Richter: "Hier liegt ein Extremfall vor”

Segway an Firmensteckdose aufgeladen – zu Unrecht gekündigt

09.03.2010
Die Entlassung eines Angestellten wegen "Stromdiebstahls" im Wert von 1,8 Cent ist unwirksam.

Das Arbeitsgericht Siegen hat die Kündigung eines Angestellten für unwirksam erklärt, der für 1,8 Cent Strom aus der Steckdose am Arbeitsplatz entnommen hatte, um seinen Elektroroller wieder aufzuladen.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Siegen vom 14.01.2010, Az.: 1CA 1070/09.

In dem Fall war der langjährige Angestellte ohne weitere vorherige Abmahnung entlassen worden, weil er Strom im Wert 1,8 Cent aus der Steckdose am Arbeitsplatz entnommen hatte, um seinen Elektroroller am Arbeitsplatz wieder aufgeladen. Daraufhin hatte ihm seine Firma fristlos gekündigt.

Das Arbeitsgericht Siegen erklärte die Kündigung nun für unwirksam, so Henn.

Zwar sei auch der Diebstahl geringwertiger Sachen nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte grundsätzlich ein Kündigungsgrund, aber dies sei aber schon ein "Extremfall , so der Richter in seiner Urteilsbegründung.

19 Jahre im gleichen Betrieb

Der Angestellte war hier 19 Jahre bei dem Unternehmen beschäftigt, ohne dass er sich vorher irgendetwas zu Schulden kommen lasse hatte. Im Mai 2009 war er sodann mit einem sog. "Segway", einem kleinen Elektroroller, zur Arbeit erschienen und musste das Gefährt für die Rückfahrt nach Hause wieder aufladen. Dabei wurden nach Herstellerangaben Strom für 1,8 Cent verbraucht.

Allerdings, so betont Henn, war die Kündigung hier nicht etwa wegen des geringen Wertes unwirksam, sondern deswegen, weil es hinsichtlich des Mitarbeiters vorher insoweit weder andere Vorfälle noch eine Abmahnung gegeben hatte.

Henn empfiehlt aus Anlass dieses Urteils allen Arbeitnehmern dringend, ohne vorherige Genehmigung des Arbeitgebers keinerlei Gegenstände aus dem Betrieb zu entfernen, mitzunehmen, für eigene Zwecke zu verwenden oder wie hier zu benutzen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Er empfiehlt ferner, in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist. (oe)

Weitere Informationen zum Thema und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Präsident des VdAA, c/o Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de und www.vdaa.de