Veränderungen wirken mehrdimensional

So packen Sie Projekte richtig an

02.07.2015 von Renate Oettinger
Welchen Charakter hat unser Projekt? Das machen sich Unternehmen vor Veränderungsvorhaben oft nicht ausreichend bewusst. Das erschwert ihnen das Planen, Managen und Steuern der Projekte. Wie Firmen vorgehen sollten, sagt Georg Kraus.

Zu einem professionellen Projekt- und Change-Management gehört eine Risikoanalyse im Vorfeld des Projekts. Hierbei werden die mit einem Veränderungsvorhaben verbundenen Risiken erfasst und hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und der betriebswirtschaftlichen Folgen ihres Eintretens bewertet – und gegebenenfalls werden anschließend Präventionsmaßnahmen ergriffen.

Im Unternehmensalltag beschränkt sich die Risikoanalyse nicht selten auf die operativen Risiken struktureller Natur. Kulturelle Faktoren, wie zum Beispiel Akzeptanzprobleme bei Umstrukturierungen, werden hingegen vernachlässigt. Die Folgen hiervon können gravierend sein – zum Beispiel weil Reibungsverluste auftreten und somit Zusatzkosten entstehen. Und oft stellen sich auch die geplanten positiven Effekte der Veränderung verspätet oder gar nicht ein.

Projekte lassen sich hinsichtlich des Ausmaßes der durch sie verursachten strukturellen und kulturellen Veränderungen klassifizieren.
Foto: apops - fotolia.com

Veränderungen wirken stets mehrdimensional. Deshalb ist das Ausmaß der Veränderung auf den verschiedenen Ebenen von Projekt zu Projekt verschieden. Projekte lassen sich jedoch hinsichtlich des Ausmaßes der durch sie verursachten strukturellen und kulturellen Veränderungen klassifizieren. Das erleichtert es, die mit ihnen verbundenen Risiken zu identifizieren und passende Change-Maßnahmen abzuleiten.

Die vier Projekt-Typen

Folgende Projektarten lassen sich unterscheiden:

Routineprojekte

Hierbei handelt es sich um Maßnahmen wie zum Beispiel Vertriebsprojekte oder Verkaufskampagnen. Sie haben zwar den Charakter von Projekten im Sinne von zeitlicher Begrenzung und bereichsübergreifender Beteiligung, doch sie verändern die strukturellen oder kulturellen Grundlagen der Organisation höchstens punktuell. Typisch für Routineprojekte sind Review-Workshops zum Abschluss, die auf eine strukturelle Optimierung des Prozesses (Standardisierung), auf eine Professionalisierung der Zusammenarbeit (Feedback-Kultur) und somit auf eine Reduzierung der kulturellen Risiken abzielen.

Innovationsprojekte

Sie dienen in der Regel der Weiterentwicklung oder Erneuerung von organisatorischen oder techni-schen Strukturen innerhalb der bestehenden strategischen Ausrichtung. Bei solchen Projekten liegt der Fokus der Begleitung meist auf dem Herstellen der sachlichen Handlungskompetenz der Betroffenen (Schulungen, Trainings). Wenn hierbei aber beispielsweise die beteiligten Multiplikatoren lernen, den Widerstand gegen Neues als typisches Verhaltensmuster der Betroffenen zu verstehen und angemessen hiermit umzugehen, dann reduziert dies das Risiko von Friktionen, die aus Frust entstehen.

Akzeptanzprojekte

Ihr Gestaltungsschwerpunkt liegt auf der kulturellen Ebene und ihr Erfolg manifestiert sich als echte Verhaltensänderung der Betroffenen - zum Beispiel, indem ein Zielvereinbarungs- oder Leistungs-beurteilungssystem als verbindlicher struktureller Rahmen für einen fairen Dialog zwischen Führungs-kräften und Mitarbeitern verstanden und tatsächlich genutzt wird. Bei solchen Projekten sind Maßnahmen wichtig, die frühzeitig Klarheit schaffen, permanent Rückkopplungsmöglichkeiten aus der Organisation ermöglichen und geeignet sind, einflussreiche Verbündete als Multiplikatoren zu gewinnen.

Wandelprojekte

So bezeichnet man tiefgreifende Veränderungsprozesse mit spürbaren Auswirkungen auf allen Ebenen, wie sie zum Beispiel bei Fusionen oder der grundlegenden strategischen Neuausrichtung eines Unternehmens auftreten. In solchen Projekten geht es nicht selten um existenzielle Fragen auf allen Ebenen. Deshalb ist bei der Gestaltung des Veränderungsprozesses eine hohe Komplexität zu erwarten. Das sollte sich bereits in der Besetzung der Projektleitung niederschlagen. Solche Projekte erfordern einen echten Change-Manager, der sich aller Facetten seiner Aufgabe bewusst ist.

Charakter ändert sich im Verlauf von Projekten

Die obige Klassifizierung von Projekten erleichtert eine integrierte Sicht auf die strukturellen und kultu-rellen Risiken - unabhängig davon, ob ein Veränderungsprozess in seinem Verlauf die Merkmale eines Projekttyps beibehält oder sich sein Charakter (was oft der Fall ist) im Laufe der einzelnen Phasen verändert.

Ein Projekt kann zum Beispiel als Innovationsvorhaben beginnen und in seinem Verlauf deutliche Züge eines Akzeptanzprojekts annehmen, weil die Implementierung einer neuen technischen Infrastruktur eine Reorganisation ganzer Unternehmensbereiche zur Folge hat. Oder eine Vertriebsoffensive, die üblicherweise den Charakter eines Standardprojekts hat, wird dadurch zum Wandelprojekt, dass auch ein neuer Vertriebskanal erschlossen werden soll.

Deshalb ist es wichtig, in den einzelnen Phasen des Wandels eine integrierte Sicht auf die Risiken beizubehalten und alle Maßnahmen unter Rentabilitätsaspekten laufend zu überprüfen und, sofern nötig, anzupassen.

Weitere Infos und Kontakt: Georg Kraus ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (Tel. 07251/989034; E-Mail: info@kraus-und-partner.de; Internet: www.kraus-und-partner.de). Er ist Mit-Herausgeber des "Handbuch Change-Management" (Cornelsen Verlag).

Von Nörglern und anderen Projektmitgliedern

Wer Berater auswählt, muss darauf achten, dass sein Team ausgewogen mit verschiedenen Persönlichkeitstypen besetzt ist - von Neuerern und Wegbereitern über Macher und Koordinatoren bis hin zu Umsetzern und Perfektionisten.
Der Neuerer
...(im Englischen auch Plant oder Chairman) ist der Kreative. Er verfügt über eine ausgeprägte Vorstellungskraft und ist in der Lage, schwierigste Probleme zu lösen. Zu seinen - tolerierbaren - Schwächen zählt, dass er oft zu beschäftigt ist, um effektiv zu kommunizieren, und dass er kleinere Probleme gern ignoriert.
Der Wegbereiter
... (engl. Resource Investigator) zeigt sich aufgeschlossen, enthusiastisch und kommunikativ. Er entwickelt Kontakte. Zu seinen lässlichen Schwächen zählt, dass er überoptimistisch ist, aber zugleich, nach anfänglicher Begeisterung, oft das Interesse verliert.
Der Koordinator/Integrator
...(engl. Co-Ordinator) ist der erfahrene und selbstsichere Typ, der Entscheidungen fördert. Zu seinen negativeren Eigenschaften gehört es, dass er mitunter als manipulativ erscheint und dazu neigt, eigene Aufgaben auf andere zu übertragen.
Der Macher
... (engl. Shaper) ist herausfordernd und dynamisch. Er arbeitet gut unter Druck und überwindet Hindernisse. Zu seinen Schwächen zählt es, ungeduldig, provozierend und verletzend zu sein.
Der Beobachter
...(engl. Monitor Evaluator) denkt nüchtern, strategisch und kritisch. Er untersucht Vorschläge auf ihre Machbarkeit. Auf der Negativseite steht, dass es ihm an der Fähigkeit mangelt, andere zu inspirieren.
Der Teamarbeiter
...(engl. Teamworker) ist kooperativ und diplomatisch, er hört zu und vermeidet unnötigen Streit. Auf der Soll-Seite stehen seine Unentschlossenheit und seine Neigung, Konfrontationen und Konflikten auszuweichen.
Der Umsetzer
... (engl. Implementor) agiert zuverlässig und effizient. Er setzt Maßnahmen um und organisiert die Arbeit. Dem steht gegenüber, dass er mitunter unflexibel und zögerlich handelt.
Der Perfektionist
(engl. Completor) zeigt sich gewissenhaft und pünktlich. Weil er selbst Fehler vermeidet und Fehler entdecken kann, wirkt er qualitätssichernd. Allerdings ist er mitunter unwillig zu delegieren und eher ängstlich.
Der Spezialist
...(engl. Specialist) ist introvertiert und handelt aus eigenem Antrieb. Er ist engagiert und bringt Fachwissen ein. Zu seinen Schwächen zählt, dass er nur sehr spezifische Beiträge liefert und sich oft in Details verliert.