Me-Commerce

So werden Web-Empfehlungen persönlich

12.02.2015 von Yvonne Göpfert
Personalisierte Produktempfehlungen schaffen mehr Umsatz. Doch welche Ansätze gibt es und welche sind wirklich erfolgversprechend? Wir stellen die wichtigsten Methoden vor.

Es gibt ein neues Zauberwort im Online-Handel: Me-Comerce. Ziel des Me-Commerce ist es, Webshop-Besuchern ein ganz persönliches Besuchserlebnis zu bieten. Das Ziel: Den Kunden auf möglichst direktem Weg zu den Produkten und Angeboten führen, nach denen er bewusst oder unbewusst sucht. Eine größere Kundenzufriedenheit und mehr Umsatz sind diversen Studien zufolge der Benefit.

Produktempfehlungen sind ein zweischneidiges Schwert. Das hat die 38. W3B-Studie von Fittkau & Mass herausgefunden. Viele Kunden fühlen sich offenbar belästigt.
Foto: Fittkau & Maß

Doch wie ist es tatsächlich um die Akzeptanz personalisierter Angebote bestellt? Fittkau & Maß haben im April und Mai 2014 mehr als 4.300 deutsche Internet-Nutzer zum Thema Personalisierung im Internet befragt. Das Ergebnis der 38. W3B Studie "Me Commerce" ist ernüchternd: 41 Prozent stehen dem Me-Commerce aufgeschlossen gegenüber und freuen sich über individuelle Produktempfehlungen. Aber genauso viele Nutzer - nämlich ebenfalls 41 Prozent - läuft es kalt über den Rücken, wenn sie daran denken, was an Daten über sie gesammelt wird. Weitere 18 Prozent haben keine spezifische Meinung zu dem Thema. Die Fans personalisierter Webshops sind laut Studie eher jünger und kaufen gerne Trendprodukte und Markenartikel. Sie freuen sich über entsprechende Produktvorschläge - aber passgenau müssen sie schon sein.

Kollaboratives Filtern: Bewährt im bekannten Umfeld

Die wohl bekannteste Technik, um Kunden Produkte näher zu bringen, hat Amazon berühmt gemacht: "Kunden, die dies gekauft haben, haben auch das gekauft." Die Idee ist bestechend einfach: Man geht davon aus, dass Menschen, die sich für gleiche Produkte interessieren, auch kaufen, was andere Kunden mit ähnlichem Kaufverhalten bereits gekauft haben. Um mit dem kollaborativen Filtern erfolgreich zu arbeiten, braucht es allerdings eine große Datenmenge, die als Basis für die Empfehlungen dient. Denn nur mit einer ausreichend großen Datenbasis lässt sich eine automatische Vorhersage über die Benutzerinteressen treffen - die Fachwelt spricht hier von "Filtern." Relevant sind also nicht einzelne Nutzer, sondern vergleichbare Kaufentscheidungen von ganz vielen Nutzern. Sehr gut eignet sich dieses Vorgehen bei einem großen und bunten Sortiment. Anbieter wie Fact-Finder, econda und epoq bieten entsprechende Plug-ins für individuelle Produktempfehlungen an.

Foto: storm, Fotolia.com

Allerdings hat das System auch Schwächen: Was bei Büchern und CDs funktioniert, ist bei Möbeln oder anderen Großanschaffungen oft Blödsinn. Denn wer gerade einen 3.000-Euro-Fernseher gekauft hat, wird beim nächsten Besuch auf der Webseite sicher nicht schon wieder ein TV-Gerät bestellen. Ein entsprechender Vorschlag wirkt daher nur lächerlich. Die selbstlernende Shop-Software von Apptus eSales berücksichtigt das und schlägt dem Kunden entsprechende Produkte gar nicht erst vor.

Auch bei neuen Kunden und bei neuen Produkten versagt das kollaborative Filtern: Einem Neukunden kann das System noch keine sinnvollen Produkte empfehlen, da die Interessen des Nutzers noch nicht bekannt sind. Und wenn Shop-Betreiber neue Produkte in ihr Sortiment aufnehmen, besteht das gleiche Problem.

Ein aktuelles Beispiel liefern Smartwatches. Es muss sich erst noch zeigen, ob Käufer eines Smartphones unweigerlich auch Interesse an einer smarten Armebanduhr haben. Oder ob die Smartwatches eher von Anzugträgern mit einem Faible für Lifestyle-Produkte oder doch eher von Sportlern, die ihre Sportartikel online bestellen, gekauft werden.

E-Commerce - so vermeiden Sie Kaufabbrüche
Tipp 1 - Checkout überprüfen
Die meisten Käufe werden auf der Bezahlseite abgebrochen. Hier sollten Shop-Betreiber ansetzen.
Tipp 2 - Lieferangaben: So kurz wie möglich
Je weniger Daten potentielle Käufer eingeben müssen, umso geringer die Chance, dass sie abspringen.
Tipp 3 - Zahlungsoptionen prüfen
Findet ein Kunde das gewünschte Bezahlverfahren nicht, droht ein Kaufabbruch. Eine breite Auswahl an Bezahlverfahren kann dies verhindern.
Tipp 4 - Lieferzeit und Lieferkosten: bitte zum Nulltarif!
Sind die Versandkosten zu hoch, springen Kunden ab. Viele Kunden erwarten inzwischen sogar Versand zum Nulltarif.
Tipp 5 - Shops auf mobile Endgeräte optimieren
Immer mehr Kunden nutzen ihre mobilen Endgeräte zum Einkauf. Shop-Betreiber sollten ihre Webseiten darauf einstellen.

Profiling: Die Hilfe des Kunden ist erforderlich

Abhilfe kann das sogenannte Profiling schaffen. Die Plattform analysiert das Surfverhalten des Kunden und bildet daraus Informations-Cluster. Ein spezieller Algorithmus sucht auf dieser Basis Produkte speziell für den Kunden zusammen. Je öfter der Kunde den Online-Shop besucht, desto treffsicherer passen die Empfehlungen. Groß im Trend liegt nun die Möglichkeit, als Kunde ein eigenes Profil anzulegen und zu pflegen. Damit können Kunden durch die Pflege ihres eigenen Profils die automatisierten Empfehlungen selbst beeinflussen - zum Beispiel durch die Eingabe ihrer Hobbys, ihrer Lieblingsstars oder ihrer Lieblingsmarken. Je detaillierter ein Profil, desto genauer lassen sich dann auch Vorhersagen zu neuen Produkten wie zum Beispiel Smartwatches ableiten

Cross-Selling bei Deichmann: Die Empfehlungen müssen vom stilistisch passen.
Foto: Deichmann

Je genauer die Profile, desto besser funktionieren zudem auch Ansätze wie "Unsere Experten / Designer empfehlen" oder "Das könnte Ihnen auch gefallen" und wecken beim Kunden die Lust, noch einmal in den Geldbeutel zu greifen. Modeanbieter, die mit Beratung durch Stylisten werben, setzen auf dieses Pferd. Dazu lassen Sie ihre Kunden einen Fragebogen ausfüllen, in dem die Kunden angeben, welche Farben und Materialien sie bevorzugen und welchen Stil (sportlich, elegant, leger etc) sie bevorzugen. Das Ergebnis sind höhere Umsätzen - vorausgesetzt natürlich, dass die gezeigten Artikel auch wirklich zum Look passen.

Recent Behavior Pattern-Analyse: Surf-Verhalten wird analysiert

Wird zusätzlich zum persönlichen Profil und allgemein passenden Daten ähnlichen Kaufverhaltens auch noch das kürzlich an den Tag gelegte Surf- und Klickverhalten ausgewertet, steigt die Trefferquote um weiter Prozentpunkte. Einer Umfrage unter 500 Online-Shoppern des Shop-Software-Anbieter Apptus zufolge empfinden es 63 Prozent der Online-Shopper als positiv, wenn sich Online-Shops an ihre vergangenen Einkäufe "erinnern." Für 57 Prozent der Befragten wäre eine schlechte, nicht auf die Kunden zugeschnittene Web-Site, Grund dafür, diese zu verlassen und ihren Einkauf anderswo zu erledigen.

Apptus hat untersucht, wie Online-Shopper Shop-Seiten mit Produktempfehlungen bewerten.
Foto: Apptus

Neuronale Netzwerk-Methode

Noch im Forschungsstadium stecken die neuronalen Netze. Der Grundgedanke besteht darin, Systeme zu schaffen, die das Verhalten von Lebewesen intelligent nachvollziehen können. Ähnlich wie das menschliche Gehirn schließen sie von einer Tatsache auf eine andere. Ein Feld ist die Semantik. Semantische Technologien analysieren Wörter, Bilder oder Töne nicht mit herkömmlichen Verfahren wie einer Einzelbegriffanalyse. Im Gegenteil: Sie stellen inhaltliche Zusammenhänge her und erfassen damit die Bedeutung von Informationen. Bei dem Wort "Decke" kann damit beispielsweise eine Zudecke gemein sein oder die Decke, an der die Lampen hängen. Mit diesen Technologien sollen Computerprogramme besser nachvollziehen können, in welchem Kontext Daten abgespeichert wurden. Das schleißt auch eine Wertung, wie Menschen zu bestimmten Dinge stehen - ob sie sie gut finden oder schlecht - mit ein. Darüber hinaus können Computer aus den Inhalten logische Schlüsse ziehen und selbständig Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Informationen aus mehreren Quellen erkennen und herstellen. Google hat zu diesem Zweck Anfang des Jahres DeepMind gekauft.

Was genau Google nun mit Hilfe der Neuronale Netzwerk-Methode plant, kann man nur mutmaßen. Fest steht, dass Google eine neue Domäne erobern will - das "Internet der Dinge". In Verbindung mit selbstlernender künstlicher Intelligenz könnte das unseren Alltag stark verändern. Ein Beispiel ist der Dienst Google Now. Der Dienst soll dem Nutzer automatisch all jene nützliche Informationen zukommen lassen, die der Kunde gerade braucht. Auch neue Marketing-Botschaften dürften da eines Tages eingeschlossen sein - höchst persönlich und individuell.

Fazit: Logische Verknüpfungen ergeben nicht immer sinnvolle Vorschläge

Manche Kunden wissen genau, was sie kaufen wollen, andere kaufen erst nach ein wenig Inspiration. Wer nun das Verhalten seiner Kunden detailliert analysiert und versteht, macht mehr Umsatz. Eine genaue Clusterung von Informationen ist dabei unabdingbar - auf einer kollektiven und auf einer persönlichen Ebene.

Neben weiteren Produktempfehlungen bietet Frontlineshop auch Produkte an, die auf das Profil des Käufers zugeschnitten sind.
Foto: Frontlineshop

Die kollektive Ebene ermöglicht es, dem Kunden Produkte vorzuschlagen, auf die er selbst vielleicht nicht gekommen wäre. Die individuellen Profilebene wiederum garantiert, dass so gut wie keine Fehlvorschläge unterbreitet werden.

Letzten Endes geht es darum, jedem Kunden genau die Produkte präsentieren, die für ihn gerade relevant sind. Doch es sind Stolperfallen vorprogrammiert: Produkte, die gerade erst gekauft wurden oder Produkte, die nur datenbanktechnisch logische Vorschläge darstellen, jedoch nicht inhaltlich sinnvoll sind, können den Kunde eher verschrecken. Ein Ausweg ist die Analyse mithilfe der neuronalen Netzwerkmethode. Doch hier werden noch ein paar Jahre vergehen, bis die Technik Standard ist.