), von dem Media-Saturn im Jahr 2011 für eine Kaufsumme von 125 Millionen eine 90-prozentige Mehrheit übernommen hatte. Zugunsten seiner neuen Aufgabe als MSH-CDO gab er seinen Posten ab.<br> In seiner Anfangszeit bei MSH war Wild Vice President Multi Channel gewesen. Einst hatte er den E-Tailer Home of Hardware (HoH) gegründet und ihn 2007 an den Bezahlsender Premiere verkauft, der das Unternehmen seinerseits 2008 an das Systemhaus Cancom weiterreichte (inzwischen gehört HOH zur Getgoods AG).
Wolfgang Kirsch
gehört dem Unternehmen seit 1993 an und ist seit 2008 Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding GmbH. Als Chief Operations Officer (COO) verantwortet er die deutsche Landesgesellschaft und der Media-Saturn-Unternehmensgruppe, der er auch als CEO vorsteht.
Klaus-Peter Voigt
verstärkt seit dem 1. Juli 2013 als Chief Procurement Officer (CPO) die Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding (MSH). Voigt hatte bereits von 1989 bis 2008 in verschiedenen Funktionen dem Management der Media-Saturn-Unternehmensgruppe angehört, zuletzt als COO und stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung. Sein überraschender Abgang 2008 wurde in Branchenkreisen damit erklärt, dass Voigt nach dem Rückzug des Firmengründers Leopold Stiefel selbst Ambitionen auf die Unternehmensführung gehegt hatte.
Michael Rook
war seit 1987 in verschiedenen Funktionen für den Media-Saturn-Konzern tätig. Von 2007 an war er Mitglied der Geschäftsführung von Media Markt, zuletzt COO von Media-Saturn. Im Zuge der Schmiergeldaffäre wurde er im November 2011 fristlos gekündigt und kam in Untersuchungshaft. Gegen seine Kündigung hat er erfolglos geklagt. Von Juni bis Dezember 2012 musste er sich vor dem Landgericht Augsburg zusammen mit anderen Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Bestechung bzw. Bestechlichkeit verantworten. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Rolf Hagemann
hat als CFO der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding seit 2006 angehört und war ab Januar 2011 ihr stellvertretender Vorsitzender. Ende April 2012 hat er das Unternehmen verlassen. Ihm folgte ...
Georg Mehring-Schlegel
..., der aber bereits Anfang Juni 2012 den Posten wieder aufgegen hatte, nachdem Kellerhals ihm öffentlich die Kompetenz abgesprochen hatte.<br> Von Anfang Mai 2014 an war Mehring-Schlegel als Nachfolger von Martin Wild zusätzlich und interimsmäßig CEO des Online-Händlers Redcoon. Ab November 2014 wurde er dort abgelöst von ...
Martin Sinner
..., der als ein ausgewiesener Experte der Online-, Start-up- und Gründerszene gilt. Sinner hatte im Jahr 2000 das heute führende deutsche Vergleichsportal Idealo gegründet, dessen CEO er bis 2012 war. Innerhalb des Media-Saturn-Konzerns soll Sinner auch die neue "Electronics Online Group" (EOG) aufbauen – mit Redcoon als Kern.
Oliver Seidl
Neuer CFO (und gleichzeitig auch CIO) ist seit 2013 Oliver Seidl, der zuletzt Vorstandsvorsitzender beim TV-Hersteller Loewe war.
Roland Weise
war bis Ende 2010 CEO der Media-Saturn-Holding und wurde von Horst Norberg abgelöst.
Reiner Heckel
war bis Anfang Juni 2013 Geschäftsführer des E-Tailers Redcoon, der seit Juni 2011 zu 90 Prozent der Media-Saturn-Holding gehört. Der frühere Media-Markt-Manager Heckel hatte Redcoon 2003 gegründet und bis zur Übernahme durch Media-Saturn auf einen Umsatz von 432 Millionen Euro geführt. 2011 übernahme der Retailer für eine Kaufsumme von 125 Millionen Euro eine 90-prozentige Mehrheit an Redcoon.
Andreas Oerter
ist ebenfalls Mitglied der Redcoon-Geschäftsführung. Seit November 2011 ist Oerter Einkaufschef (CPO) von Redcoon. Zuvor war er als CPO der portugiesischen Landesgesellschaft von Media-Saturn tätig.
Axel Grimm
Seit dem 1. Mai 2013 ist auch Axel Grimm als CFO Mitglied der Redcoon-Geschäftsführung. Vorher war er CFO der Media-Saturn E-Business Concepts & Services GmbH.
Ulf Adebahr
ist seit Mai 2014 CTO/CIO und Mitglied der Geschäftsführung von Redcoon, wo er die Themen Customer Care, IT und Logistics verantwortet. Adebahr war bisher in führender Tätigkeit für die deutsche Organisation des u.a. für EAN-Codes zuständigen Stammdatendienstleisters GS1 tätig.
Philipp Haas
ist seit Mai 2014 Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn E-Business GmbH. Haas begann 2005 seine berufliche Karriere bei Media-Saturn. Zuletzt war er mit Multichannel-Aufgaben bei Media-Saturn Spanien sowie in der Konzernzentrale in Ingolstadt betraut.
Ricardo Diaz Rohr
Seit Juli 2014 ist Ricardo Díaz Rohr Vice President IT Strategy & Steering bei der Unternehmensgruppe Media-Saturn und CIO der Media Saturn Holding GmbH. Damit verantwortet die strategische Ausrichtung der IT der gesamten Unternehmensgruppe. <br> Gleichzeitig ist Díaz Rohr CEO der IT-Tochter Media-Saturn IT Services GmbH (MSITS).
Carsten Strese
ist Geschäftsführer der Saturn Management GmbH.
Klaus Lahrmann
ist kommissarischer CEO der für die Eigenmarken von Media-Saturn (ok, Isy, Koenic und Peaq) verantwortlichen Unternehmenstochter Imtron.
Ditmar Krusenbaum
ist CEO der österreichischen Landesgesellschaft von Media-Saturn. Bis März 2014 war er CEO der Imtron GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der Media-Saturn-Holding, und damit für die Eigenmarken von Media Markt und Saturn verantwortlich.
Frank Kretzschmar
Frank Kretzschmar ist seit 2005 Mitglied der Geschäftsführung von Media Markt und Saturn Österreich, 2008 hat er den Geschäftsführungsvorsitz übernommen. Von 2011 bis 2013 war er zudem COO der Media-Saturn-Holding in Ingolstadt.<br> Ab 2015 wird er als Chief Operations Officer (COO) innerhalb der Metro Group zu Real wechseln.
Andreas Oerter
war nach der Übernahme von Media-Saturn drei Jahre lang Einkaufschef von Redcoon gewesen, bis er das Unternehmen Ende 2014 auf eigenen Wunsch verließ. Oerter war ein klassischer "Metro-ianer", der seine berufliche Laufbahn 1991 bei Kaufhof begann. Über verschiedene Positionen im Metro-Konzern kam er Ende 2011 als CPO zu Redcoon, wo er auch in die Geschäftsführung einzog. Seit November 2013 fungierte Oerter dort allerdings nur noch als Managing Director und schied Anfang 2014 auch aus der Geschäftsführung aus.

"Entweder Metro fällt auf die Nase oder Kellerhals"

Zwei der vier Media-Markt-Gründer: Erich Kellerhals und seine Ehefrau Helga Kellerhals

Die Metro will die Gesellschafterversammlung durch einen neuen Beirat ersetzen, in dem sie mit einfacher Mehrheit allein entscheiden kann. Das Landgericht Ingolstadt hatte im Herbst 2011 Kellerhals ein Vetorecht auch im Beirat zugebilligt. Daraufhin war die Metro AG in die zweite Instanz gegangen.

Das Oberlandesgericht forderte die Streitparteien nun zu einem Kompromiss auf. Ob bei einem Schiedsspruch "die Metro auf die Nase fällt" oder aber Kellerhals, könnten sich beide Gesellschafter weiterhin gegenseitig das Leben schwer machen, zum Schaden des Unternehmens. Nur ein Kompromiss, vielleicht mit abgespecktem Vetorecht, oder der Ausstieg von Kellerhals oder der Metro verspreche einen Ausweg aus dem Dilemma. Auch der Vorsitzende Richter beim Landgericht Ingolstadt hatte vor Monaten zu einem Kompromiss aufgerufen, "denn sonst schaut der Unterlegene sofort, wie er den Gegner woanders ärgern kann".

Metro-Anwalt Rüdiger Bub sagte: "Das ist ein hundertprozentiger Sieg für die Metro." Kellerhals-Anwalt Martin Schockenhoff sagte: "Ich bin vorsichtig optimistisch für das Schiedsverfahren." Und zu den Vorschlägen des Richters: "Wir sind bereit, darüber nachzudenken und zu verhandeln." Laut Kellerhals gebe es bereits Anfragen von Investoren, die die 75 Prozent der Metro übernehmen könnten. Kellerhals' Fazit auf seiner Homepage zur jüngsten Verhandlung: "Kurzum: Wir sind keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, es zeigt sich, dass die laufenden Prozesse, die die Metro bis zum juristischen Ende durchfechten will, den Konflikt nicht lösen können. Sie behindern aber eine geordnete Führung des Unternehmens."

Aktionärsschützer rufen die Media-Saturn-Eigentümer eindringlich auf, ihren "Rosenkrieg" rasch beizulegen. "Media-Saturn ist eine Großbaustelle", sagte die Vize-Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jella Benner-Heinacher. Das Management der Elektronikketten müsse sich auf das operative Geschäft konzentrieren können. Dazu gehöre der Ausbau des Online-Geschäftes. "Ein Streit der Gesellschafter verzögert wichtige strategische Entscheidungen und verschwendet unnötig Managementressourcen", unterstrich die Aktionärsschützerin. (dpa/tö)