375 Euro monatlich?

Sittenwidrigkeit einer Praktikantenvergütung

29.07.2008
Ein Praktikum soll helfen, praktische Kenntnisse zu erwerben. In der Praxis findet dieser Zweck kaum statt. Wie sich das auf die Vergütung des Praktikanten auswirken kann, erklärt Rechtsanwalt Dr. Christian Salzbrunn.

In vielen Unternehmen werden häufig Praktikanten eingesetzt. Die Tätigkeit eines Praktikanten dient der Vorbereitung auf einen Beruf durch den Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen. Was ist aber, wenn der Ausbildungszweck - wie recht häufig in der Praxis - nicht mehr im Vordergrund steht, sondern die für einen Betrieb erbrachten Leistungen und Arbeitsergebnisse des Praktikanten? Ist ein Praktikant dann als Arbeitnehmer anzusehen? Und wie ist ein solcher zu vergüten?

Mit diesen Rechtsfragen musste sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nun in einem Urteil vom 08.02.2008 beschäftigen. Hintergrund der Entscheidung war folgender Sachverhalt: die Klägerin beendete im Jahr 2005 ihr Studium der Innenarchitektur. Danach schloss sie mit der Beklagten, einem Fachverlag, Ende 2005 einen Praktikantenvertrag. Nach dem Vertragsinhalt sollte die Klägerin im Rahmen einer 35-Stunden-Woche sechs Monate lang als Praktikantin mit allgemeinen Aufgaben für die Beklagte tätig werden. Des Weiteren sollte sie hierfür eine Vergütung in Höhe von 375 Euro erhalten.

Volles Gehalt für vollwertige Arbeit

In der Folgezeit wurde die Klägerin bei der Beklagten ausschließlich in einer Abteilung des Unternehmens eingesetzt und sie wurde dort mit der Organisation von Veranstaltungen betraut. Nachdem das sechsmonatige Praktikum beendet war, verlangte die Klägerin plötzlich die Zahlung einer angemessenen Vergütung für ihre Tätigkeit. Nach ihrer Ansicht sei sie für die Beklagte nicht als einfache Praktikantin tätig gewesen, sondern als ganz normale Arbeitnehmerin. Die ursprünglich vereinbarte Vergütung von 375 Euro sei daher sittenwidrig. Mit ihrer Klage vor den Arbeitsgerichten verlangte sie von der Beklagten nun die Nachzahlung eines Betrages in Höhe von 8.455,65 Euro nebst zwischenzeitlich angefallener Zinsen.

Sowohl das Arbeitsgericht Stuttgart als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gaben ihrer Klage überwiegend statt. Nach der Ansicht beider Gerichte war die Klägerin nicht als Praktikantin sondern vielmehr als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig geworden. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei trotz der anderweitigen Vertragsbezeichnung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Zwar verlange ein Praktikantenverhältnis auch nach der Ansicht der Richter keine systematische Berufsausbildung. Gleichwohl müsse bei einem Praktikum der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen, was im vorliegenden Fall nicht ersichtlich gewesen sei. Denn die Klägerin war während des gesamten sechsmonatigen Zeitraumes nur in einer Abteilung eingesetzt worden. Dort sei sie wie eine ganz normale Sachbearbeiterin tätig gewesen und habe lediglich die im Studium bereits erworbenen Kenntnisse verwertet. Die Beklagte konnte demgegenüber nicht darlegen, dass während der Tätigkeit der Klägerin eine umfassende Vermittlung praktischer Kenntnisse stattgefunden habe.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände befanden die Richter die Vergütung von 375 Euro monatlich gem. § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) tatsächlich als sittenwidrig, da hieraus lediglich ein Stundenlohn von 2,46 Euro folge. Stattdessen legten die Richter des LAG Baden-Württemberg nun die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB zu Grunde. Hierzu nahmen sie einen Stundenlohn in Höhe von 10,00 Euro an (der geschätzte Stundenlohn für stundenweise gebuchte Kräfte bei Abendveranstaltungen) und ermittelten eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.522,50 Euro brutto. Letztlich wurde der Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 7.090.65 Euro zugesprochen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.02.2008, Az.: 5 Sa 45/07).

Als Fazit kann aus dieser Entscheidung folgendes festgehalten werden: bei der Beschäftigung von Praktikanten sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Ausbildungscharakter deutlich überwiegt. Soweit möglich, sollten Praktikanten mehrere Abteilungen eines Betriebes durchlaufen, da dieser Umstand von den Richtern als wichtiges Indiz für ein Praktikantenverhältnis gewertet wird. Je breiter das Spektrum der vermittelten praktischen Kenntnisse ist, desto einfacher lässt sich schließlich der Ausbildungszweck in einem möglichen Streitfalle vor den Arbeitsgerichten nachweisen.

Der Autor: Dr. Christian Salzbrunn arbeitet als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht sowie die Themen Insolvenz und Inkasso. Kontakt und weitere Informationen: Telefon +49 (0)2 11. 1 75 20 89-0, Telefax +49 (0)2 11. 1 75 20 89-9, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de (mf)