Die ganze Welt schaut auf Südafrika. Vier Wochen lang wollen Milliarden von Fernsehzuschauern in mehr als 200 Ländern mit Bildern versorgt werden, Tausende von Fans im Stadion ihren Sitzplatz finden, Sportreporter aus aller Welt reibungslos über die WM berichten. Um diesem sportlichen Großereignis gerecht zu werden, stellt der Weltfußballverband FIFA gemeinsam mit seinem Haupt-Partner South African Telkom das nach der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland umfangreichste IT-Equipment bei einem Fußball-Event auf die Beine. Auch die südafrikanische Regierung hat eigenen Angaben zufolge viele Milliarden Rand (einige hundert Millionen Euro) für die technische Vorbereitung ausgeben.
Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland galt es, 21 Terabyte an Telefon- und sonstigen Daten von den 32 Teams, den FIFA-Offiziellen und den Medien über das Veranstaltungsnetzwerk zu übertragen. Für Südafrika erwarten Experten das doppelte Datenaufkommen. Details zeigt das "IT Background Document" der FIFA (siehe Infokasten auf der folgenden Seite).
Software von der Stange taugte nicht
Beispielsweise soll die IT-Lösung 9000 feste Verbindungen und 130 WLANs mit einer Bandbreite von 2 bis 155 Mbps umfassen. Die gesamte installierte Bandbreite ist dann in der Lage, rund 1,5 Terabyte pro Sekunde zu senden und zu empfangen. Um eine reibungslose High-Definition-Übertragung zu gewährleisten, wird eine doppelt abgesicherte Dateninfrastruktur aufgebaut.
Bislang setzte der Weltfußballverband bei allen sportlichen Großveranstaltungen lizenzierte Software ein. Doch nach der Weltmeisterschaft in Deutschland entschieden die Verantwortlichen, die Software für Südafrika individuell entwickeln zu lassen. Schließlich ist es laut FIFA überaus schwierig, ein fremdes Softwareprodukt an die eigenen Erfordernisse anzupassen.
Die Ausschreibung für dieses komplexe Softwarevorhaben gewann bereits vor drei Jahren bereits das indische IT- und Beratungsunternehmen Satyam, das heute als Mahindra Satyam firmiert. Die IT-Profis des Unternehmens entwarfen das Event Management System (EMS) für die Match AG, eine IT-Organisation, die die FIFA unterstützt. Die Programme laufen auf der Basis des Microsoft-Datenbanksystems SQL Server. Sie setzen sich aus einer Reihe unterschiedlicher Module zusammen und sollen Anwendungen wie Akkreditierung, Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitern oder Transportwesen abdecken.
Eine Ahnung von der Größe des Projekts vermitteln folgende Daten: Das System ist verantwortlich für die Akkreditierung von 230.000 Personen, die in irgendeiner Form mit der Weltmeisterschaft zu tun haben. Dazu kommen 130.000 ehrenamtliche Helfer, die angeheuert und eingewiesen werden müssen.
Die Infrastruktur der WM
Die IT für die Weltmeisterschaft in Südafrika ist über 44 Hauptstandorte verteilt.
Sie umfasst unter anderem 4.500 Notebooks und 4.000 Mobilgeräte - vor allem in den zehn Fußballstadien, neun FIFA-Büros, zehn ausgewählten Hotels und zwölf Ticket-Verkaufsstationen.
Die Telefon- und Netzlösung besteht unter anderem aus 250 analogen Telefonleitungen, etwa 90 Sprachkanälen und 150 A-DSL-Routern.
An den Nebenstellenanlagen der Hauptstandorte hängen 1.825 Telefongeräte sowie 350 Faxgeräte.
Ferner umfasst das Netz 150 Router, 30 Level-3-Verteilerknoten, 500 Level-2-Verteilerknoten und 6.300 aktive Netzanschlüsse.
Telkom SA hat ein "Next Generation Network" installiert, das aus 128.000 Kilometern Glasfaserkabel besteht. Diese Länge würde reichen, um drei Mal die Erde zu umrunden.
Für die IT-Lösung benötigt die FIFA mehr als 150 Kilometer Glasfaberkabel, 40 Kilometer Kategorie-3-Kabel und mehr als 370 Kilometer Kategorie-5-Kabel.
Die FIFA hat vier offizielle ITK-Partner benannt: Neben SA Telkom und Mahindra Satyam sind das MTN und Sony.
Daneben bedient sie sich einer Reihe kleinerer südafrikanischer IT-Dienstleister.
Rund 1000 IT-Spezialisten und Freiwillige wurden für den Support rekrutiert.
Die Softwareunterstützung umfasst hauptsächlich zehn Applikationen, von denen sechs neu entwickelt wurden.
Dabei handelt es sich vor allem um das Event Management System (EMS) mit seinen Modulen Akkreditierung, Staff-/Volunteer Management, Ground Transportation Services sowie Space and Materials Planning.
Darüber hinaus gibt es ein FIFA-Extranet inclusive des Medienkanals mit 10.000 registrierten Nutzern.
Was die einzelnen Module leisten
Ein Modul verwaltet den Einsatz der Fahrzeuge zwischen den Stadien und Austragungsorten, ein anderes den Online-Verkauf der Eintrittskarten. Ein weiteres Programm steuert elektronisch den Einlass in die Stadien (siehe auch: "Real Madrid - ein CIO packt aus"). Allein diese Komponente kostete laut Mahindra Satyam in der Erstellung mehrere Millionen Dollar.
Mit Hilfe des Akkreditierungsmoduls wird vor allem die Berechtigung der einzelnen Personen festgestellt. Dazu Dilbagh Gill, der bei Mahindra Satyam als Head of Sports tätig ist: "Alle Berechtigten erhalten ein Ansteckschild mit einem RFID-Chip (Radio Frequency Identification). Damit können beispielsweise Journalisten das Pressezentrum betreten, die Betreuer in die Kabine ihrer Mannschaft gelangen und die Putzkolonne ihrem Job überall in den Stadien nachgehen." Die jeweiligen Zugangsdaten werden laut Gill mit Scannern ausgelesen und zentral gesammelt. So wüssten die Verantwortlichen immer, wer sich wann und wo aufhalte.
Eine wichtige Rolle spielen laut Gill auch das "Volunteer Management Modul" sowie das "Ground Transportation Service Modul". Während Ersteres den Einsatz der vielen freiwilligen Helfer unterstützt, soll Letzteres für den reibungslosen Transport der Mannschaften, Journalisten und Besucher innerhalb einer Stadt beziehungsweise zwischen den WM-Stadien in den verschiedenen Städten sorgen. Nach ihrer Anmeldung im Internet werden die freiwilligen Helfer von lokalen Organisationen direkt vor Ort betreut. Wie ein FIFA-Mann erläutert, hat die Rekrutierung der Freiwilligen bereits vor einiger Zeit begonnen. Deshalb verfüge man vor Ort mittlerweile über Erfahrungen.
Die Software ist nicht nur für die diesjährige Weltmeisterschaft, sondern für viele weitere kleine und große Sport-Events ausgelegt. An dem Event-Management-System arbeiten sowohl indische als auch südafrikanische IT-Profis - onshore und offshore. Gesteuert wird die Software von einem Rechenzentrum der südafrikanischen Telekom aus.
Herausforderung für das Netz
Für den Weltverband steht fest, dass das Großereignis vor allem eine riesige Herausforderung an das Netz darstellt. Bereits 2006 sagte der FIFA-Vertreter Peter Meyer auf einer Pressekonferenz in München: "Eine WM ist nicht gerade der beste Zeitpunkt, um Fehler zu machen." Nach Angaben des FIFA-Partners für die Vernetzung von Südafrika 2010, der South African Telkom, sind bislang keinerlei Probleme aufgetreten. Auch in puncto E-Mail-Übertragung sind die Verantwortlichen zuversichtlich. Schließlich verfüge das Netz in Südafrika über ausreichend Kapazität, um auch große Datenmengen zu übertragen.
Obwohl in den Stadien überall WLAN installiert ist, hat die FIFA dafür gesorgt, dass für bestimmte Bereiche zusätzlich Kabelanschlüsse vorhanden sind. Davon sollen vor allem die Journalisten vor Ort profitieren. Sämtliche Fußballergebnisse oder Torsituationen können die Pressevertreter einem Web-Portal entnehmen.
Last, but not least muss die Sicherheit in den Stadien gewährleistet sein. Die FIFA-Vertreter sind überzeugt, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Sollten beispielsweise im Eingangsbereich kritische Situationen auftreten, werden diese sofort auf Monitore übertragen, so dass das Security-Personal schnell reagieren kann.
Vor einem Stromausfall wie beim Halbfinale der Europameisterschaft in Wien fürchtet sich der Weltverband nicht - trotz der teilweise maroden Stromversorgung in Südafrika. Redundante Systeme sollen im Fall der Fälle sämtliche Prozesse übernehmen. Die Zuversicht der FIFA-Verantwortlichen könnte auch damit zu tun haben, dass der "Pilotversuch" während des Confederation Cup im vergangenen Jahr glatt über die Bühne ging. Damals musste man lediglich zwei kleinere Anpassungen vornehmen. Das Fazit von Mahindra-Satyam-Manager Gill: "World Cup Software is ready for kick-off."