Verkaufen heißt Führen

So werden Sie eine Führungspersönlichkeit im Vertrieb

05.09.2014 von Renate Oettinger
Wenn ein Verkäufer Führungskraft wird, dann verändern sich seine Aufgaben. Statt Kunden zum Abschluss zu führen, muss er nun sein Team zum Erfolg führen. Das setzt ein anderes Selbstverständnis und persönliches Verhalten voraus, sagt Ralph Guttenberger.

Gute Verkäufer haben eine hohe verkäuferische Kompetenz. Und Spitzenverkäufer? Sie haben zudem das Prinzip "Verkaufen heißt führen" verinnerlicht. Sie führen Kunden gezielt zum Abschluss und erzielen hohe Umsätze und Renditen.

Spitzenverkäufer müssen sich auch als Chef ihrer Vertriebsmannschaft sehen - und auch so verhalten.
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Manche Spitzenverkäufer haben das Potenzial, für ihre Unternehmen noch wertvoller zu werden, indem sie als Multiplikatoren den Umsatz ihrer Kollegen steigern, also Führungsverantwortung übernehmen – zum Beispiel als Verkaufs- oder Vertriebsleiter. Dann gewinnt das Prinzip "Verkaufen heißt führen" eine ganz neue Bedeutung. Denn nun können sie ihre eigene, erfolgreiche Vertriebssystematik reproduzierbar machen und ihren Mitarbeitern vermitteln. Denn ihre Kernaufgabe ist nun nicht mehr, Kunden zum Abschluss, sondern ihr Team zum Erfolg zu führen.

Vom Fachmann zur Führungspersönlichkeit

Ein Verkaufsleiter oder Abteilungs- oder Teamleiter benötigt folglich auch andere Fähigkeiten und Fer-tigkeiten als ein Verkäufer. Denn ein Verkäufer ist letztlich ein Fachmann. Er vereint das Fachwissen über die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens mit dem Fachwissen, wie man verkauft. Ein Verkaufs- oder Vertriebsleiter hingegen ist Führungspersönlichkeit und Fachmann zugleich. Oder genauer gesagt: Er sollte zu etwa 25 Prozent Fachmann und zu 75 Prozent Führungspersönlichkeit sein.

Eine Führungspersönlichkeit hat eine andere Perspektive auf den Vertrieb:

Wie erfolgreich eine Führungspersönlichkeit arbeitet, hängt maßgeblich davon ab, inwieweit ihr diese Unterschiede bewusst sind und sie ihr Handeln daran orientiert.

Nicht jeder Verkäufer eignet sich als Führungspersönlichkeit

Wie schwer diese Unterschiede wiegen, sei an einem Beispiel illustriert: In einem Unternehmen erzielt ein Verkäufer im Schnitt 50 Prozent mehr Umsatz als seine Kollegen. Deshalb möchte die Geschäftsführung dem Top-Verkäufer eine Möglichkeit bieten, beruflich voran zu kommen – auch um ein Ab-wandern zur Konkurrenz zu vermeiden. Also unterbreitet der Bereichsleiter Vertrieb dem Verkäufer das Angebot, die Position des Vertriebsleiters in einer Region zu übernehmen – ohne vorab zu checken: Verfügt der Verkäufer über die nötigen Fähigkeiten und persönlichen Skills, eine Führungsposition professionell auszufüllen?

Der Verkäufer sagt zu dem Angebot selbstverständlich erfreut: Ja. Denn die neue Position verspricht ihm ein höheres Gehalt und soziales Ansehen. Also tritt der Verkäufer die neue Position als Vertriebs-leiter an. Dabei versucht er jedoch weiterhin primär der beste Verkäufer zu sein. Das heißt, er schaut nicht von oben auf den Vertrieb. Er analysiert und definiert nicht die Prozesse und organisiert nicht die nötige Unterstützung für die ihm unterstellten Vertriebsmitarbeiter. Die Folge: Das Unternehmen hat einen guten Verkäufer weniger und einen schlechten Vertriebsleiter mehr. Deshalb sieht sich die Geschäftsleitung nach einiger Zeit genötigt, den Vertriebsleiter wieder seines Amtes zu entheben, woraufhin dieser frustriert das Unternehmen verlässt.

Tipps für Fachhändler und Dienstleister: Experten antworten auf konkrete Fragen
Gute neue Ideen entwickeln
Frage: "Für mein Computergeschäft möchte ich ein neues Konzept entwerfen. Erste Ideen habe ich bereits. Mir fehlen zu deren Ausarbeitung im Tagesgeschäft aber die nötige Ruhe und Zeit. Deshalb schiebe ich mein Vorhaben seit Monaten vor mir her. Was soll ich tun?"<br><br> Antwort von Klaus Kissel: "Wenn Sie etwas wirklich Neues entwickeln möchten, dann sollten Sie sich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen. Am besten begeben Sie sich an einen ruhigen Ort, fernab der täglichen Routine und dem täglichen Stress. Mieten Sie sich zum Beispiel in eine Ferienwohnung ein. Denn "unter Strom", kann man keine gute Ideen und Problemlösungen entwickeln. Man reproduziert nur das Alte. (...)"<br>
Beratung ist nur ein Mittel, um zu verkaufen
Frage: "Immer wieder registriere ich: Es kommen zwar sehr viele Kunden in mein Elektronikgeschäft und lassen sich beraten. Kaufen tun sie aber nichts. Wie kann ich eine höhere Abschlussquote erzielen?"<br><br> Antwort von Walter Kaltenbach: "Ihr Problem ist, dass Sie zwar viele Schau- aber zu wenig Kaufkunden haben. Das kann zwei Ursachen haben. <br> Möglichkeit 1: Der Kunde findet bei Ihnen nicht das richtige Produkt oder Ihre Preise sind zu hoch. Dann sollten Sie Ihr Sortiment oder Ihre Preisstruktur ändern. Zum Beispiel, indem Sie gezielt Produkte für Schnäppchenjäger in Ihr Programm aufnehmen. (...)"<br>
Der Umgang mit Beschwerden
Frage: "Gestern hat mich ein Kunde angerufen und sich beschwert, dass ich auf seinem PC ein falsches E-Mail-Programm installiert habe, da jetzt eine wichtige Funktion fehle. Ich solle dies kostenlos ersetzen. Dabei installierte ich genau das Programm, das er wollte. Wegen seiner massiven Beschwerde habe ich dem zugestimmt. Hätte ich anders reagieren sollen?"<br><br> Antwort von Christian Herlan: ""Eine schwierige Frage! Denn Kunden erwarten von Ihnen als ihrem IT-Dienstleister auch, dass Sie sie angemessen beraten. Deshalb kann es durchaus ein Fehler sein, wenn Sie ihnen zwar die Programme installieren, die diese wünschen, aber zuvor nicht ausreichend gecheckt haben: Was braucht der Kunde wirklich? Inwieweit dies der Fall war, müssen Sie selbst entscheiden. (...)"<br>
Die eigenen Mitarbeiter schulen
Frage: "Für mein IT-Fachgeschäft arbeiten auch einige Teilzeitkräfte. Eigentlich müsste ich sie dringend im Verkauf schulen. Doch zu mehrtägigen Seminaren kann ich sie nicht schicken – dafür ist mein Personaldecke zu dünn. Zudem wäre dies zu teuer. Wie kann ich meine Mitarbeiter dennoch schulen?"<br><br> Antwort von Ralph Guttenberger: "Erstellen Sie zunächst eine Themenliste – gemäß dem Motto: Was liegt, wenn es um das Verkaufen geht, bei meinen Mitarbeitern im Argen? Überlegen Sie sich dann, welche konkreten Inhalte Sie Ihren Mitarbeitern vermitteln möchten. (...)"<br>
Das Auftreten gegenüber Kunden
Frage: "Ich habe gehört, dass in einem Verkaufsgespräch die ersten Sekunden weitgehend über den Erfolg entscheiden. Stimmt das? Und wenn ja, wie sollte ich mich als Verkäufer in den ersten Sekunden verhalten?"<br><br> Antwort von Ingo Vogel: "Die "Liebe auf den ersten Blick", aber auch die "Ablehnung auf den ersten Blick" gibt es auch bei Verkaufsgesprächen. Denn wenn wir einer fremden Person begegnen, strömt eine Fülle von Signalen auf uns ein. (...)"<br>
Ordnung im Laden schaffen
Frage: "Ich sage meinen Mitarbeitern immer wieder: Wichtig dafür, ob ein Kunde kauft, ist auch, welchen Eindruck er von unserem Laden hat. Dazu zählen auch, dass er ordentlich, aufgeräumt und gut sortiert wirkt. Doch kaum bin ich einige Zeit weg, bricht in meinem Geschäft das Chaos aus. Wie kann ich dies vermeiden?"<br><br> Antwortvon Christian Herlan: "Etwas sagen – das reicht häufig nicht. Nehmen Sie sich einmal Zeit, und notieren Sie genau, was für Sie Ordnung bedeutet. Legen Sie also zum Beispiel konkret fest, wie die Gänge oder der Kassenbereich in Ihrem Geschäft auszusehen haben. (...)"<br>
Gegen die Konkurrenz behaupten
Frage: "Vor drei Monaten eröffnete in meiner Nachbarschaft ein Elektronik-Markt, der sehr stark für sich wirbt und frequentiert wird. Seitdem kommen in mein PC-Geschäft weniger Kunden. Wie komme ich jetzt an neue Kunden?"<br><br> Antwort von Klaus Kissel: "Jammern bringt nichts! Freuen Sie sich doch über Ihren Wettbewerber. Denn durch dessen massive Werbung kommen mehr Personen an Ihrem Geschäft vorbei – sei es zu Fuß oder mit dem Auto. Versuchen Sie einen Teil dieser potenziellen Kunden abzufangen, indem Sie Ihren Außenauftritt verstärken - zum Beispiel, indem Sie mehr Transparente aufhängen und mehr Verkaufsaktionen fahren. (...)"<br>
Kunden zu Stammkunden machen
Frage: "Vor sechs Monaten eröffnete ich einen Computerladen in einer Kleinstadt. Mein Problem ist: Ich habe noch wenig Stammkunden. Es kommen zwar immer wieder neue Kunden, doch viele sehe ich einmal und nie wieder."<br><br> Antwort von Christian Herlan: "Ich sehe zwei mögliche Ursachen für Ihr Problem: Entweder Ihre Leistung stimmt nicht. Dann stehen Sie – in einer Kleinstadt, wo sich alles schnell herumspricht – auf verlorenem Posten. Die zweite, wahrscheinlichere Möglichkeit ist: Es gelingt Ihnen nicht, eine Beziehung zu Ihren Kunden aufzubauen. (...)"<br>

Machen Sie Ihren Erfolg wiederholbar

Was folgt daraus für Spitzenverkäufer die Führungspersönlichkeiten werden? Angenommen Sie befinden sich in einer solchen Situation. Dann besteht Ihre Mannschaft zu Beginn Ihrer Arbeit als Führungspersönlichkeit meist aus eher durchschnittlichen Verkäufern. Und Ihre Aufgabe ist es, diese zu Top-Verkäufern zu entwickeln, damit die Team-Performance steigt. Der erste Schritt hierzu besteht in der Regel darin, für einen strukturierten Verkaufsprozess zu sorgen. Denn dies ist eine Grundvoraussetzung, um den Graben zwischen den Ist- und den Soll-Fähigkeiten der Mitarbeiter zu überbrücken. Also stehen Sie vor der Herausforderung, Ihr erfolgreiches Verkaufsmodell zu systematisieren und damit für andere nachvollziehbar zu machen. Denn damit geben Sie Ihren Mitarbeitern ein Werkzeug zum erfolgreichen Verkaufen an die Hand.

Es ist die Aufgabe einer Führungspersönlichkeit, solche Werkzeuge zu entwickeln, diese ständig den Marktbedingungen anzupassen und ihre Mitarbeiter in deren Gebrauch zu trainieren. Die Aufgabe der Mitarbeiter ist es hingegen, diese Werkzeuge professionell anzuwenden und gegebenenfalls Verbesserungen zu empfehlen, die sich aus der Anwendung in der Praxis ergeben. Verbindliche und nachvollziehbar definierte Vertriebsabläufe führen dazu, dass die Mitarbeiter nach einheitlichen und strikt kundenbezogenen Standards operieren. Damit wird das System steuer- und kontrollierbar.

Schaffen Sie die nötigen Rahmenbedingungen

Hierfür müssen Sie als Führungspersönlichkeit einige Voraussetzungen schaffen:

Mit System zu mehr Erfolg

Ein so strukturiertes Vorgehen erhöht Schritt für Schritt die Verkaufskompetenz Ihrer Mitarbeiter. Es hat einen weiteren Vorteil: Ihre Zielkunden spüren einen möglichen Verkäuferwechsel kaum, da alle Verkäufer nach der gleichen Systematik arbeiten. Auch deshalb ist es sinnvoll, den Vertrieb zu systematisieren und verbindliche Verhaltensregeln für die Verkäufer zu formulieren – für die Art, wie sie den Markt bearbeiten und wie sie die Kunden betreuen.

Ein systematisierter Vertriebsprozess erleichtert es Ihnen auch, den "idealen Verkäufer" für Ihre Organisation zu beschreiben und zu finden – also den, der kurz-, mittel- und langfristig Umsatz bringt:

Wenn Sie die Leitung eines Vertriebsteams übernehmen, besteht dieses nur ganz selten rein aus Top-Verkäufern. Doch Verkaufen ist ein Handwerk. Also können Ihre Verkäufer es erlernen – sofern sie die erforderlichen persönlichen Eigenschaften hierfür mitbringen.

Den Erfolg des Teams steuern

Um ein schlagkräftiges Vertriebsteam aufzubauen, bedarf es auch klarer, messbarer Erfolgsziele. Denn woran machen Sie ansonsten die positive oder negative Entwicklung eines Vertriebsmitarbeiters fest?

Einen einfachen Überblick verschaffen Sie Ihren Mitarbeitern und sich selbst mit einer Kennzahlentabelle. Sie kann zum Beispiel Infos enthalten wie: Wie viele Neukunden kontaktierte der Verkäufer? Bei wie viel Prozent der kontaktierten Personen/Organisationen kam ein Ersttermin zustande? Für wie viel Prozent der neuen Interessenten erstellte der Verkäufer ein Angebot? Wie viel Prozent der Interessenten mit Angebot erteilten dem Unternehmen letztlich einen Auftrag? Wie hoch war der erzielte Umsatz pro Kunde? Wie hoch die Gewinnmarge?

Eine solche Kennzahlentabelle erleichtert es Ihnen, die Leistung eines Verkäufers im persönlichen Gespräch zu beurteilen. Sie hilft Ihnen auch zu erkennen, wo bei ihm noch Entwicklungsbedarf besteht, so dass Sie Ihren Mitarbeiter individuell fördern und unterstützen können. Das erzeugt, bei ihm das positive Gefühl: Ich werde als Individuum wahrgenommen und gewertschätzt. Deshalb identifiziert er sich auch stärker mit seiner Arbeit und Ihnen als Führungskraft – wodurch neben seiner Bindung ans Unternehmen auch seine Leistung steigt.

Weitere Infos: Ralph Guttenberger ist geschäftsführender Gesellschafter des auf den technischen Vertrieb speziali-sierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training, Böbingen (www.kaltenbach-training.de). Der Diplom-Ingenieur für Luftfahrttechnik war vor seiner Beratertätigkeit Jet-Pilot und Kommandant einer Fliegerstaffel. Danach war er zwei Jahrzehnte in geschäftsführenden Positionen für verschiedene (Franchise-)Unternehmen tätig. Im Juni erschien sein Buch "Punktlandung im Vertrieb: Wie Sie den Kunden zielsicher zum Abschluss führen".