Akku immer voll

So laden Sie Ihr Smartphone ohne Kabel

31.12.2015 von Ines Walke-Chomjakov
Das Smartphone einfach hinlegen und schon füllt sich der Akku – kabellos. Soweit die Idee. Ob es in der Praxis wirklich so einfach ist, klärt der Ratgeber.

Smartphones und Tablets benötigen ständig Energie – zum Surfen, Streamen oder auch nur, um die Verbindung zum Netz zu halten. Oft ist der Akku am Ende des Tages leer. Dann geht die Sucherei los - erst nach dem Kabel, dann nach der nächsten Steckdose. Kabellose Ladelösungen sollen von diesem Stress befreien. Sie versprechen ein ständig aufgeladenes Mobilgerät, das immer dann seinen Akku füllt, wenn es gerade nicht gebraucht wird – einfach, indem es auf dem Tisch oder im Auto liegt.

Was Sie dazu benötigen, ist entweder ein geeignetes Mobilgerät oder eine Hülle, um das Handy fit fürs kabellose Laden zu machen und natürlich eine Ladestation. Was so einfach klingt, ist in der Praxis komplizierter. Denn bisher verwirrten unterschiedliche Spezifikationen, so dass sich kabelloses Laden nicht durchsetzen konnte. Darunter ist Qi der WPC (Wireless Power Consortium) die wohl bekannteste Technik. Sie nutzt elektromagnetische Induktion.

Anfang 2015 haben sich zwei weitere Vertreter zusammengetan: PMA (Power Matters Alliance) mit Power 2.0 und A4WP (Alliance for Wireless Power) mit Rezence. Letztere beruht auf Magnetresonanz. Damit sind nur noch zwei Spezifikationen übrig. Das bringt Bewegung ins kabellose Laden und macht es für den Verbraucher einfacher.

Upgrade-Paket fürs kabellose Laden: Das Samsung Ladeset EP-WG900 macht das Galaxy 5 mit Smartcover und Ladepad kompatibel mit der Spezifikation Qi.
Foto: Samsung

Zu den Unterstützern von Qi zählen Nokia, Sony, Toshiba, Panasonic, LG, Qualcomm und Texas Instruments. Rezence treiben etwa Intel, Dell, Procter & Gamble, Starbucks oder Witricity voran. Samsung ist Mitglied in beiden Initiativen. Apple dagegen unterstützt offiziell keinen der beiden Vorstöße zum kabellosen Laden. Die Apple Watch nutzt zum Aufladen ein Kabel mit Magneten, der am Gerät andoggt. Das spricht für Qi. Es finden sich aber keine genauen Angaben dazu.

Qi versus Rezence

Beide Techniken benötigen einen Sender im Ladegerät und einen Empfänger, der im Mobilgerät sitzt. Die Transmitterspule im Ladegerät baut ein Magnetfeld auf, das Spannung in der Empfängerspule erzeugt und das Mobilgerät auflädt. Bei Qi müssen die Geräte dafür unmittelbar übereinander liegen. Rezence funktioniert dagegen über weitere Distanzen und lässt sich auch durch Metalle nicht stören. So lässt sich die Technik einfacher in Räumen oder Gegenständen integrieren.

Der Standard Rezence lässt sich auch von Metallen im Umfeld nicht beeindrucken - wie hier im Auto
Foto: A4WP (Alliance for Wireless Power)

Auch in der übertragenen Leistung gibt es Unterschiede: Qi schafft derzeit fünf Watt und soll sich auf maximal 15 Watt steigern lassen, Rezence soll in der finalen Fassung mehr als 50 Watt liefern. Damit können sich dann auch größere Geräte wie Tablets und Notebooks aufladen lassen – im besten Fall sogar gleichzeitig. Denn Rezence soll mit einem Charger unterschiedliche Mobilgeräte erkennen und seine Übertragungsleistung individuell anpassen. Für die Kommunikation zwischen Ladestation und Gerät nutzt Rezence Bluetooth, während Qi meist auf RFID oder NFC zurückgreift.

Wege zum kabellosen Strom

Bevor Sie Ihr Mobilgerät kabellos laden können, müssen Sie wissen, ob und welche Spezifikation es unterstützt. Nähere Angaben dazu sollten Sie eigentlich in den technischen Daten zu Ihrem Modell finden. Allerdings zeigt unsere Stichprobe, dass sich die Hersteller hier mit Details zurückhalten. So sollen etwa Samsungs aktuelle Top-Handys Galaxy S6 und Galaxy S6 Edge alle gängigen Module mitbringen. Im Handbuch findet sich dazu jedoch nichts Genaueres. Sicher ist, dass die beiden Modelle Qi unterstützen – die derzeit führende Lademethode bei Smartphones.

Ebenfalls Qi-fähig sind etwa die Microsoft/Nokia-Modelle Lumia 735, 830, 920, und 930 oder die Nexus-Geräte 4, 5, 6 von Google oder LGs G2 und G3. In diesen Fällen aktivieren Sie in den Geräteeinstellungen das drahtlose Laden, legen das Smartphone auf die Ladestation und können es kabellos aufladen. Dabei sind Sie nicht ans Zubehör vom jeweiligen Hersteller gebunden, sondern haben die freie Auswahl, solange die Geräte sich an Qi als Spezifikation halten.

Ladelampe: In Ikeas Arbeitsleuchte Riggad ist ein Qi-Sender integriert. Das Smartphone lädt sich auf, wenn es auf dem Standfuß liegt.
Foto: Ikea

Meist wird Ihr Smartphone jedoch nicht von Hause aus auf das kabellose Laden vorbereitet sein, weil ihm die Empfängerspule fehlt. Dann können Sie es beispielsweise mit Ladeschalen oder Smartcover nachrüsten, in denen diese integriert ist. Die Smartphonehüllen gibt es von zahlreichen Anbietern. In letzter Zeit macht Ikea von sich reden. Der Möbelhersteller hat eine ganze Qi-Serie mit Lampen und Ladepads ins Programm aufgenommen. Die passenden Cover gibt es mit der Vitahult-Reihe ab 15 Euro extra dazu. Die Hüllen decken allerdings nur bestimmte Modelle wie Samsungs Galaxy S4 und S5 oder Apples iPhones ab dem Modell 5 ab.

Irreführung: Auch wenn das iPhone anzeigt, dass es mit dem Zubehör zum kabellosen Laden nicht umgehen kann, lädt es den Akku auf.

Alternativ ersetzen Sie die Rückwand Ihres Smartphones durch eine Qi-fähige Hülle. Wiederum funktioniert das nur mit bestimmten Handys. Oft finden Sie das Backcover im Set mit der passenden Ladestation wie etwa das Samsung EP-WG900 für das Galaxy S5 zu einem Preis von rund 55 Euro. Vereinzelt lässt sich der Qi-Empfänger allein nachrüsten. Für das Samsung Galaxy Alpha und einige Note-Modelle bietet etwa Fonesalesman Receiver-Karten an, die sich direkt auf dem Akku anbringen lassen. Das Zubehör der Reihe Slimpwrcard startet bei 15 Euro.

Da sich das Gehäuse des Apple iPhone nicht öffnen lässt, gibt es von demselben Anbieter eine Speziallösung: Einen Qi-Empfänger mit Stromanschluss, der in den Lightning-Port gesteckt wird. Der iQi Mobile passt zu allen iPhone-Modellen ab dem Modell 5 und kommt auf rund 19 Euro. Verstecken lässt sich das Kärtchen am besten unter einem dünnen Softcover. Harte Hüllen passen entweder nicht mehr genau oder sind mit Kärtchen zu dick, so dass die Übertragung nicht funktioniert.

Ladestation von LG: Die WCD100 von LG lädt das G3 kabellos auf.
Foto: LG

Die Ladestationen selbst gibt es als Standvorrichtung wie etwa das Kosee T900 für rund 38 Euro oder das LG WCD 100 für LGs G3 für rund 25 Euro. Zu finden sind auch Kissen wie Nokias Fatboy, das auf gut 40 Euro kommt und auf die Größe von Lumia-Modellen abgestimmt ist. Für unterwegs gedacht sind Pads, die sich aufladen lassen und auf Reisen ohne Kabel auskommen wie das QiStone+ von Fonesalesman für rund 46 Euro.

Kabelloses Laden in der Praxis

Zubehör zum kabellosen Laden gibt es fast ausschließlich für die Smartphone-Topmodelle einiger Hersteller wie Samsung oder Apple, auch wenn im Grunde alle namhaften Hersteller den verschiedenen Konsortien angehören. Ladestationen mit Rezence suchten wir derzeit noch vergebens. Hier fehlt es am letzten Schub, den eventuell kommende Smartwatches und Intels nächste Chipgeneration Skylake mit integrierten Ladeempfängern für Notebooks und Tablets bringen könnten.

Für unserer Stichprobe kommen die Smartphones Samsung Galaxy S6 Edge und Apple iPhone 5 zum Einsatz. Das Modell aus koreanischer Schmiede ist ohne Zubehör mit der Qi-Spezifikation kompatibel. Das iPhone muss den Umweg über die Ikea-Ladehülle nehmen und bekommt alternativ den Qi-Empfänger iQi Mobile von Fonesaleman angesteckt. In jedem Versuch erwärmen sich die Smartphones-Akkus beim Ladevorgang. Die stärkste Hitzeentwicklung entsteht beim iPhone mit dem angesteckten Qi-Modul und dem Fonesalesman iQi Stone+, auch wenn das Handy in einer zusätzlichen Schutzhülle steckt. Der Grund: Auch der Ladestein erwärmt sich während des Vorgangs. Das kann auf Dauer zu Lasten des Handy-Akkus gehen. Besser schneiden Ladestationen mit Holzoberfläche oder Plastikverkleidung ab. Sie mindern die Hitzeabstrahlung vom Charger.

Beim drahtlosen Laden muss das Smartphone exakt auf der Ladestation positioniert sein, sonst sind die Spulen zu weit auseinander und Sender und Empfänger finden sich nicht. Das passiert uns insbesondere beim Nokia-Ladekissen mit dem Samsung-Handy, da dessen Metallgehäuse sehr glatt ist. Im Erfolgsfall gibt das Handy entweder akustisch oder grafisch an, dass der Vorgang startet. Beim iPhone tritt unregelmäßig die Fehlermeldung „Dieses Zubehör wird evtl. nicht unterstützt“ auf. Sie lässt sich mit „ok“ wegklicken. Der Smartphone-Akku lädt sich trotzdem auf.

Im Vergleich: Die Grafiken zeigen den Ladeverlauf ohne (links) und mit Kabel (rechts) beim Samsung Galaxy S6 Edge. Mit Kabel ist der Akku dank höherer Übertragungsrate ungefähr doppelt so schnell wieder voll aufgeladen.

Für die Akkumessung verbinden wir die Ikea-Arbeitsleuchte Riggad mit der Messstation und legen das Samsung Galaxy S6 Edge mit leerem Akku auf die Qi-Markierung des Standfußes. Ein Ladevorgang dauert 179 Minuten – das ist fast doppelt so lange wie im Vergleichslauf per Kabel. Kabellos fließen im Schnitt 7,8 Watt zum Smartphone-Akku – also mehr als die von der Spezifikation zugesicherten fünf Watt, aber nur halb so viel wie im Optimum beim Laden übers Kabel. Ist der Akku etwa 85 Prozent geladen, sinkt die Übertragungsrate kontinuierlich bis auf 1,9 Watt – ein übliches Phänomen bei Akkuladevorgängen. Der Wert bleibt konstant, solange das Mobilgerät auf der Ladestation liegt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Denn eigentlich sollte das Ladegerät erkennen, wann das Smartphone komplett geladen ist und die Stromzufuhr beenden.

Fazit: noch zu umständlich

So bequem und einfach, wie es sich anhört, ist das kabellose Laden derzeit noch nicht. Selbst zwei Spezifikationen stiften weiter Verwirrung, so lange nicht alle Mobilgeräte von Hause aus beide unterstützen. Für die Masse an älteren Geräten bleibt die Crux mit Adaptern und Hüllen, um wenigstens das Smartphone für das kabellose Laden fit zu machen. Klappt die Kombination, ist der Vorgang langsamer als mit dem Kabel. Der Durchbruch gelingt wohl erst, wenn ein Ladegerät alle Arten von Mobilgeräten abdeckt und das Ladetempo mit der Kabelvariante konkurrieren kann. Ist die Ladestation dann noch unsichtbar im Möbelstück wie etwa der Tischplatte des Schreibtischs integriert, hat das Kabel wohl endgültig ausgedient.