Reparaturdienstleistungen

So kann der stationäre Handel überleben, Teil 3

11.04.2008
Der Fachhandel steckt bezüglich der klassisch betriebenen Werkstätten in einem Dilemma. Markus Kugeler, Geschäftsführer der Ratinger PST - professional support technologies GmbH, zeigt zukunftsträchtige Alternativen auf.

Anforderungen an den Service, insbesondere an Reparaturdienstleistungen, wandeln sich grundlegend. Durch zunehmende Digitalisierung der Produkte sind immer weniger Reparaturen zu erwarten und gleichzeitig werden diese wenigen Reparaturen komplizierter und teuerer. Viele Fachhändler haben diese Trends leider verschlafen und betreiben ihre Werkstätten immer noch wie zu Zeiten analoger Produkte.

Argumente, die gegen die eigene Reparaturwerkstatt sprechen, werden immer bedeutsamer. Durch fortschreitende Digitalisierung sind zukünftig weiter sinkende Reparaturzahlen zu erwarten. Die Industrie stellt ihre Servicekonzepte ebenfalls um und bevorzugt zunehmend wenige, bundesweit agierende Servicewerkstätten statt einzelne Händler für den Service zu autorisieren.

Dies geschieht nicht zuletzt aus Kostengründen. Reparaturen sind mit einer Zentralabwicklung günstiger ausführbar. Neue Autorisierungen werden praktisch nicht mehr vergeben. Ein weiterer Trend der Industrie zielt auf die Direktabwicklung von Garantiefällen mit Endkunden. Der Preisverfall, insbesondere auf dem Markt der LCD- und Plasma-Fernseher, beschleunigt diese Entwicklung noch zusätzlich und verursacht stärkeren Preisdruck auf Reparaturleistungen.

Kunden stellen zwangsweise Reparaturkosten einer Neuanschaffung entgegen. Warum soll ein Konsument sein Produkt reparieren lassen, wenn er für einen geringen Aufpreis ein höherwertigeres und aktuelleres Produkt bekommt? Immer kürzer werdende Produktlebenszyklen erschweren zusätzlich Reparaturdienstleistungen, da fast täglich neue Produkte hinzukommen, was die Bereitstellung und Lagerhaltung von Ersatzteilen nahezu unmöglich macht.

Ein Teil des Reparaturgeschäfts bestand in der Vergangenheit aus Garantiereparaturen für die Industrie. Industrielle Fallpauschalen sind inzwischen bei weitem nicht mehr kostendeckend. Der Preisdruck am Markt macht eine Quersubventionierung der nicht kostendeckend arbeitenden Werkstatt unmöglich.

Was bleibt also für den Fachhandel mit eigener Werkstatt zu tun?

Reparaturdienstleistungen können nur noch wenige große Spezialisten kostendeckend durchführen. Die bisherige Handelsstrategie, das erste Gerät verkauft das Geschäft, das zweite die Werkstatt, geht nicht mehr auf. Was die Bereiche Garantiereparatur und Nachgewährleistungsreparatur angeht, bleibt Händlern nur die Möglichkeit, mit einem starken industriellen Servicepartner mit kurzen Durchlaufzeiten zu kooperieren, der die Reparaturen übernimmt.

Auf diese Weise lässt sich auf Dauer weiterhin gute Kundenzufriedenheit erreichen. Allerdings fehlt das Alleinstellungsmerkmal, welches den Fachhandel gegenüber der Konkurrenz abhebt. Auf industrielle Reparaturdienstleister greifen inzwischen ebenfalls Online Versandhäuser, Discounter, C & C Märkte und Fachketten zurück.

Hinzu kommt, dass nur wenige Servicespezialisten in der Lage sind, von Kunden gewünschte Durchlaufzeiten zu gewährleisten. Aktuelle Umfragen ergeben, dass je nach Gerätegruppe, eine Reparaturdurchlaufzeit von 1 bis maximal 5 Werktagen für Verbraucher akzeptabel ist. Um diese Zeiten zu erreichen ist eine ausgefeilte Logistik erforderlich.

Des Weiteren darf durch Outsourcing der Werkstattleistung nicht der direkte Kundenkontakt verloren gehen. Fachhändler sollten bei der Wahl des Reparaturspezialisten neben, günstigen Reparaturpreisen, insbesondere auf geringe Durchlaufzeiten und die Qualität der durchgeführten Arbeiten achten. Lösungen, bei denen defekte Geräte direkt im Fachhandel oder bei Endkunden abgeholt werden sind denkbar. Der Handel fungiert weiterhin als kompetenter Ansprechpartner für seine Kunden.

Ein mögliches Szenario besteht darin, dass Händler Verträge mit industriellen Servicedienstleistern abschließen, die für sie Reparaturen übernehmen. Hierbei sichert die Servicewerkstatt entsprechende Reparaturdurchlaufzeiten zu. Defekte Produkte können, nachdem ein Serviceauftrag durch den Händler generiert wurde, entweder im Geschäft oder bei dem jeweiligen Kunden abgeholt werden.

Nach erfolgreicher Reparatur (ggf. nach KVA) wird das Gerät entweder zurück zum Händler oder direkt zum Kunden geliefert. Der Kunde erfährt in der Regel nicht, wer letztendlich die Reparatur durchgeführt hat. Bei kostenpflichtigen Reparaturen werden Rechnungen an den Endkunden nur über den Händler gestellt.

Bei einer guten Organisation kann der Händler zum industriellen Reparaturpreis einen gewissen Aufpreis aufschlagen und hat die Möglichkeit auf diese Weise ebenfalls von Reparaturleistungen zu profitieren. Dieses Prinzip wird in vielen Bereichen bereits heute erfolgreich praktiziert.

Folgende Anforderungen sind an den Reparaturservice zu stellen:

- Vertragliche Zusicherung von kurzen Reparaturdurchlaufzeiten

- Qualitativ hochwertige Arbeitsleistung

- Strukturierte und nachvollziehbare Prozesse

- Schnelle und unbürokratische Problemlösung

- Enge Kooperation mit dem Handel / Fachhandel

Der Handel selbst muss zusätzlich andere Strategien entwickeln, um seinen Kundenservice und damit seine Alleinstellungsmerkmale gegenüber den Mitbewerbern herauszustellen:

Die erste Möglichkeit ist die Veränderung der Serviceprozesse von Reparaturdienstleistungen in Richtung Installation und Inbetriebnahme der verkauften Produkte. Durch voranschreitende Konvergenz werden viele Produkte für Kunden komplizierter und erklärungsbedürftiger. Konvergenz bedeutet bezogen auf den CE-Markt das Verschmelzen verschiedener Technologien, wie etwa Telekommunikation (TK), Unterhaltungselektronik (UE) und Informationstechnologie (IT).

Kunden sind oftmals nicht mehr in der Lage, Produkte zuhause zu installieren und einzurichten. Der Trend geht weiter in Richtung einer Vermischung von Computer und UE- Produkten. Kunden benötigen daher zunehmend Hilfestellung bei der Vernetzung und Bedienung ihrer Produkte.

Unterstützt wird dieser Prozess durch den demografischen Wandel. Insbesondere die Gruppe der Älteren, die als Kunde zunehmend wichtiger wird, benötigt Hilfestellungen und Installationsleistungen vor Ort.

Als Kundengruppe sind auch zunehmend gewerbliche Kunden denkbar. Anfallende Dienstleistungen, wie z.B. Einrichten von Show- und Präsentationsräumen, Installation von Überwachungstechnik und (EDV)-Netzwerken sind für das gewerbliche Dienstleistungsportfolio denkbar.

Weitere lukrative Servicebereiche sind in folgenden Bereichen zu finden:

- Anlieferung von Neugeräten

- Installation von Heim-, Funk- oder PowerLine- Netzwerken

- Installationen von Heimkinosystemen

- Entsorgung von Altgeräten

- Montage von Empfangstechnik

- Außendienstbesuche bei Kunden

- Garantiereparaturen durch Einsendung an den Hauskundendienst oder an industrielle Servicepartner

- Einbau von Car-Media-Systemen.

Die Liste lässt sich fast beliebig erweitern. Tätigkeiten wie Aufstellen, Anschließen, Einrichten, Programmieren und Verkabeln ersetzen klassische Werkstattleistungen und werden in Zukunft die eigene Werkstatt komplett ablösen. Überhaupt gewinnt der Bereich Digital Home an Bedeutung. Hier müssen Kompetenzen und Stärken auf- und ausgebaut werden.

Der Weg ist klar vorgegeben: Der Fachhandel benötigt eine Sanierung vom ehemaligen Reparaturdienstleister zum Lösungsanbieter und Servicedienstleister. Bei Defekten ist die Annahme von Reparaturen und die Koordination der Abwicklung ausreichend und notwendig. Eigene Reparaturleistungen sind nicht mehr sinnvoll.

Eine weitere zukunftsträchtige Servicevariante besteht im Angebot von Garantieversicherungen. Auswertungen von Anbietern dieser Versicherungsleistungen ergeben, dass je nach Produktgruppe jetzt schon bis zu 10 Prozent der Käufer diese Form der Garantieverlängerung nutzen.

Die Zukunftsaussichten:

Die Zahl der Fachhändler, die keine Werkstatt betreiben, wird wachsen und das Ende der kleinen und mittleren Werkstätten im Handel ist nah. Gleiches gilt für kleine Fachwerkstätten. Aussichten bestehen lediglich für größere, bundesweit agierende Volldienstleister. Ebenso werden sich die Umsätze im Zusammenhang mit Reparaturdienstleistungen weiterhin Rückläufig entwickeln.

Im Gegenzug werden die Erlöse aus weitergehenden Dienstleistungen ansteigen. Händler, welche die vorher genannten Konzepte umsetzten können, werden auch in Zukunft in der Lage sein ihre Geschäfte auszubauen und mit dem Markt weiter zu wachsen.

Der Autor: Marcus Kugeler ist langjähriger Experte für die Themen After-Sales und Servicemanagement und Geschäftsführer der Ratinger PST - professional support technologies gmbh.

Lesen Sie in den nächsten Teilen unserer Serie:

1. Servicekosten optimieren - Zugewinn durch Service

2. Kundenbegeisterung und Kundenbindung durch After-Sales-Lösungen (go)