Tipps für Manager

So führen Sie Personalauswahlgespräche richtig

08.02.2010
Worauf Sie achten sollten, damit Sie Bewerbern nicht auf den Leim gehen, sagt Dr. Joachim Kolbert.

Ist das wirklich der richtige Kandidat für die vakante Stelle? Das fragen sich Personalverantwortliche oft nach Vorstellungsgesprächen. Denn in ihnen versucht sich jeder Bewerber so gut wie möglich zu verkaufen. Entsprechend wichtig ist eine professionelle Gesprächsvorbereitung und -führung. Hierzu ein Beispiel.

Heinz Siebert, Inhaber eines mittelständischen Unternehmens, war glücklich. Nach langer Suche hatte er endlich den scheinbar passenden Vertriebsleiter gefunden. Doch dann trat der Neue seine Stelle an. Und schon nach wenigen Tagen kamen Siebert erste Zweifel: Habe ich wirklich den besten Kandidaten ausgewählt? Denn immer wieder traten Pannen bei der Vertriebsplanung auf. Und zunehmend häuften sich bei ihm die Klagen der Verkäufer: "Der Neue hat doch von der Praxis keine Ahnung. Und wie er mit uns umspringt, das lassen wir uns nicht gefallen." Zwei Monate später war Siebert erneut auf der Suche nach einem Vertriebsleiter. Sein "Traumkandidat" hatte sich als Fehlgriff erwiesen.

Solche Fehlgriffe können für Unternehmen verhängnisvoll sein - nicht nur, weil dann alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen waren. Schwerer wiegen meist die "Chaoskosten", die entstehen, wenn Schlüsselpositionen in Betrieben längere Zeit verwaist bleiben. Denn dann werden häufig wichtige Entscheidungen zu spät getroffen und umgesetzt. Oder Kunden werden nicht angemessen betreut. Oder ... Deshalb leiden Unternehmen oft noch Monate, zuweilen sogar Jahre unter den Problemen, die sich aus einem personellen Fehlgriff ergaben.

Detailliertes Anforderungsprofil erstellen

Eine Ursache, warum sich "Wunschkandidaten" oft als Flops erweisen, ist: Viele Unternehmen investieren zu wenig Zeit in das Erstellen des Anforderungsprofils an den neuen Mitarbeiter. Oft untersuchen sie zum Beispiel nicht gezielt: Welche speziellen Fähigkeiten muss der künftige Mitarbeiter aufgrund unserer Unternehmens- und Kundenstruktur haben? Oder aufgrund unserer Produktionsverfahren? Und noch seltener fragen sie sich: Was für ein Typ sollte der neue Controller, Vertriebsleiter oder Disponent sein? Eher ein "kleinkarierter Erbsenzähler" oder ... ? Eher jemand, der das, was auf seinem Schreibtisch landet, abarbeitet, oder ...? Deshalb wird die Personalauswahl zu einer Fahrt ins Blaue.

Alle 2008 und 2009 erschienenen "Business-Tipps" finden Sie übersichtlich nach Themen geordnet und komplett durchsuchbar auf der ChannelPartner "Businness-Tipps 2010"-CD

Gesprächsleitfaden entwerfen

Eine weitere Ursache von Fehlbesetzungen ist: Auf die Personalauswahlgespräche und deren Vorbereitung wird oft zu wenig Sorgfalt verwendet. So werden Vorstellungsgespräche zum Beispiel häufig zwischen zwei Termine "gequetscht" und die Bewerbungsunterlagen vorab nur eines flüchtigen Blicks gewürdigt. Oft entwickeln die Verantwortlichen auch keinen Gesprächsleitfaden. Ein solches Strukturieren und Standardisieren der Gespräche ist aber wichtig - unter anderem damit die Interviewer die Bewerber anschließend vergleichen können.

Auswahlgespräche sollten wie folgt aufgebaut sein: Nach dem kurzen Smalltalk, der auf die Begrüßung folgt, sollten Sie den Kandidaten zunächst bitten, sich kurz vorzustellen und seinen beruflichen Werdegang zu schildern. Danach sollten Sie Fragen zum Lebenslauf stellen. Zum Beispiel: "Warum wählten Sie den Studienschwerpunkt ...?" "Warum wechselten Sie nach drei Jahren den Arbeitgeber?" "Warum entschieden Sie sich ...?"

Aussagen hinterfragen

Ist der Lebenslauf abgeklopft, sollten Sie die speziellen beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten des Bewerbers erkunden. Zum Beispiel mit Fragen wie: "Vor welchen speziellen Herausforderungen standen Sie bei Ihrer Arbeit als ...?" "Was haben Sie bei den Projekten, die Sie durchgeführt haben, gelernt?" Danach sollten Sie ermitteln, was für ein Typ der Bewerber ist und welches Selbstbild er von sich hat.

Vermeiden Sie hierbei Standardfragen wie "Was sind Ihre Stärken und Schwächen?" Darauf haben die meisten Bewerber vorgefertigte Antworten parat. Weniger verfälschte Antworten erhalten Sie auf Fragen wie: "Wenn Sie Ihr Chef wären, wie würden Sie sich beschreiben?" Doch Vorsicht: Geben Sie sich nicht mit so allgemeinen Antworten wie "Ich bin entscheidungsstark" zufrieden. Fragen Sie nach: In welchen Situationen zeigt sich das? Wenn es um Neuanschaffungen geht? Oder wenn es um das Treffen und Verkünden von Entscheidungen geht, die "schmerzhaft" sind?

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Nicht vorschnell zu viele Infos preisgeben

Häufig begehen Interviewer den Fehler, dass sie dem Kandidaten zu früh ausführlich die vakante Position und die Aufgaben, die auf den künftigen Stelleninhaber zukommen, schildern. Deshalb weiß der Bewerber, wenn das eigentliche Interview beginnt, schon, was vom künftigen Stelleninhaber erwartet wird. Also passt er sein Antwortverhalten an. Und Sie? Sie können nicht mehr unterscheiden: Entspricht der Kandidat tatsächlich Ihren Vorstellungen oder präsentiert er sich nur wie gewünscht?

Leiten Sie das Gespräch erst auf die vakante Stelle über, wenn Sie bereits ein recht konkretes Bild vom Bewerber haben. Diese Gesprächsphase können Sie zum Beispiel mit den Worten einleiten: "Wir sind ein mittelständischer Betrieb (oder "Wir sind spezialisiert auf ..."). Was schätzen Sie, welche speziellen Anforderungen sich hieraus an den künftigen Stelleninhaber ergeben?". Lassen Sie den Kandidaten also zu-nächst selbst eine Einschätzung abgeben, bevor Sie ihm dezidiert die vakante Position beschreiben.

Hat der Bewerber diese Information, sollten Sie erneut Fragen stellen - und zwar zu typischen Herausforderungen, mit denen der künftige Stelleninhaber konfrontiert sein wird. Zum Beispiel: "Stellen Sie sich vor, ein Schlüsselkunde beschwert sich darüber, dass ... und droht die Zusammenarbeit zu beenden. Was würden Sie tun?"

Auch an künftige Aufgaben denken

Insbesondere wenn es um das Besetzen von Schlüsselpositionen geht, sollten sich Ihre Fragen nicht nur auf die aktuelle Unternehmenssituation beziehen. Schließlich soll der neue Mitarbeiter viele Jahre für Ihr Unternehmen arbeiten und seinen Beitrag zu dessen Weiterentwicklung leisten. Fragen Sie ihn also zum Beispiel: "Wir möchten unsere Reaktionszeit auf Kundenanfragen verkürzen. Wie würden Sie dieses Thema angehen?" Oder lassen Sie ihn sogar mit einem Kollegen aus dem betreffenden Fachbereich darüber diskutieren und fragen sie sich anschließend:

- Welche neuen Erkenntnisse habe ich gewonnen?

- Wie reagierte der Bewerber auf andere Meinungen? Und:

- Wie verarbeitete er neue Informationen?

Dann wird meist schnell klar, ob der Kandidat der "Richtige" ist.

Wer bei Bewerbern hinter die Fassade blicken möchte, sollte einigermaßen routiniert im Interviewen von Personen sein. Sonst reißen eloquente und selbstbewusste Bewerber schnell die Gesprächsführung an sich. Gerade untrainierte Führungskräfte sollten deshalb überlegen: Ziehe ich zu dem Gespräch einen Kollegen hinzu? Dies hat auch den Vorteil, dass im Gespräch eine Arbeitsteilung möglich ist. Während Sie zum Beispiel primär das Gespräch führen, achtet Ihr Kollege vor allem auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers, die oft aussagekräftiger als die verbalen sind. Außerdem kann er stichwortartig die wichtigsten Aussagen und Beobachtungen notieren. Sonst ist die Gefahr groß, dass nach dem fünften Interview niemand mehr weiß, was der erste Bewerber sagte und wie er reagiert hat.

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Ranking der besten Bewerber erstellen

Wichtig ist eine sorgfältige Nachbereitung der Gespräche. Ergänzen Sie nach jedem Gespräch sofort Ihre Notizen - am besten auf einem anhand des Anforderungsprofils erstellten Formblatt. Dann können Sie die Ergebnisse leichter miteinander vergleichen.

Bevor Sie Ihre Entscheidung treffen, sollten Sie ein Ranking der besten Bewerber erstellen. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt. Sprechen Sie beim Erstellen des Rankings mit Ihren Kollegen, sofern diese bei den Gesprächen dabei waren, auch darüber, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein "eher schlechtes Gefühl" haben. Und warum Sie beim Bewerber B den Eindruck haben, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung können Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse erzielen.

Deshalb ist es gerade beim Besetzen von Schlüsselpositionen sinnvoll, das Urteil darüber, wie stark bestimmte Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale bei einem Kandidaten tatsächlich ausgeprägt sind, durch wissenschaftlich fundierte Tests abzusichern. Derartige Verfahren gehören aber in die Hände von Experten, die den Auswahlprozess entsprechend den in der DIN 33430 formulierten Qualitätsmerkmalen (www.din33430portal.de) gestalten können. (oe)

Der Autor Dr. Joachim Kolbert ist Diplom-Psychologe und arbeitet als Personalberater für die Adensam Die Personalberater GmbH, Ludwigshafen, die auf die Arbeitsfelder New- und Outplacement spezialisiert ist.

Kontakt:

Tel.: 0621 59895-0, E-Mail: anfrage@adensam.de, In-ternet: www.adensam.de

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