US-Experten

Russische Hacker erbeuten 1,2 Milliarden Profildaten

06.08.2014
Über eine Milliarde Datensätze mit Profildaten aus dem Internet soll eine Hacker-Gruppe aus Russland erbeutet haben. Es wäre ein neuer Rekord. Für Nutzer gibt es bisher überhaupt keine Hinweise darauf, ob sie betroffen sein könnten.

Es könnte der bisher größte Datendiebstahl im Internet sein: Russische Hacker haben nach Erkenntnissen amerikanischer IT-Sicherheitsexperten rund 1,2 Milliarden Einwahl-Kombinationen für Internet-Profile erbeutet. Die Datensätze bestünden aus Benutzernamen und Passwörtern, erklärte die amerikanische Sicherheitsfirma Hold Security der "New York Times". Dabei seien über 500 Millionen verschiedene E-Mail-Adressen betroffen.

Hold Security habe die Daten in Untergrund-Kanälen im Internet entdeckt und auch mit der Hacker-Gruppe aus Zentralrussland kommuniziert, berichtete die Zeitung am späten Dienstag. Die Einwahldaten stammen demnach von rund 420.000 Websites, darunter seien bekannte Firmennamen ebenso wie kleine Seiten. Die Sicherheitsfirma macht keine Angaben dazu, welche Websites betroffen sind. Ein von der Zeitung zur Analyse hinzugezogener Experte habe die Echtheit der Daten bestätigt, schrieb die "New York Times".

Hacker aus der IT-Geschichte -
Der Vater des Blackholing
Der auch als „Paunch“ bekannte Dmitry Fedotov ist weniger als Hacker, denn als Entwickler des Hacker-Tools Blackhole berühmt. Bei Blackhole handelt es sich um eine Art Webanwendung für die Verbreitung von Malware- und Spyware, die Hacker gegen eine Abo-Gebühr von 1500 US-Dollar pro Jahre mieten können - und bis zur Festnahme laufend mit Updates über neue Schwachstellen von Java, Flash oder des Internet Explorer aktualisiert wurde. Der im Oktober 2012 von den russischen Behörden verhaftete Programmierer aus Togliatti soll auch Autor des Cool Exploit-Kits und von Crypt.AM sein.
Der Herrscher der Kreditkarten
Der Juni 2012 in den Niederlanden zusammen mit Vladimir Drinkman verhaftete russische Hacker soll laut Anklageschrift von August 2005 bis Juli 2012 als Mitglied einer Gruppe von fünf Cyberkriminellen im Laufe der Jahre riesige Mengen an Kreditkartendaten gestohlen haben. Zusammen mit Aleksandr Kalinin, Roman Kotov, Mikhail Rytikov und Vladimir Drinkman soll Smilianets vor allem durch SQL Injection Hacks Firmen wie Nasdaq, 7-Eleven Carrefour und J.C. Penny gehackt haben. Insgesamt 160 Millionen Kreditkarten- und Guthabendaten wurden gestohlen und für Finanzbetrug benutzt. Der Schaden für die Firmen soll bei 300 Millionen US-Dollar liegen. Der Prozess in den USA ist noch nicht abgeschlossen.
FBI's most wanted
Evgniy Mikhailovich Bogachev, auch bekannt als lucky12345 und slavik schaffte es 2014 auf den ersten Platz der so genannte „Cyber Most Wanted“-Liste des FBI. Die amerikanischen Behören sehen in ihm den Hintermann des Botnetzes „Gameover Zeus“. Mit Hilfe der gleichnamigen Malware soll er für ein Botnetz von bis zu einer Million Computern verantwortlich sein, das zum Ausspähen von Bank-Passwörtern und Verbreiten von Malware benutzt wurde. Der Schaden betrage etwa hundert Millionen US-Dollar betragen. Bogachev hält sich nach Vermutungen der amerikanischen Behörden in Russland auf.
Der Phishing-Experte
Der Lette Alexey Belan soll zwischen Januar 2012 und April 2013 die Nutzerdaten von einigen Millionen Kunden dreier US-Unternehmen gestohlen haben. Er ist auf der Liste der meistgesuchten Hacker des FBI, der Name der geschädigten Unternehmen ist aber ebenso wenig bekannt, wie die Höhe des Schadens. Es soll sich um drei nicht genannte E-Commerce-Unternehmen aus Nevada und Kalifornien handeln. Da die Belohnung 100.000 US-Dollar beträgt, sollte der Schaden beträchtlich sein.

Anhand der Informationen ist es schwer abzuschätzen, wie viele Menschen genau von dem Datenklau betroffen sind. Manche nutzen verschiedene E-Mail-Adressen, unter den Datensätzen könnten auch alte Profile oder Spam-Accounts sein.

Dennoch ist Datendiebstahl dieser Art immer gefährlich: Viele Internet-Nutzer setzen die gleiche Kombination von Benutzernamen oder E-Mail-Adressen und Passwörtern bei verschiedenen Websites ein und sind dann auf breiter Front betroffen.

Auf jeden Fall wäre es eine erschütternde Dimension für einen Daten-Diebstahl: Das Internet hat nach Schätzungen insgesamt zwischen zwei und 2,5 Milliarden Nutzer. Zuletzt war es zwar keine Seltenheit mehr, dass Dutzende oder einige hundert Millionen Login-Datensätze gestohlen wurden. Aber eine so große Beute wie jetzt wurde bisher noch nicht bekannt.

Die meisten der betroffenen Websites seien immer noch angreifbar, sagte Hold-Chef Alex Holden der Zeitung. Sein Team habe damit angefangen, die Website-Betreiber zu benachrichtigen, habe aber nicht alle erreichen können. Die Angreifer hätten die erbeuteten Informationen bisher für den Versand von Spam-E-Mails mit Werbung oder mit Links zu Schadprogrammen benutzt. Sie erwägten aber auch, sie zu verkaufen, hieß es.

Die fünf Security-Gebote der Moderne -
Jeder weiß selbst am besten, welche Gefahren konkret drohen
Oft wird über Gefahren gesprochen, als wären sie universell. Das ist in Ordnung, wenn es um weltweite Trends geht, eignet sich aber nicht, um auf konkrete Unternehmen einzugehen. Unternehmensgröße, Branche und der Wert, den Informationen für das Unternehmen haben, sind nur einige der Faktoren, die etwas über etwaige Gefährdungen aussagen. Die internen Sicherheitsverantwortlichen wissen am besten, welche Angriffe am wahrscheinlichsten sind und sollten ihrer Expertise trauen, anstatt sich ausschließlich auf den Anti-Malware-Anbieter zu verlassen.
Sicherheit und Big Data sind direkt vernetzt
Lange haben Sicherheitsanbieter geflissentlich Daten über Angriffe gesammelt, analysiert und entsprechende Verteidigungsmechanismen entwickelt. Während sich die Vorgehensweise als solche nicht sehr geändert hat, ist die Datenmenge exorbitant angestiegen – jedes Jahr werden Millionen neue Gefahren entdeckt, gegen die sich Unternehmen tagtäglich schützen müssen. Gleichzeitig sind die meisten davon sehr kurzlebig, so dass die erste Entdeckung oftmals auch gleich das letzte Mal ist, dass sie gesehen werden. Ein Ende dieses Datenwachstums ist nicht in Sicht.
Das Zusammenspiel von Systemen ist Pflicht
Neue Gefahren werden mit neuen Technologien bekämpft – die sehr oft nur unabhängig von anderen funktionieren und nicht kompatibel sind. Erkennt also eine Technologie eine Gefahr, dann wird sie blockiert – allerdings nur auf Systemen, die diese Technologie nutzen. So gehen sehr viele Kontextinformationen verloren, die gerade in Zeiten komplexer Sicherheitsbedrohungen wichtig für einen möglichst umfassenden Schutz sind. Collaboration ist demnach Pflicht, integrierte Systeme sind erfolgreicher als unabhängige.
Aus dem einen Endpunkt sind viele Endpunkte geworden
Traditionelle Anbieter von Anti-Malware-Lösungen haben sich oft auf „den einen Endpunkt“ konzentriert. Im Kampf gegen Advanced Malware werden allerdings ganzheitlichere Konzepte gebraucht. Angriffsziele sind über das gesamte Unternehmen verstreut – denn was hilft es, wenn klar ist, welcher Endpunkt angegriffen wird, aber nicht, welche Auswirkungen das auf andere Komponenten hat? Sicherheitsverantwortliche brauchen eine umfassendere Perspektive, um effektiv gegen Advanced Malware vorzugehen.
Es reicht nicht mehr, Angriffe nur zu entdecken
Häufig haben die Sicherheitsverantwortlichen keinen ausreichenden Überblick über aktuelle Angriffe. Zudem fällt es ihnen oft schwer, die Kontrolle über die Systeme nach einer Attacke zurückzugewinnen. Obwohl es wohl nie eine 100-prozentige Absicherung geben wird, sollten Unternehmen und Anbieter dennoch kontinuierlich in die Entwicklung neuer Technologien investieren – und zwar nicht nur, um Gefahren schnell zu entdecken, sondern auch, um sie zu bekämpfen, zu analysieren und zu kontrollieren. <br /><br /><em>(Tipps zusammengestellt von Volker Marschner, Security Consultant bei Sourcefire/Cisco)</em>

Holden erklärte, er wolle keine Namen nennen, um Ermittlungen nicht zu gefährden. Das Geschäftsmodell seiner Firma ist es, Websites auf Einbrüche von Datendieben zu prüfen. Hold hatte in der Vergangenheit bereits den Diebstahl einige hundert Millionen Login-Datensätze aufgedeckt.

Technisch sei ein so breit angelegter Angriff dank eines sogenanntes Botnetzes mit vielen infizierten Computern möglich. Wenn ein nichtsahnender Nutzer mit einem solchen Rechner eine Website ansteuere, prüfe das Botnetz, ob die angreifbar sein.

Man wisse, dass die Gruppe im Süden Zentralrusslands ansässig sei, erklärte Hold Security. Sie bestehe aus weniger als einem Dutzend Männer im Alter unter 30 Jahren, die sich persönlich kennen, hieß es. Die Server befänden sich in Russland. In der Gang gebe es eine klare Arbeitsteilung: "Die einen schreiben die Programme, die anderen stehlen die Daten."

Insgesamt habe die Gruppe 4,5 Milliarden Datensätze erbeutet, erklärte Hold Security. Nach Abzug von Doppelungen seien 1,2 Milliarden Kombinationen von Benutzername und Passwort übriggeblieben. (dpa/tc)