Betriebliches Gesundheitsmanagement

So gehen Sie richtig mit Stress um

27.06.2012
Wie Mitarbeiter Stress präventiv begegnen und abbauen können, sagt Dr. Roman Schenk von Protegia.
Foto: MEV Verlag

Einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zufolge fühlen sich 52 Prozent der Arbeitnehmer gehetzt und klagen über Zeitdruck. Gewerkschaften und Unternehmerverbände rufen Arbeitgeber anlässlich der Studienergebnisse zum Handeln auf und fordern Arbeitsbedingungen, die weniger Stress verursachen.

Dr. Roman Schenk, Gründer und Geschäftsführer von Protegia, hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines nachhaltigen Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) hervor, das die Mitarbeiter in die Lage versetzen soll, Stress präventiv zu begegnen und aktiv abzubauen. Dass sich dieser Ansatz in der Praxis bewährt, zeigt der Erfolg des Coaching-Programms "Stresspause" von Protegia.

? Sie fordern von den Arbeitgebern Arbeitsbedingungen zu schaffen, die weniger Stress produzieren. Ist das überhaupt machbar?

Dr. Roman Schenk (RS): Ja. Die betriebliche Gesundheitsförderung besteht aus Maßnahmen der Verhältnis- und der Verhaltensprävention und unterstützt das Ziel, Stress zu vermeiden. Daneben trägt eine Unternehmenskultur, die von Wertschätzung, Vertrauen, Transparenz und Anerkennung geprägt ist, genauso viel zum Wohlbefinden der Mitarbeiter bei, wie ein Stress abbauender Führungsstil und ein vorgelebtes gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Pausen durch die Führungskräfte.

Darüber hinaus sind die Mitarbeiter selbst gefordert Verantwortung für die eigene psychische Gesundheit und Stresskompetenz zu übernehmen. Indem sie z.B. analysieren, welche Situationen Stress auslösen und welche erleichternden Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Dabei ist es wichtig, einen Belastungsausgleich zu schaffen sowie Zufriedenheitserlebnisse und Einstellungsveränderungen herbeizuführen. Es ist von Seiten des Arbeitgebers nicht immer möglich, stressauslösende Bedingungen ganz zu vermeiden.

? Für das Thema Burn-out sind die Arbeitnehmer durch die zahlreichen Medienberichte sicher sensibilisiert. Haben Sie den Eindruck, dass auch Prävention innerhalb der Unternehmen zunimmt?

RS: Viele Unternehmen haben die Notwendigkeit betrieblicher Prävention erkannt und bieten ihren Mitarbeitern zunehmend Maßnahmen zur Stressbewältigung und Stressprävention an. Auch die Krankenkassen bestätigen in ihrem Präventionsbericht eine deutliche Zunahme der allgemeinen Aktivitäten zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Darüber hinaus führen auch wir zunehmend bundesweite Projekte für Unternehmen und ihre Mitarbeiter im Bereich Stressmanagement durch.

Gruppenkurse reichen nicht aus

? Es werden doch inzwischen in vielen Firmen BGM-Angebote eingesetzt. Die gehen Ihnen aber nicht weit genug. Warum reichen Angebote wie Gruppenkurse Ihrer Meinung nicht aus?

RS: Ein Gruppengespräch ist ein wichtiger Ansatz für den Erfahrungsaustausch: Was stresst die anderen? Wie gehen sie damit um? Wie kann ich das für mich persönlich verwenden? Die Individualität des Stresserlebens wird in der Gruppe sehr deutlich.

Aus zeitlichen Gründen kann aber oft nicht auf jeden Mitarbeiter individuell eingegangen werden. Nicht jeder will zudem seine privaten oder beruflichen Probleme vor der Gruppe offenbaren. In Einzelsitzungen mit professionellen Coaches werden die individuellen Stressauslöser besser herausgearbeitet und persönliche Maßnahmen zur Verhaltensänderung entwickelt. Und durch unser telefonisches Angebot erreichen wir oft auch Mitarbeiter, die nicht am Standort der Gruppenkurse sind bzw. durch ihre Tätigkeit an diesem Angebot nicht teilnehmen können. Individuelle Angebote ersetzen daher nicht die Gruppenkurse, sondern ergänzen diese sinnvoll.

? Aber ist es denn für einen Unternehmer zumutbar, individuelle Angebote und Programme erarbeiten zu lassen? Der Aufwand und das dafür nötige Personal sind schließlich auch ein Kostenfaktor.

RS: Es ist nicht zwingend notwendig, dass jedes Unternehmen seine eigenen BGM-Maßnahmen entwickelt - dies ist letztendlich auch eine Ressourcenfrage. Externe Dienstleister wie Protegia sind hierauf spezialisiert und bieten das erforderliche Know-how in professionellen Programmen, die zum Teil individuell an den jeweiligen Unternehmensbedarf angepasst werden können. In unserem Programm "Stresspause" begleiten die PROTEGIA Coaches die betroffenen Mitarbeiter sechs Monate lang. Unter Anleitung erlernen sie Methoden der kurzfristigen und langfristigen Stressbewältigung und zur Stressprävention, mit denen sie ihre Leistungsfähigkeit erhalten oder verbessern können.

Stressempfinden ist individuell

? Stress lässt sich aber dennoch nicht immer vermeiden und ein Arbeitnehmer kann seinen Chef nicht zwingen, entsprechende Maßnahmen im Betrieb einzuführen. Haben Sie einen Tipp für betroffene Arbeitnehmer, wie sie unter hohem Druck das Stress-Level schnell senken können?

RS: Das Stressempfinden ist sehr individuell und genauso individuell sind die Lösungsmöglichkeiten. Eine Masterlösung für alle gibt es nicht. Für den einen bringen in akuten Stresssituationen Atemübungen, Muskelentspannung oder positive Selbstgespräche den gewünschten Erfolg. Ein anderer macht sich Luft durch lautes Schreien oder durch körperliche Aktivität. Wichtig sind die langfristigen Maßnahmen, die dabei helfen, stressauslösende Faktoren zu identifizieren und eine grundlegende Einstellungs- und Verhaltensänderung herbeizuführen. Auch sollte man eine gesunde Ernährung und sportliche Aktivität nicht unterschätzen. Im Rahmen unseres Programms "Stresspause" helfen wir den Teilnehmern die unterschiedlichen Methoden zur kurz- und langfristigen Stressbewältigung für sich zu identifizieren und geben Ratschläge zur Prävention.

? Wenn Maßnahmen zur Stressprävention angeboten werden: welche Probleme werden dort am häufigsten angesprochen?

RS: In den Einzelgesprächen, die wir in der Programmphase unseres Angebotes Stresspause führen, zeigen sich immer wiederkehrende Stressoren wie Zeitdruck oder das Gefühl, dem eigenen Anspruch an die Arbeit nicht gerecht werden zu können. Dazu kommen ein fehlender Freizeitausgleich, häufiges Arbeiten an "freien" Tagen oder nach Feierabend sowie Konflikte am Arbeitsplatz. Eine wichtige Rolle spielen auch oft familiäre Faktoren, wie zu pflegende Angehörige oder eine Trennung.

? Häufig ist es aber nicht nur die Verdichtung der Aufgaben oder der Zeitdruck, der den Stress auslöst. Manchmal liegen die Ursachen für die Überforderung auch im privaten Bereich und zeigen sich eben auch im Job. Können BGM-Angebote in solchen Fällen überhaupt greifen?

RS: In den persönlichen Coaching-Gesprächen unserer Programme werden die individuellen stressauslösenden Faktoren herausgearbeitet. Der Arbeitnehmer erkennt dadurch, wo, wann und wie genau bei ihm Stress ausgelöst wird und entwickelt mit Unterstützung der PROTEGIA-Coaches Lösungsmöglichkeiten und entlastende Einstellungsänderungen, um seine Work-Life-Balance wiederherzustellen.

Ist "positiver Stress" ein Märchen?

? Gibt es Ihrer Meinung nach auch positiven Stress oder ist das ein - vermutlich von Arbeitgebern - erfundenes Märchen?

RS: Es gibt kurzfristige Stresssituationen, die durchaus aktivierend sein können und die Leistungsfähigkeit des Körpers fördern, ohne ihm zu schaden. Das ist z.B. der Fall, wenn der Chef den Mitarbeiter vor eine neue Aufgabe stellt, die als schwierig erachtet, jedoch gleichzeitig als lösbare Herausforderung angesehen wird. Steht man allerdings oft und lange unter Stress und fühlt sich überfordert, kostet die Belastung Kraft, Energie und Gesundheit. Dauerstress verhindert, dass der Körper sich eine Ruhepause gönnen und von den täglichen Anforderungen erholen kann.

? Und was tun Sie selbst gegen Stress, wenn Sie merken, dass Sie gerade darunter leiden?

RS: Ich analysiere den Grund, warum ich gestresst bin und wende dann meine bewährten Maßnahmen wie Zeitmanagement und Work-Life-Balance an.
Dr. Roman Schenk ist Gründer und Geschäftsführer von Protegia, München.
Weitere Informationen und Kontakt: www.protegia.eu