Zugewinn durch Service

So kann der stationäre Handel überleben, Teil 4

02.05.2008
Der Fachhandel steckt bezüglich der klassisch betriebenen Werkstätten in einem Dilemma. Markus Kugeler, Geschäftsführer der Ratinger PST - professional support technologies GmbH, zeigt zukunftsträchtige Alternativen auf.

Nach dem Wegfall der klassischen Werkstattleistungen für den Handel sind Garantiefälle vor allem nur noch eins: Kostenfaktoren. In der Regel bringen Kunden Ihre Produkte im Fall eines Defekts zu dem Geschäft zurück, in dem diese auch gekauft wurden. Hierdurch entstehende Nebenkosten trägt, auch während der Garantiezeit, der Handel selbst. Auch wenn Garantiefälle von der Industrie getauscht oder gutgeschrieben werden, den oftmals größeren Teil der anfallenden Kosten, die Handlingkosten, trägt jede Partei selbst.

Garantiefälle verursachen also Kosten. So viel ist klar. Sie bergen auf der anderen Seite auch vielfältige Chancen für Industrie und Handel, die leider immer noch zu wenig genutzt werden.

Vor einigen Jahren konnte insbesondere der Fachhandel Garantiekosten durch Reparaturautorisierungen kompensieren. Heute sieht die Lage anders aus. Die Industrie setzt aus Kostengründen auf wenige zentralisierte Servicespezialisten und entzieht dem Handel entsprechende Reparaturautorisierungen.

Für die letzten noch vorhandenen Autorisierungen reichen die Garantiepauschalen bei weitem nicht mehr aus um kostendeckend zu reparieren. Kosten für das Handling von Garantiefällen übersteigen oft den Wert entsprechender Produkte. Auch das Abholen defekter Ware durch die Industrie senkt diese Belastungen nur minimal. Das Verkaufspersonal muss die Kunden betreuen und entsprechende Lösungen anbieten.

Gerade bei Massenartikeln wie portable Media-Player und ähnlichen Produkten können Garantiefälle sehr teuer für den Handel werden. Defekte Produkte werden getauscht, gutgeschrieben oder repariert.

In Folge der verschiedenen Methoden der Garantiebearbeitung in der Industrie müssen Telefonate geführt oder gegebenenfalls im Prozess entstehende Fehler geklärt werden. Die Buchhaltung verbringt einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Arbeit damit Probleme im Zusammenhang mit Garantiefällen zu klären und entsprechend zu buchen.

Die Probleme sind vielfältig: Falsche oder unpassende Bearbeitungsnummern, Transportschäden, Fehlmengen, fehlende Zubehörteile, falsche oder unpassende Belastungsanzeigen, Rechnungskorrekturen, um nur einige zu nennen.

Unterschied zwischen offenen und verdeckten Servicekosten

Die offenen Servicekosten für Kundenbetreuung, Verpackung, Porto und Lieferscheinerstellung sind für alle Beteiligten durchschaubar und einfach zu kalkulieren.

Verdeckte Kosten, die in der Regel den größeren Kostenfaktor darstellen, sind dagegen schwieriger zu beziffern. Verdeckte Kosten entstehen sowohl im Handel als auch bei der Industrie in nicht unerheblichem Maß. Sie werden meist gar nicht oder nur unzureichend Berücksichtigt.

Auf Herstellerseite verursacht die Abwicklung von Garantiefällen mit dem Handel ebenfalls oft Probleme. Insbesondere im Niedrigpreissegment entstehen bei vermeidlichen Defekten unüberschaubare Kosten. Versandkosten und Kosten für das einzelne defekte Produkt sind aufgrund der guten Kalkulierbarkeit wiederum nicht entscheidend.

Verdeckte Servicekosten verursachen auch bei der Industrie Probleme: Buchhalter müssen klären, ob belastete Waren wirklich angekommen sind. Transportschäden, für die niemand verantwortlich sein will, müssen bearbeitet werden. Waren, die sich keiner Retourensendung zuordnen lassen werden vom Handel belastet. Reparaturnummern lassen sich oftmals den entsprechenden Garantiefällen nicht zuordnen. Lieferdokumente sind nicht oder nicht richtig ausgefüllt. Waren werden an falsche Adressen geschickt. Zubehörteile fehlen. Die Liste der Schwierigkeiten ist fast endlos.

Ein weiteres Problem besteht in der mangelnden Prüfung der Kundenreklamationen durch den Handel, was zu einer hohen NDF Rate führt bei eingehenden Servicefällen führt. (NDF = non defect found --> kein Fehler feststellbar) Diese Quote erreicht bei einigen Produkten sogar die 50-Prozent-Marke.

Hier zahlen sowohl Handel als auch Industrie für Garantiefälle, die eigentlich gar keine sind. Mangelnde Prüfungen können dem Handel aber dennoch nicht vorgeworfen werden, da diese aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Waren fast unmöglich sind. In der Regel sind Mitarbeiter bei diesem Warensortiment gar nicht mehr in der Lage, die richtige Bedienung aller Waren zu kennen.

Ein Lösungsweg aus den vorher genannten Schwierigkeiten besteht in der engeren Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel. Vor allem muss die Garantiefallbearbeitung vom Handel weg zu einer Direktabwicklung zwischen Industrie und Endkunden geändert werden

Hersteller müssen Konsumenten effiziente und schnelle After-Sales Lösungen anbieten. Dies sollte schon allein im Eigeninteresse passieren, um verdeckte Servicekosten zu eliminieren, NDF Quoten zu minimieren und auf der anderen Seite die Markentreue der Kunden zu fördern. Hierzu sind gut funktionierende Serviceprozesse notwendig.

Garantiefallabwicklung über den Handel birgt für Hersteller neben einer enormen Kostenbelastung immer die Gefahr, dass der Kunde als Austauschgerät das Produkt eines Mitbewerbers erhält.

Der Handel seinerseits muss sich auf die Hersteller verlassen können und seine Kunden bei der Abwicklung mit der notwendigen "Rückendeckung" unterstützen. Auf diese Weise können Fachhändler sich auf andere, lukrativere Serviceleistungen als die Reparatur konzentrieren und ihre Kerngeschäfte ausbauen.

Bessere Kundenbindung und gutes Marketing sind die Folge dieser verbesserten Zusammenarbeit von Handel und Industrie. In der Praxis zeigt sich, dass Kunden, auch wenn ihr Produkt einmal einen Defekt aufweist, der entsprechenden Marke in der Regel treu bleiben. Dies setzt natürlich einen einwandfreien und reibungslosen After-Sales Prozess voraus.

Auch für Händler besteht ein Vorteil darin, Kunden schnelle und effiziente Problemlösungen anbieten zu können ohne sich selbst zu stark in diesen Prozess einzubringen.

Nur wenn die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel in Zukunft weiter ausgebaut wird und besser funktioniert, können alle Beteiligten davon profitieren. Empfehlungen für Produkte einzelner Hersteller durch den Fachhandel sollten sich daher unter anderem nach der gebotenen Servicequalität richten. Margen sinken mit einer holprigen After-Sales Abwicklung sehr schnell in den Verlustbereich und dürfen daher nicht der alleinige Maßstab für eine Kaufempfehlung sein.

Es dürfte inzwischen allgemein bekannt sein wie schnell Kunden die Einkaufsquellen wechseln, wenn Ihnen bei Problemen nicht adäquat geholfen wird.

Der Autor: Marcus Kugeler, langjähriger Experte für After-Sales Servicelösungen und Servicemanagement und Geschäftsführer der Ratinger PST - professional support technologies GmbH.

Lesen Sie im nächsten Teil:

Kundenbegeisterung und Kundenbindung durch After-Sales Lösungen (go)