Weiterbildung

So formen Sie Ihre Führungskräfte

15.08.2013 von Karl Heinz Lorenz
Die Weiterbildung von Mitarbeitern ist eine wertvolle und notwendige Investition in die Zukunft leistungsfähiger Unternehmen. Doch was dürfen Unternehmen von Weiterbildungsmaßnahmen erwarten?
Manche Seminare gaukeln den Teilnehmern grenzenlose Möglichkeiten vor.
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Weierbildung öffnet Perspektiven, steigert Fachkompetenzen, motiviert und entfaltet Leistung. Aspekte, die gerade bei der Führungskräfteentwicklung äußerst wichtig sind. Dafür erwarten investierende Unternehmen sichtbare Renditen. Loyalität, eine starke Bindung ans Unternehmen, hohe Leistungsbereitschaft, hohes Engagement, allgegenwärtige Souveränität im Handeln – die Liste der Trainingsziele für Führungskräfte ist lang. Was ist hier realistisch erwartbar und für die Beteiligten sinnvoll? Wie weit sind Führungskräfte nach den Vorstellungen von Unternehmen formbar und wo liegen die Grenzen?

Vera M. auf ihrem Weg steil nach oben

Vera M. gehörte zum Kreis der Top-Nachwuchsmanagerinnen ihres Unternehmens. Bereits in jungen Jahren, als graduierte Ingenieurin zur Leiterin des Produktmanagements avanciert, wärmten sie die Strahlen der wohlwollenden Aufmerksamkeit der gesamten Geschäftsführungsebene. Sie entsprach in ihrer Erscheinung geradezu vorbildlich der in Leitlinien visualisierten Unternehmenskultur und in ihrem Handeln ganz der Wunschvorstellung ihrer Vorgesetzten, ihrer Mitarbeiter und sogar der ihres Ehemannes.

Anfang des Jahres besuchte sie ein Seminar bei einem der, so kündigte der Veranstalter an, erfolgreichsten Top-Motivatoren der Trainerszene. "Alles ist möglich, wenn Du nur wirklich willst!" erfuhr sie dort, lockerte nach kurzer Zeit das sorgfältig gebundene, schicke Tüchlein um den Hals und rannte geradezu euphorisch mit den anderen Teilnehmerinnen durch die weiten Flure des Topseminarhotels, um gleich bei anderen Gästen noch an Ort und Stelle die neu erworbene motivatorische Kraft auszuprobieren.

"Alles ist möglich, wenn ich nur wirklich will"

In ihrer Seminargruppe verinnerlichte Vera M. diesen Satz immer wieder und ganz tief. Es tat so gut, an die eigenen, grenzenlosen Möglichkeiten zu glauben.

Inspiriert durch diese Trainingserfahrung buchte sie noch am Tag darauf ein weiteres Seminar, natürlich bei Deutschlands härtestem und teuerstem Trainer auf diesem Sektor. Sie strebte ja hohe Ziele an, weniger wäre ja nicht genug. Sie schärfte sich ein, im Umgang mit Kunden äußerste Selbstdisziplin zu wahren und ein gestrenger Herr über ihre Gefühle zu werden: "Nur die Harten kommen in den Garten". Selbstbeherrschung und Höflichkeit sind das A und O, will man ein souveränes Außenbild wahren. Vera M. sah das widerstandslos ein.

Die sieben Typen des Marketing-Managers
Der Daten-Zauberer
Der Daten-Zauberer verwendet gefühlt 22 verschiedene Apps auf mindestens elf Geräten, was wahrscheinlich nicht immer mit der BYOD-Policy im Unternehmen konform geht. Das Lieblings-Netzwerk des Datenzauberers ist Google Plus - die Analyse-Tools sind einfach zu gut. Und am liebsten betreibt er Email-Kampagnen, die er mit Begeisterung vorher getestet hat. Damit ist der Daten-Zauberer wohl nicht allein: 43 Prozent aller Digital-Marketing Manager testen ihre Aufrufe vorher, die Hälfte überprüfen, ob die Tageszeit für die Email-Kampagne auch die richtige ist und 97 Prozent können stundenlang über der Betreffzeile grübeln. Worauf CIOs achten sollten: Auf dem Weg zu den heiß geliebten Daten ignoriert er schon mal implementierte Policies für Sicherheit und BYOD.
Der E-Künstler
Er versteht sich selbst als Künstler, sein Produkt ist auch ein Kunstwerk. Sein Lieblings-Netzwerk ist daher auch Pinterest. Er stellt gern Bilder online und liebt visuell ansprechende Grafiken. Die Statistik gibt ihm Recht: 65 Prozent aller Menschen lernen über Bilder. Worauf CIOs achten sollten: Dieser Typ des digitalen Marketing-Managers verläuft sich manchmal. Da sich seine Performance auch auf ihre Ergebnisse auswirkt, müssen Entscheider ihn manchmal einfangen, bevor er sich verkünstelt.
Der Social Media Meister
Er war einer der ersten, die Facebook als Werbeplattform entdeckt haben - noch bevor es Facebook überhaupt gab. Schließlich ist Zuckerbergs Netzwerk allein für mehr als 90 Prozent der Umsätze im Social-Media-Bereich verantwortlich. Worauf CIOs achten sollten: Vom Guru unter digitalen Marketing-Managern kann man immer noch was lernen - und sich vielleicht Tipps für die unternehmensinterne Social Media Plattform holen.
Der Beta-Tester
Bitte, Facebook ist doch so Neunziger Jahre. Der Beta-Tester lässt den Mainstream hinter sich und experimentiert mit neuen Plattformen. Deswegen hat er auch regelmäßig ein neues Lieblingsnetzwerk: Alles, was im Beta-Stadium ist. Der Beta-Tester hat immer die neuesten Geräte. Und ist besessen von den Aktivitäten der Generation Y. Worauf CIOs achten sollten: Der Beta-Tester verletzt keine BYOD-Policies. Er weiß gar nicht, was das ist. Beziehen Sie ihn in die Entwicklungsarbeit Ihrer eigenen online-Plattform ein. Er weiß, was funktioniert und woran schon andere scheiterten.
Der Megaphon-Manager
Hauptsache, laut. Dieser Typ des digitalen Marketing-Managers ist nicht gerade subtil. Er ist mit seinen Symbolen und Hashtags gern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Diese Holzhammer-Methode scheint zu funktionieren: Emails mit einem Symbol in der Betreffzeile werden zu 15 Prozent mehr geöffnet, mit einem Hashtag fast fünf Prozent. Sein Lieblingsnetzwerk ist: Twitter. Worauf CIOs achten sollten: Beim Megaphon-Manager steht manchmal Form vor Inhalt. Und behalten Sie seine Twitter-Aktivitäten im Auge.
Der Traditionelle
Der traditionelle Typ ist eher oldschool, was seine Herangehensweise an Social Media angeht. Ein Tablet? Pah. Seinen My-Space-Account - nein, das Netzwerk ist immer noch nicht tot - befüllt er vom PC aus. Und Werbung wird über das Fernsehen geschalten. Worauf CIOs achten sollten: Fortbildungsseminare könnten helfen. Aber auch mit einer Rosskur wird dieser Typ des Marketing Managers wohl nicht mehr digital. Ob er Ihr Team wirklich verstärken sollte?
Die Besserwisserin
Die Besserwisserin hat gern alles im Griff. Marketing läuft über den eigenen Blog, denn darüber hat man die beste Kontrolle über die Daten und Analysetools. Sie sagt den Chefs gerne mal, was sie alles verkehrt machen. Die ignorieren nämlich Multi-Channel-Ansätze im Marketing und das passt ihr gar nicht. Andere personalisieren ihre Emails nicht, obwohl dass die Transkationschancen deutlich erhöht. Worauf CIOs achten sollten: Hören Sie auf die Besserwisserin - meistens. Aber achten Sie darauf, dass Ihre Strategie nicht immer der Strategie der Konkurrenz gleicht.

Keine Schwächen zeigen

In Gruppenarbeiten wurden der als störend empfundene Ärger und allzu persönliches Gefühl kanalisiert, in kleine Portionen geteilt und weggepackt. Ihr daraus resultierendes, sehr kontrolliertes Verhalten wurde im Arbeitsleben wohlwollend registriert. Vorgesetzte und Kunden waren doch sehr zufrieden mit ihr. Kontrolle fühlt sich gut an für Unternehmen.

Nur nicht stehen bleiben, dachte sich Vera M. und begab sich kurze Zeit später in die nächste Trainingseinheit. Gute Kenntnisse in Arbeitssicherheit sind zweifelsohne wichtig. Die im Seminar vorgetragenen Aspekte dazu waren ebenso einsichtig wie wichtig. Ein Unternehmen, und damit ganz besonders seine Führungskräfte, ist angehalten, Schäden an Gesundheit und Leben seiner Mitarbeiter zu vermeiden Wer sollte das auch verneinen?

Vera M. akzeptierte auch, dass Sicherheit nicht mit polizeistaatlich anmutenden Überwachungsmethoden erfolgen dürfe. Engagierte, sichere Führung, durchaus in Form von kontinuierlicher Ermahnung und Belehrung wurde gefordert. Selbstverständlich stets freundlich, konstruktiv, nie negativ, immer umsichtig, einfühlsam, proaktiv, nachhaltig und diversifiziert politisch korrekt. In den Gruppenarbeiten des Seminars formulierte unsere Managerin ganz hervorragende Rundschreiben und Konzepte für Lehrgespräche zur Arbeitssicherheit.

Kompromisslos positiv sein

Im nächsten Seminar stand Weiterbildung in modernem Marketing an. In Gesellschaft obligatorisch von Kopf bis Fuß schwarz gekleideter und passend schwarz bebrillter Kreativer lernte sie erkennen, dass im Marketing-Mix jegliche Botschaft an den Markt crossmedial und zielgruppengerecht das Positive des Produkts herauszustellen habe. Dieses erhebende Gefühl der Lebensfreude und des Erfolgs galt es stets zu vermitteln. Der Zusammenhang schien ihr schon aus eigenem Erfahren heraus logisch und einsichtig. Wen interessiert schon die genaue Rezeptur eines Weichspülers, wenn einem doch Aromen der Harmonie oder der ländlichen Idylle mühelos in eine bessere Welt hinübergleiten lassen.

Ob sich dadurch sogar Scheidungsraten senken, eheliche Gewalt vermeiden und positiv eingestimmte, zukunftstaugliche Kinder erzeugen ließen? Die Möglichkeiten schienen grenzenlos, ließe man seinen Gedanken freien Lauf! In Gruppenarbeiten gefielen Vera M.’s Slogans, in denen sie ihr langjährig erworbenes Fachwissen zu Produkten gekonnt beiseite schob und sich ganz und gar einfühlsam in die Mentalität "des Kunden" versetzte, dass sogar die schwarz gekleideten Mitteilnehmer im Seminar staunten und applaudierten. Vera M. stieg Stufe um Stufe weiter nach oben auf der visualisierten Erfolgsleiter.

In einem darauffolgenden PR-Training, gehalten von einem sehr erfahrenen Journalisten, erfuhr sie alles Wichtige über die Arbeit von Redakteuren und der Presse überhaupt. Oberstes Gebot: Auskunftsfordernde Medienvertreter niemals abwimmeln! Für die Presse muss ein Unternehmen einfach jederzeit erreichbar und auskunftstauglich sein. Es gehöre nun einfach zur Natur der Presseleute, genau das wissen zu wollen, was man nicht sagen will und durchaus das zu ignorieren, was man an Informationen bereitwillig anbot.

Eine Top-Managerin bewahre gerade in Krisenfällen die Ruhe, überzeuge durch die Abwesenheit persönlicher Emotionen und sei so eine ernstzunehmende Gesprächspartnerin für die erwartungsfrohe Öffentlichkeit. Es galt, die Körpersprache in den Griff zu bekommen, auch bei unangenehmen oder selbst dummen Fragen im Interview keinen ärgerlichen Gesichtsausdruck zu zeigen, selbst Bemerkungen am Rande der Beleidigung seien mit einer positiven Reaktion zu quittieren. In Gruppenarbeiten des Seminars begeisterte Vera M. durch pressetaugliche Offenheit und freundlichstes PR-Verhalten.

Die eigenen Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragung
Von den eigenen Mitarbeitern kann man viel lernen – wenn man kluge Fragen stellt. Management-Consultant und Buchautorin Anne M. Schüller (www.anneschueller.de) präsentiert eine ganze Reihe an Fragen, mit denen Führungskräfte die Ist-Situation in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern ermitteln können.
Fragen zum Ist-Zustand (I)
Was mir bei uns am besten gefällt, ist: …
Was mir bei uns am meisten fehlt, ist: …
Was sich an meinem Arbeitsplatz konkret verbessern ließe: …
Ich biete an, folgende Aufgaben zu übernehmen: …
Ich biete an, folgende Aufgaben abzugeben: …
Fragen zum Ist-Zustand (II)
Mein größter Wunsch an meine Führungskraft ist: …
Was wir für die Kunden noch tun könnten: …
Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist: …
Was ich Außenstehenden über uns sagen würde: …
Woran ich bei mir selber arbeiten möchte: …
Fragen zum Ist-Zustand (III)
Wobei ich mir Unterstützung wünsche: …
Was mich bewegen könnte, noch lange hier zu bleiben: …
Was ich immer schon mal sagen wollte: …
Was mir besonders am Herzen liegt: …
Was man beim nächsten Mal noch fragen könnte: …
Fragen zur Ermittlung der Mitarbeiterloyalität
Ich kann mir gut vorstellen, noch länger hier zu arbeiten. Und dies, weil ….
Ich spreche mit Dritten (Bekannte, Freunde, Kunden) positiv über uns. Und dies, weil ….
Ich ermutige Interessenten, bei uns Kunde zu werden. Und dies, weil ….
Ich ermutige potenzielle Mitarbeiter, sich bei uns zu bewerben. Und dies, weil ….
Ich tue all dies nicht, weil …
Fokussierende Fragen
Welches sind die drei Dinge, die Sie sich von Ihrem Vorgesetzten am meisten wünschen?
Wenn es eine Sache gibt, die Sie unbedingt übernehmen wollten, was wäre das für Sie?
Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?
Und wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt verändern sollten, was wäre da aus Kundensicht betrachtet das Wichtigste für Sie?
Frage ans Gewissen
"Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"

Sonderbare Träume

Vera M. schlief immer schlechter, sie hatte stressige Träume, oft Magenschmerzen und der Glanz ihrer Augen kam eher von der zunehmenden Übermüdung, als von Glücksgefühlen. Schließlich folgte Vera M. dem mittlerweile dringlichen Rat ihres langjährigen Allgemeinarztes und auch dem ihrer Familie und meldete sich übers Wochenende zu einem Gesundheitsseminar ein: "Umgang mit Stress im Beruf". Zu ihrem allergrößten Erstaunen stellte sie dort fest, dass Aggressionen, Frust und Ärger durchaus zum normalen Spektrum menschlicher Gefühle gehörten, Zeit und Raum zum Erleben benötigten. Ihre fortwährende Unterdrückung fördere mit hoher Wahrscheinlichkeit psycho-somatische Erkrankungen, vom Stresskopfschmerz angefangen, über Magenprobleme bis hin zum Herzinfarkt.

Daraufhin dachte Vera M. intensiv über die Wechselwirkung der zuvor willig und kritiklos trainierten Erfolgsrezepte mit der eigenen Persönlichkeit und Authentizität nach. Das frühere, wie ein Mantra wiederholte Credo, "Alles ist möglich, du musst es nur wirklich wollen," sah sie nun sehr viel kritischer..

Authentizität und Realität

Eine gute Personalentwicklung zielt in modernen Unternehmen sehr viel mehr auf die Freisetzung individueller Talente und Stärken und weniger auf die Schaffung von Konformität. Dazu gehören persönliche Gespräche, gute Analysemethoden und Beratung oder auch Coaching-Angebote auf individueller Ebene. Keine Weiterbildung nach dem Gießkannenprinzip, sondern handverlesen und mit Qualität.

Auch auf Teilnehmerseite ist ein verantwortungsvoller kritischer Umgang mit sich selbst und mit Weiterbildungsangeboten angesagt. Trainings sollten nicht konsumiert, sondern bewusst gewählt und auf sich abgestimmt werden.

Dazu gehört es, regelmäßig ernsthaft zu reflektieren, darüber nachzudenken und abzuwägen, was an Forderungen und den individuellen Möglichkeiten tatsächlich gut harmoniert und realisierbar ist. Wenn Sie sich von innen heraus gut fühlen und auf andere positiv und glaubhaft wirken wollen, dann steht Authentizität an oberster Stelle.

Der Leitsatz von Friedrich Nietzsche: "Werde der Du bist!" zeigt das Entwicklungsziel. Es bedeutet nicht Verformung, sondern sich immer wieder von beengenden Ketten und fremden Fallstricken zu befreien um sich und die in einem wohnenden Potenziale ganz zu entfalten.

Nicht "Alles ist möglich", sondern vieles, und am allerbesten das, was individuell zu uns passt, wirklich gut für uns ist und damit auch für unsere Umwelt, unsere Mitarbeiter, Kollegen, unser Unternehmen. Jeder hat sein eigenes Persönlichkeitsprofil, Talente, Stärken und Schwächen. Und das ist verdammt gut so. (oe)

Der Autor Karl Heinz Lorenz ist Diplom Betriebswirt (DH), Inhaber von LORENZ-SEMINARE Personality- & Competence-Training, Weidenthal, und Autor von "Typisch Kunde!", erschienen im www.lorenz-verlag.de.
Kontakt:
Tel. 06329 989243, E-Mail: info@lorenz-seminare.de