Schnell und sicher ans Geld

05.06.2007 von Wibke Spiessbach
Mit Hilfe eines konsequenten Forderungsmanagements können Firmen die Gefahr hoher Außenstände deutlich reduzieren und eine zuverlässige Liquiditätsplanung gewährleisten.

Die weiterhin guten Konjunkturperspektiven eröffnen für viele Unternehmen attraktive Zusatzgeschäfte. Gleichzeitig wächst mit neuen, vielfach auch internationalen Kunden und Geschäftspartnern der Bedarf eines konsequenten Forderungsmanagements. Nur so können Firmen die Gefahr hoher Außenstände deutlich reduzieren und eine zuverlässige Liquiditätsplanung gewährleisten. Oft erzielen schon vergleichsweise einfache Maßnahmen im Finanz-, Rechnungs- und Mahnwesen deutliche Effekte.

Nur wenige Unternehmer sind sich darüber im Klaren, dass die Kreditvergabe zu ihrem Tagesgeschäft zählt. Tatsächlich ist jede offene Rechnung ein Kredit, der vielerlei Kosten nach sich zieht und dessen Tilgungszeitpunkt entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist. Der "Lieferantenkredit", also das dem Kunden eingeräumte Zahlungsziel, ist ein unverzichtbares Finanzierungsmittel der Wirtschaft. Gleichzeitig sind die Kreditkonditionen eine zentrale Kennzahl in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung eines Unternehmens.

Auftraggeber kalkulieren mit Lieferantenkrediten

Gerade neue Geschäftspartner machen eine Auftragsvergabe ganz maßgeblich von der Frage abhängig, ob und in welchem Umfang Lieferantenkredite gewährt werden. Oft unterschätzen Lieferanten das Kalkül ihrer Auftraggeber und räumen weit gesteckte Zahlungsziele ein, ohne sich ausreichend abzusichern. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Fachhochschule Bochum in Zusammenarbeit mit dem Verein für Credit Management e.V. (VfCM). Demnach muss nur ein knappes Drittel aller befragten Auftraggeber bei Vertragsabschluss über Sicherheiten verhandeln. Gerade die Erschließung neuer Auslandsmärkte birgt spezielle Gefahren bei der Liquidität. Internationale Geschäfte erfordern bei möglichen Währungsschwankungen oder unvollständig verfügbaren Firmeninformationen ein besonderes Augenmerk. Lieferanten gehen leicht ein schwer kalkulierbares Risiko ein, das nur durch ein systematisches Forderungsmanagement einzugrenzen und zu steuern ist. Der durch Forderungsausfälle verursachte Gesamtschaden für die deutsche Wirtschaft betrug in 2006 laut VfCM-Studie zwischen 35 und 40 Milliarden Euro. "Oft wird die Bedeutung des Forderungsmanagements für die Sicherung und Steigerung des Unternehmenswertes stark unterschätzt", bestätigt DHPG-Wirtschaftsprüfer Norbert Nettekoven. "Ein transparentes und konsequentes Vorgehen bietet die Grundlage für ein erfolgreiches Firmenwachstum."

Bonität prüfen, Risiken absichern

Grundlage für ein effizientes Forderungsmanagement sind fundierte Wirtschaftsinformationen und Bonitätsauskünfte. Auch Stammkunden können plötzlich mit ihren Zahlungen säumig bleiben. Ihr Zahlungsverhalten sollten Lieferanten ebenfalls regelmäßig überprüfen. Qualifizierte Firmeninformationen für das In- und Ausland bieten führende Wirtschaftsauskunfteien wie Bürgel, Coface, Creditreform, Dun & Bradstreet oder Euler Hermes. Hilfreich sind auch brancheninterne Datenpools, die auf dem Austausch vertraulicher Geschäftsinformationen basieren. So können Firmen ihre Bonitätsprüfungen um eine aktuelle Erfolgsbetrachtung der Kunden erweitern. Maximale Transparenz bieten branchenübergreifende Datenpools. "Denn wenn ein Kunde gegenüber B- und C-Lieferanten in Verzug gerät, deutet das bereits auf einen Zahlungsengpass hin, der früher oder später auch das eigene Unternehmen betreffen kann", betont DHPG-Wirtschaftsprüfer Norbert Nettekoven.

Im Moment unterschätzen noch viele deutsche Unternehmen die Bedeutung eines effizienten Forderungsmanagements. Der stabile Konjunkturaufschwung sorgt allgemein für ein besseres Zahlungsverhalten, auch im gewerblichen Bereich. In einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) melden 80 Prozent der befragten Unternehmen, dass sich die Rechnungstreue ihrer Geschäftspartner verbessert hat. Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr um rund 20 Prozent auf 25.000 Firmenzusammenbrüche sinken soll, erwartet der BDIU eine Steigerung der Verbraucherinsolvenzen um fast 40 Prozent auf rund 130.000 Verfahren.

Einen zusätzlichen Schutz vor etwaigen Forderungsausfällen bieten Waren- und Exportkreditversicherungen. Hierbei deckt der Versicherungsgeber bei Geschäften zwischen Unternehmen (B2B) die Lieferung in Höhe der Versicherungssumme ab und leitet ein Inkassoverfahren gegen den säumigen Auftraggeber ein. Ist dieses nicht erfolgreich, erhält der Lieferant eine Entschädigung. Auch für Geschäfte auf Zahlungsziele mit Endverbrauchern oder kleinen Gewerbetreibenden gibt es entsprechende Versicherungsmöglichkeiten. Abschluss und Vorgehensweise erfolgen nach dem Muster der B2B-Kreditversicherungen.

Rechnungslegung überdenken

Auch bei der Rechnungslegung ist größte Sorgfalt geboten. Schließlich können hier organisatorische und formale Fehler auftreten, die von Schuldnern mit Zahlungsschwierigkeiten gezielt ausgenutzt werden. Oft ist eine Optimierung der Rechnungslegung mit verhältnismäßig einfachen organisatorischen Mitteln zu erreichen. Forderungen sollten unmittelbar nach Fälligkeit ganz oder in Teilen in Rechnung gestellt und versandt werden. Die VfCM-Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Werden Rechnungen direkt mit Leistungserbringung gestellt, treten in weitaus geringerem Maße Zahlungsverzüge und -ausfälle auf. "Offenbar wird ein straffes Forderungsmanagement eher als Zeichen für Professionalität im Geschäftsverkehr gewertet", weiß DHPG-Wirtschaftsprüfer Norbert Nettekoven.

Auch formale Fehler bei der Rechnungslegung sind unbedingt zu vermeiden. Falsche Kontaktdaten, unvollständige Rechnungsangaben oder missverständliche Formulierungen können leicht zu Nachfragen und Zahlungsverzögerungen führen. Wer Formfehler nicht konsequent ausschließt, bietet seinen Schuldnern ein willkommenes Einfallstor für Ausreden. Eine verlässliche Liquiditätsplanung wird unnötig erschwert.

Die kontinuierliche Überwachung von Zahlungseingängen sollte auch im turbulenten Geschäftsalltag sichergestellt sein. Unterstützung bieten spezielle Software-Lösungen, die Firmen helfen, säumige Forderungen direkt auszuweisen und geeignete Folgemaßnahmen einzuleiten. Manchmal hilft schon ein Telefonanruf beim Schuldner, um etwaige Missverständnisse auszuräumen oder Buchungsfehler zu klären. Im Falle eines Zahlungsverzuges sollte der Schuldner immer ein verbindliches Zahlungsdatum nennen, um dem Rechnungssteller eine verlässliche Disposition zu ermöglichen.

Mahnwesen optimieren, Liquidität sichern

Nur wer konsequent mahnt, kann Forderungen auch einholen. Von entscheidender Bedeutung sind die gezielte Auswahl geeigneter Mahnmaßnahmen und ihre systematische Abfolge. Schuldner geraten zwar auch ohne Mahnung 30 Tage nach Rechnungserhalt automatisch in Verzug. Doch Firmen sollten die 30-Tage-Frist nicht untätig verstreichen lassen, sondern ihr Mahnwesen aktiv in die Hand nehmen. Ein Großteil der Gläubiger greift im ersten Schritt auf eine freundliche Zahlungserinnerung per Standardanschreiben zurück. Spätestens nach Verstreichen einer zweiten Mahnfrist sollte in der Regel ein Rechtsanwalt oder ein Inkassobüro eingeschaltet werden. Gleichzeitig sind Eigentumsvorbehalte zu klären und gegebenenfalls ein vollständiger Lieferstopp in die Wege zu leiten. Oft sorgt ein anwaltliches Mahnschreiben bei säumigen Kunden für den nötigen Nachdruck und bewirkt einen schnellen Zahlungsausgleich. Falls nicht, kann beim zuständigen Amtsgericht ein Mahnbescheid beantragt oder ein gerichtliches Mahnverfahren in Gang gesetzt werden.

Sollte sich eine Forderung als uneinbringlich herausstellen, muss das Unternehmen die Liquiditätslücke aus eigenen Finanzreserven schließen. Dieser Kraftakt kann Firmen leicht in eine finanzielle Schieflage bringen. "Spätestens wenn die Forderungsverluste ein Prozent des Firmenumsatzes übersteigen, ist eine kritische Marke erreicht", warnt DHPG-Wirtschaftsprüfer Norbert Nettekoven.

Um die Liquidität trotz hoher Außenstände zu erhalten, kann das Factoring als Sicherungsvariante in Betracht kommen. Hierbei verkauft der Gläubiger seine Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft und erhält im direkten Gegenzug eine Gutschrift unter Abzug einer Factoringgebühr und von Finanzierungszinsen. Auf diese Weise stehen Gläubigern sofort nach Rechnungsstellung bis zu 90 Prozent der Forderung als Liquidität zur Verfügung. Die Factoring-Gesellschaft macht die Forderungen selbst beim Schuldner geltend. Im Rahmen eines "stillen Factoring" agiert der Factor dabei im Namen des Gläubigers und tritt nach außen nicht in Erscheinung. Beim so genannten "unechten Factoring" ist zu beachten, dass die Factoring-Gesellschaft kein Ausfallrisiko übernimmt.

Die Kombination unterschiedlicher Formen der Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung bietet für Firmen eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten, die allerdings nicht ohne Expertenrat vonstatten gehen sollten. Zu vielfältig sind die Auswirkungen auf die Bilanz und die Rating-Performance. Grundsätzlich können Unternehmen von einem systematischen Forderungsmanagement gleich mehrfach profitieren. Sie senken nicht nur die Gefahr von Zahlungsausfällen, sondern qualifizieren sich mit einem ausgeklügelten Risikomanagement auch für bessere Ratingnoten. Dies wiederum verschafft mehr Flexibilität in der Kapitalbeschaffung und gewährleistet langfristig eine ausreichende Firmenliquidität. (Wibke Spiessbach/mf)