Grün wirtschaften

Softwarehäuser kämpfen gegen CO2

06.10.2009 von Frank Niemann
Große Software-Hersteller wollen mit Ihren Produkten den CO2-Ausstoß ihrer Kunden reduzieren.

Große Software-Hersteller wollen mit Ihren Produkten den CO2-Ausstoß ihrer Kunden reduzieren.

Von Frank Niemann, Computerwoche

Bisher führten IT-Lösungen für Nachhaltigkeit ("Sustainability") allenfalls ein Nischendasein, sowohl auf dem IT-Markt als auch in den Unternehmen. Nun, da die Aufmerksamkeit durch den Klimawandel, die geplante Reduktion des CO2-Ausstoßes sowie den Emissionshandel größer wird, kümmern sich auch IT-Größen wie Microsoft, Cisco, IBM, SAS, IFS, Infor, Oracle, SAP und andere um IT-Angebote. Sie hoffen, mit Firmen ins Geschäft zu kommen, die energieeffizient produzieren beziehungsweise Handel treiben wollen.

Mehr als Green IT

Geht es beim Thema "Green IT" vor allem darum, durch umweltbewusste Computer- und RZ-Technik Strom zu sparen und damit den CO2-Ausstoß zu drosseln, reichen die Nachhaltigkeitskonzepte der IT-Branche weiter: Die neuen Lösungen der Softwarehäuser sollen Unternehmen dabei helfen, nachhaltiger zu wirtschaften und dies auch adäquat zu dokumentieren. "Dahinter steckt weit mehr, als Ressourcenverbrauch und Emissionen zu bilanzieren", kommentiert Jana Gebauer vom Institut für ökologische Wirtschaftführung aus Berlin. Die Wirtschaftskrise und die Firmenpleiten machten deutlich, dass die drei Aspekte von Nachhaltigkeit - Ökologie, Ökonomie und Soziales - in Unternehmen gleich starke Bedeutung erlangen müssten.

Gesellschaftliche Verpflichtungen

Die Amerikaner haben den Begriff "Corporate Social Responsibility" geprägt. Neben Umweltaspekten, die das Thema dominieren, geht es dabei auch um gesellschaftliche Verpflichtungen. Beispielsweise soll verhindert werden, dass innerhalb einer Wertschöpfungskette Kinderarbeit stattfindet. Für die Betriebe sind solche Ansätze also vor allem dann interessant, wenn sie unbeabsichtigen Gesetzesverstößen vorbeugen und betriebswirtschaftliche Vorteile bringen.

Der "Smart Planet" ist noch unerschlossen

Vor allem IBM scheint hier ein Geschäft zu wittern. Unter dem Label "Smart Planet" hat der Konzern eine große Kampagne losgetreten: Es geht darin nicht nur um den Klimawandel und die Energieversorgung, sondern auch um die Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie die Bedrohungen durch Online-Kriminalität und Terrorismus. Nicht alle diese Bereiche betreffen Firmen etwa aus der Industrie oder dem Handel unmittelbar, denn da ist die Rede von weltweiten Herausforderungen wie der Energieverschwendung durch ineffiziente Stromnetze oder der Wasservergeudung aufgrund maroder Leitungen. Interessant wird es aber dort, wo konkrete Lösungen angeboten werden. Beispielsweise sollen IBM-Berater sowie Softwareprodukte Organisationen helfen, ihren Energie- und Wasserverbrauch in allen betrieblichen Abläufen zu erfassen und zu verringern. "Green Sigma" hat IBM den Consulting-Ansatz getauft, in Anlehnung an Lean Six Sigma. Nach Expertenmeinung ist Smart Planet bislang allerdings nur ein Konzept, das IBM noch mit Leben füllen muss.

Business Intelligence soll für Transparenz sorgen

Auch Siemens IT Solutions and Services hat sich "IT for Sustainability" auf die Fahnen geschrieben. Siemens erwirtschaftet eigenen Angaben zufolge bereits 23 Prozent seines Umsatzes mit Umwelttechnik. Nun soll auch die IT-Sparte Lösungen und Beratungsansätze für verschiedene Branchen feilbieten, in denen andere Geschäftsbereiche des Konzerns aktiv sind. Per Software kann beispielsweise der Stromverbrauch in der Papierproduktion ermittelt werden. Angaben darüber, welche Energie wann zur Verfügung stehen muss, sollen helfen, den Verbrauch in solch energieintensiven Wirtschaftszweigen zu senken, so das Unternehmen. Oft fehlt es an Transparenz darüber, was an Strom und Wasser verbraucht wird. "Eine herausragende Rolle spielen daher Funktionen für Business Intelligence", erklärt Sustainability-Experte David Murphy von Siemens IT Solutions and Services. Die Lösungen der Firma richten sich unter anderem an Industrieunternehmen, aber auch an Kraftwerksbetreiber und Städte. Das "City Cockpit" etwa visualisiert CO2-Emissionen sowie den Strom- und Wasserverbrauch einer Stadt.

Mehr als Daten sammeln und auswerten zu können verspricht das Software SAS Institute mit dem "SAS Sstainability Management". Die Applikation soll Zusammenhänge zwischen ökologischem Handeln und der Firmenstrategie eines Unternehmens aufdecken helfen. Die Analysesoftware kann dem Anbieter zufolge beispielsweise dazu beitragen, die Strategie einer Firma hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu bewerten. Wurden SAS-Produkte bisher mit dem Argument vermarktet, Firmen durch auf Geschäftsdaten basierende Prognosen wirtschaftliche Vorteile verschaffen zu können, sollen die Systeme nun zusätzlich Umweltauflagen, Emissionszile und Energiesparprogramme berücksichtigen.

Oracle, im Bereich Business-Intelligence ein Wettbewerber von SAS, wirbt ebenfalls für Nachhaltigkeitslösungen, Der Konzern baut das eigene Performance Management aus. Auch dabei geht es darum, Initiativen etwa für den Umweltschutz zu überwachen und darüber Berichte anzufertigen.

Oracle bietet Reports auf Basis der Hyperion-Technik.

Offenbar hat man in der IT-Industrie erkannt, dass sich das Engagement für Nachhaltigkeit lohnt und Firmen bereit sind, in Lösungen zu investieren. Neben SAS bauen auch andere Softwarehäuser ihr Angebot aus oder kaufen Technik zu. SAP zum Beispiel hat unlängst den auf Software zur Kontrolle von Treibhausgas-Emissionen spezialisierten Anbieter Clear Standards übernommen.

Firmenweiten CO2-Ausstoß erfassen

Clear Standards wie auch der noch unabhängige amerikanische Anbieter CSRware betreiben Software-as-a-Service-Plattformen, die Firmen dabei unterstützen, Daten über ihren CO2-Ausstoß zu sammeln. Aus den daraus erzeugten Berichten lassen sich Maßnahmen zur Drosselung des Energieverbrauchs ableiten.

Doch Clear Standards ist nicht der erste Anbieter dieser Art. Schon länger ist beispielsweise die Firma PE International aus Leinfelden-Echterdingen am Markt präsent. Deren "Sofi-Software" dient ebenfalls dazu, Daten über den firmenweiten Kohlendioxidausstoß zu sammeln und darüber Berichte zu verfassen. Zusätzlich zum Produkt versprechen die Schwaben eine entsprechende Beratung für Firmen. Zu den Kunden zählt nach Anbieterangaben die Deutsche Post, die als weltweit operierender Logistikdienstleister eine Menge Treibhausgase in die Luft bläst.

Die Herausforderung bei der Erfassung der CO2-Emissionen ist, alle relevanten Daten zusammenzutragen. Die Datenbanken und Applikationen eines Unternehmens enthalten zwar große Mengen an Informationen, doch aus ihnen lassen sich solche Angaben nicht ohne weiteres ablesen. Für viele Firmen werden CO2-Kennzahlen jedoch betriebswirtschaftlich relevant, wenn sie mit CO2-Zertifikaten handeln müssen.

Mit der SaaS-Lösung SAP Carbon Impact können Firmen Nachhaltigkeitsberichte erzeugen.

Andere IT-Anwendungen sollen helfen, weniger Wasser zu verbrauchen sowie Abfälle zu vermeiden. Für manche produzierende Branchen sind das keine neuen Themen, da Regularien schon jetzt von ihnen verlangen, nachhaltig zu fertigen, etwa, indem sie auf bestimmte Werkstoffe verzichten oder Entsorgungssysteme einrichten. Zu den Auflagen zählt beispielsweise die EU-Verordnung "Reach" (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals). Für deren Umsetzung existieren bereits Softwareprodukte.

Green SCM: Grüne Lieferketten

Das Thema Nachhaltigkeit hat auch die Hersteller von Unternehmenssoftware erfasst, darunter neben SAP auch IFS, Oracle und Infor. Ihr Argument: Da diese Programme Geschäftsprozesse in Unternehmen steuern, müssen hier auch die Nachhaltigkeitskonzepte ansetzen. Die Softwarehäuser bestücken ihre ERP- und Supply-Chain-Management-Produkte mit zusätzlichen Funktionen, die Anwender befähigen sollen, den Umwelteinfluss der von ihnen ausgehenden Abläufe erkennen zu können. Dienten beispielsweise Transport-Management-Systeme bisher ausschließlich dazu, die Frachtkosten zu verringern, sollen sie nun auch CO2-Emissionen ausrechnen. "In Zukunft wird es praktisch keine Supply-Chain-Software ohne Nachhaltigkeitsfunktionen geben", sagt Peter Graf voraus. Er bekleidet beim Softwarekonzern SAP den noch recht neuen Posten des Chief Sustainability Officer (siehe auch "Interview mit Peter Graf").

SAP-Konkurrenten wie IFS, Infor und Microsoft arbeiten an Software für Nachhaltigkeit. Sie bieten für ihre ERP-beziehungsweise Asset-Management-Produkte Zusatzbausteine an (siehe Kasten "Softwarelösungen für Nachhaltigkeit").

Stromverbrauch in Netzen und Gebäuden erfassen

IT und Nachhaltigkeit rufen Partnerschaften auf den Plan, die man nicht vermutet hätte. Beispielsweise bietet der Netzspezialist Cisco Systems im Rahmen von "EnergyWise" Lösungen an, mit denen Firmen ihren Energieverbrauch überwachen können. Laut Cisco schließt dies auch Gebäude-Management (Facility-Management) ein. Nicht nur der Stromhunger der Cisco-Switches, sondern auch der von Klima-, Beleuchtungs- und Heizungsanlagen lässt sich erfassen. Cisco kooperiert hierbei mit Spezialisten für das Facility-Management.

Tue Gutes und berichte darüber: Sustainability Reports

IT-Unternehmen entwickeln nicht nur Lösungen und Verfahren, die den Umweltschutz fördern sollen, sie setzen sich auch selbst entsprechend in Szene. Wie andere Industriebetriebe informieren sie die Öffentlichkeit in Form von "Sustainability Reports" darüber, was sie im eigenen Haus an ökologisch Sinnvollem tun. Microsoft, Hewlett-Packard und SAP beispielsweise berichten auf ihren Websites ausführlich über ihre Maßnahmen zum Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz. Sie wollen so zeigen, dass sie selbst das Thema Ernst nehmen, und ihre Kunden zur Nachahmung animieren - unter Zuhilfenahme der von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen, versteht sich.

Nachhaltigkeit und Effizienz

Doch welche Firmen wollen für Nachhaltigkeit Geld ausgeben? "Nur ganz wenige Unternehmen kümmern sich um Nachhaltigkeit, ohne damit gleichzeitig die Absicht zu verfolgen, Prozesse zu verbessern und Geld zu sparen", sagt Simon Mingay, Research Vice President und Sustainability-Experte beim Beratungshaus Gartner. Betriebe sehen sich durch die hohen Energiepreise zum Handeln gezwungen. Dass sie dabei auch den CO2-Ausstoß reduzieren, ist ein willkommener Nebeneffekt.

Ein weiterer Beweggrund, in IT-Lösungen für Nachhaltigkeit zu investieren, ist der gute Ruf. So werben Einzelhandelsketten mit ihren Nachhaltigkeitsinitiativen, etwa den erwähnten "grünen Lieferketten", um ihr Image beim Kunden zu verbessern. Sie wollen vermeiden, als Luftverpester oder Wasserverschwender in die Schlagzeilen zu kommen. Doch nach Ansicht von Gartner-Mann Mingay dürften gesetzliche Auflagen in weit höherem Maße zu Investitionen in Nachhaltigkeit sowie in entsprechende IT-Produkte führen. Eine Verschärfung von Umweltauflagen ist angesichts der Klimaschutzziele durchaus realistisch.

Fazit

Kann also IT etwas zur Nachhaltigkeit beitragen? Ja. Allerdings sollte man die Lösungen nicht überbewerten. Viele der jetzt verfügbaren Systeme dienen lediglich dazu, Daten über beispielsweise den Energieverbrauch beziehungsweise den CO2-Ausstoß zu sammeln. Konzepte für eine Reduktion des Energiekonsums, ohne die Wertschöpfung zu beeinträchtigen, kann Software nicht liefern. Zudem sind die Lösungen nach Ansicht des Marktforschungshauses Ovum noch wenig ausgereift: "Es gibt zwar Lösungen für die ´grüne Lieferkette´ von Firmen wie SAS, IFS und SAP, doch die Branche ist weit entfernt davon, bereits den gesamten Fertigungsprozess betrachten zu können", so Warren Wilson, Research Director bei Ovum.

IT-Produkte sind nur ein kleiner Mosaikstein. Weitaus wichtiger ist zunächst einmal die Bereitschaft der Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften - sei es durch eigene Erkenntnis oder durch Zwang.

(computerwoche/bb)

Softwarelösungen für Nachhaltigkeit

Auf dem Markt gibt es Software, die speziell für Aufgaben rund um Nachhaltigkeit entwickelt wurden. Andere Firmen erweitern bestehende Produkte um Nachhaltigkeitsfunktionen.

  • Der BI-Spezialist SAS offeriert mit "Sustainability Management" eine Analysesuite, die Firmen befähigen soll, die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Einflüsse ihres Handelns zu messen und vorherzusagen. Die Software setzt auf dem bestehenden Framework "SAS Business Analytics" auf.

  • PE International liefert "Sofi-Software", ein Produkt zum Erfassen des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen von Unternehmen.

  • Siemens IT Solutions and Services hat mit "City Cockpit" eine Software entwickelt, die CO2-Emissionen sowie den Strom- und Wasserverbrauch einer Stadt visualisiert.

  • IBM bietet mit "Maximo EAM" eine Facility-Management-Software an, die die Energiekosten und den CO2-Verbrauch von Gebäuden ausweisen kann.

  • Das Softwarehaus Infor hat eigenen Angaben zufolge das mit dem genannten IBM-Produkt konkurrierende "Enterprise Asset Management" erweitert, so dass es Unternehmen dabei unterstützt, Anlagen und Gebäude energieeffizient zu verwalten.

  • Oracle hat das "Hyperion Financial Management" mit Hilfe einer Berichtssoftware des finnischen Softwarehauses 2future erweitert. Berichte über den Rohstoff- und Energieverbrauch von Firmen sollen sich damit erzeugen lassen.

  • IFS hat mit "Eco-footprint" ein Werkzeug in die ERP-Suite "IFS Applications" integriert. Sie soll unter anderem die durch Blei, Schwefel sowie CO2 verursachten Kosten erfassen. Zudem können Unternehmen damit laut IFS ihre Transportmethoden unterschiedlichen Ökobilanzen zuordnen. Beispielsweise ließen sich so die Umwelteinflüsse und die Kosten für einen Bahn- und LKW-Transport ins Verhältnis setzen.

  • Microsoft liefert für die ERP-Suite "Dynamics AX" das Zusatzprodukt "Environmental Sustainability Dashboard" aus. Die Portalanwendung soll dazu dienen, aus den Geschäftsdaten Berichte über Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch des Unternehmens zu erzeugen.