Arbeitnehmervertretung

Sind Betriebsräte im Trend?

25.02.2008 von Norbert Pflüger

Empirisch ist es nicht belegt, aber für einen erfahrenen Arbeitsrechtler ist schon erstaunlich, wenn sich innerhalb weniger Wochen mehrere Klienten an ihn wenden, um sich nach den Voraussetzungen einer Betriebsratsgründung zu erkundigen. Die Mandanten kamen unisono aus größeren Betrieben unterschiedlicher Branchen mit jüngeren Beschäftigten, die bisher keinen Betriebsrat hatten.

Gewinnt die Arbeitnehmervertretung wie sie das Betriebsverfassungsrecht vorsieht einen neuen Reiz?

Lange Zeit galt die Betriebsverfassung als "Ausfluss des deutschen Korporatismus". Insbesondere der angelsächsischen Geschäftswelt war das System demokratisch gewählter Arbeitnehmervertretungen mit teilweise einschneidenden Mitbestimmungsrechten mehr als suspekt. In den jungen Unternehmen der New Economy sahen sich viele Beschäftigte in der Lage, ihre Interessen individuell durchzusetzen. Sie zogen die direkte Kommunikation einer vorgeblich bürokratischen Interessenvertretung vor. Man duzte sich, saß in einem "Boot" und regelte Konflikte selbst. Mit dem Platzen der Internetblase dämmerte es dem einen oder anderen, dass vielleicht doch mehr zur Verteidigung des Arbeitsplatzes notwendig sei.

Was bringt aber Beschäftigte heute dazu, die Wahl eines Betriebsrats zu initiieren?

Unternehmen ohne Betriebsrat sind oftmals Neugründungen etwa in der IT- oder Werbebranche. Sie haben sich aus kleinen Garagenfirmen zu beachtlichen Dienstleistern entwickelt. Das ursprünglich enge Teamverständnis und die direkte Kommunikation mit dem Firmeninhaber, wie sie in der Anfangsphase bestanden, verändern sich unter den neuen organisatorischen Anforderungen. Die schnellen Wachstumsprozesse solcher Unternehmen werden häufig durch den Zukauf von Mitbewerbern noch verstärkt. Dabei kommt es dann rasch zu einem Nebeneinander von Kommunikationsstrukturen. Die Beschäftigten fühlen sich über das Vorgehen des Unternehmens nicht mehr ausreichend informiert. Das Interesse an einem institutionalisierten Dialog mit den Entscheidungsträgern nimmt verständlicherweise zu. Im Übrigen wollen die Arbeitnehmer auch in gewissem Rahmen über ihre Arbeitsbedingungen mitentscheiden. Gerade selbstbewusste Fachkräfte greifen dann auf das gesetzliche Modell der Betriebsratsmitbestimmung zurück.

In der Gründung eines Betriebsrats drückt sich weniger eine Feindseligkeit gegenüber der Geschäftsführung aus. Den Initiatoren des Betriebsrats ist es viel mehr wichtig, die Unternehmensentwicklung positiv mitzugestalten.

Umso wichtiger ist es deshalb, eine Konfliktstrategie auf beiden Seiten - Unternehmensleitung wie Beschäftigte - zu vermeiden.

Wenn sich heute Betriebsräte bilden, geschieht dies in modernen Unternehmen nicht selten im Einklang mit der Unternehmensleitung. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen sind sich bewusst, dass mit dem Betriebsrat ein Gesprächspartner "auf Augenhöhe" entsteht. Überzeugt man diesen Repräsentanten der Beschäftigten von der Richtigkeit einer Unternehmensstrategie, ist dies die beste Voraussetzung für deren Umsetzung. Ein Betriebsrat bündelt die Interessenlagen der Beschäftigten und schafft Vertrauen in die Unternehmensperspektiven.

Die Analyse der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt unsere Erfahrungen: Wird ein Betriebsrat gegründet, geht dies in zwei von drei Fällen auf die Initiative der Beschäftigten zurück. In jedem fünften Fall entsteht das Gremium jedoch auf Vorschlag der Arbeitgeberseite. Betriebsräte seien im Stande, betriebliche Veränderungsprozesse kooperativ zu begleiten. Daher seien gerade viele Mittelständler - besonders der jüngeren Generation - auf der Suche nach einem Dialog mit ihren Beschäftigten und betonten, dass sie bestimmte schwierige Veränderungen vor allem in Krisenzeiten ohne Zusammenarbeit mit den Betriebsräten wohl nicht geschafft hätten.