Selbstmanagement: Das süße Gift der Abfindung

30.01.2006
Bauen Großunternehmen Personal ab, sind fünf- bis sechsstellige Abfindungen nicht unüblich. Auf manche Arbeitnehmer wirkt dieser Betrag oft wie ein Lottogewinn. Die Folge: Sie schieben die Suche nach einer neuen Stelle auf die lange Bank - mit fatalen Konsequenzen, wie Frank Adensam zeigt.

Wenn große Unternehmen Stellen abbauen möchten, stellen sie ihren Mitarbeitern für ein freiwilliges Ausscheiden oft hohe Abfindungen in Aussicht. Besonders tief greifen sie in die Tasche, wenn aufgrund einer Betriebsvereinbarung betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.

Den Arbeitnehmern bereitet das verlockende Angebot oft schlaflose Nächte. Einerseits hängen sie an ihrem Job. Andererseits können sie sich häufig ausrechnen: Falls ich jetzt nicht gehe, werde ich voraussichtlich in zwei bis drei Jahren entlassen, wenn die Betriebsvereinbarung ausläuft. Dann jedoch ohne eine (so) hohe Abfindung, die den Schmerz über den Verlust des Arbeitsplatzes lindert und ein gutes Polster für schlechte Zeiten ist.

Also überlegen die Betroffenen hin und her: Wie sind meine Perspektiven im Unternehmen? Ist der jetzige Stellenabbau das Ende der Fahnenstange? Welche Chancen habe ich auf dem Stellenmarkt? Und dann klopfen sie zunächst zaghaft und unverbindlich bei den Verantwortlichen an: Wie viel wäre dem Unternehmen mein freiwilliges Ausscheiden wert?

Abfindungen sind explodiert

Früher galt für die Höhe der Abfindung die Faustregel: Pro Jahr Betriebszugehörigkeit erhält der Arbeitnehmer ein halbes Monatsgehalt. Doch in den letzten Jahren sind die Prämien explodiert. In der Pharma- und Chemiebranche sind inzwischen 0,8 bis 1,3 Monatsgehälter üblich. Und die DAX-notierten Unternehmen zahlen teilweise bis zu zwei Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit, wenn sie trotz Betriebsvereinbarung Mitarbeiter abbauen möchten. Deshalb sind bei Konzernen wie der Deutschen Telekom, Daimler-Chrysler und Siemens sechsstellige Abfindungen keine Seltenheit. Wen wundert's, dass bei so einem Angebot manch Arbeitnehmer ernsthaft über ein freiwilliges Ausscheiden nachdenkt. Schließlich wirkt eine solche Summe wie ein Lottogewinn. Wie lange müsste ein Arbeitnehmer hierfür sparen? 20, 30 oder gar noch mehr Jahre? Warum also nicht die Abfindung nehmen und sich danach so schnell wie möglich eine neue Stelle suchen?

So denken viele, die sich letztlich für ein mehr oder minder freiwilliges Ausscheiden entscheiden. Doch leider wird aus der schnellen aktiven Suche nach einer neuen Stelle meist nichts. Denn selbst wenn die Betroffenen "freiwillig" gehen, fallen sie anschließend oft in ein emotionales Loch. Hinzu kommt: Plötzlich haben die Betroffenen die nötigen Mittel und die erforderliche Zeit, um sich jahrlang gehegte Wünsche zu erfüllen - zum Beispiel endlich mal wieder länger als drei Wochen in den Urlaub fahren. Oder den Wintergarten bauen. "Wenn ich es nicht jetzt tue, wann dann?", denkt sich mancher. Und die aktive Stellensuche? Sie rückt in immer weitere Ferne.

Ein typischer Ablauf: Der Mitarbeiter scheidet aus und genießt die ersten Wochen seiner neu gewonnenen Freiheit wie einen verlängerten Urlaub. Geld ist ja genug da. Dann wird der Wintergarten gebaut oder die Küche renoviert. Und ein neues Auto wird auch angeschafft. Dann folgt die ersehnte Reise und plötzlich ist ein halbes Jahr wie im Flug vorbei.

Vermittlungschance sinkt kontinuierlich

Ein solches Verhalten ist verständlich - aber gefährlich. Denn je länger eine Person arbeitslos ist, umso geringer ist ihre Chance, eine neue Stelle zu finden. Spätestens nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit verschlechtern sich die Vermittlungsaussichten rapide - das belegen zahlreiche Arbeitsmarktstatistiken. Wen dann noch das Kainsmal "arbeitslos" ziert, dem unterstellen viele Personaler: Der hat sich schon so an das Arbeitslossein und Nichtstun gewöhnt, dass es ihm schwer fällt, sich wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Und: Wenn der wirklich gut wäre, hätte er schon eine neue Stelle gefunden.

Also sollten Arbeitnehmer, die ihre Stelle verlieren, so früh wie möglich damit beginnen, sich einen neuen Job zu suchen - selbst dann, wenn bis zum endgültigen Ausscheiden aus dem alten Betrieb noch vier oder fünf Monate verstreichen. Denn durchschnittlich vergehen zwischen dem Beginn der Suche und dem Antritt der neuen Stelle mindestens sechs Monate.

Zuweilen hilft der alte Arbeitgeber bei der Stellensuche - zum Beispiel, indem er einen Karriere- oder Newplacement-Berater finanziert, der den ausscheidenden Mitarbeiter beim Entwickeln einer neuen beruflichen Perspektive unterstützt. Ein solches Angebot sollten Sie, sofern Sie betroffen sind, annehmen. Und wenn Ihnen Ihr Arbeitgeber dieses Angebot nicht unterbreitet? Dann sollten Sie erwägen, zehn bis 15 Prozent Ihrer fünf- oder sechsstelligen Abfindung in eine professionelle Newplacement-Beratung zu investieren. Aus mehreren Gründen.

Vielen berufserfahrenen Arbeitnehmern erscheint das, was sie oft jahrzehntelang in einem Unternehmen taten, als so selbstverständlich, dass ihnen nicht bewusst ist: Dahinter verbergen sich besondere Fähigkeiten und Erfahrungen, die für andere Arbeitgeber interessant sind. Deshalb ist es meist hilfreich, wenn ein Experte mit den Stellensuchern ihre Stärken analysiert, um daraus ihr Bewerberprofil abzuleiten und festzulegen, wo Bewerbungen besonders Erfolg versprechend sind.

Hinzu kommt: Wer sich jahrelang nicht bewarb, kennt die aktuellen Anforderungen an Bewerber oft nicht. Wie werden heute Lebensläufe aufgebaut? Wie bewerbe ich mich per E-Mail oder per Eingabemaske auf einer Firmenhomepage? Wie finde ich Zugang zum unsichtbaren Stellenmarkt, über den mindestens 60 Prozent der offenen Stellen besetzt werden?

Von berufserfahrenen Stellensuchern erwarten die Unternehmen zudem andere Bewerbungen als von jungen Hochschulabsolventen, die noch unbeschriebene Blätter sind. Von ihnen möchten die Betriebe ganz präzise erfahren, warum sie für welche Stellen eventuell attraktive Kandidaten wären. Auch beim Erstellen solcher Bewerberunterlagen helfen Karriereberater.

Und nicht vergessen sollten berufserfahrene Stellensuchende: Die Unternehmen gestehen ihnen, anders als Berufseinsteigern, meist nur eine geringe Einarbeitungszeit zu. Sie sollen von Anfang an funktionieren. Deshalb muss die Stelle haargenau zum Bewerber passen, damit er nicht wenige Monate später erneut arbeitslos ist. Auch bei der aktiven Suche solcher Stellen helfen Karriere- und Newplacement-Berater - zumindest wenn sie gut und berufserfahren sind. Dann verfügen sie über ein enges Kontaktnetz in die Unternehmen - nicht nur zu deren Personalabteilungen, sondern auch zu deren Fachabteilungen, die eventuell genau so einen Spezialisten brauchen.

Deshalb lohnt sich gerade für berufserfahrene Stellensucher, die über viele Spezialkenntnisse verfügen, die Zusammenarbeit mit einem Newplacement-Berater - 2006 noch mehr als 2005, denn ab 2006 fallen die Steuerfreibeträge für Abfindungen weg. Das Beraterhonorar kann aber als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dadurch sinkt die Steuerlast.

Hält der Stellensucher den neuen Arbeitsvertrag in den Händen, bleibt in der Regel noch genug Zeit für eine längere Urlaubsreise. Diese kann er nun auch entspannt genießen, denn er weiß: Meine berufliche Zukunft ist gesichert.