EuGH-Urteil

Speicherung von IP-Adressen könnte rechtmäßig sein

20.10.2016
Wer sich durchs Internet bewegt, hinterlässt Datenspuren. Dazu gehört die IP-Adresse. Darf diese "Anschrift" des Rechners gespeichert werden? Vielleicht schon, meint der EuGH - spielt den Ball nun aber zurück an den Bundesgerichtshof.
Die Speicherung von IP-Adressen kann rechtens sein. Dies soll dabei helfen Cyber-Attacken abzuwehren und strafrechtlich zu verfolgen.
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Die Speicherung von Nutzerdaten auf Internetportalen kann nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs rechtens sein. Das EU-Recht erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten wie der IP-Adresse, etwa wenn dies im "berechtigten Interesse" jener liegt, die die Daten verarbeiten, erklärten die Luxemburger Richter am Mittwoch (Rechtssache C-582/14). Das sei aber abzuwägen gegen das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Internetnutzer.

Der schleswig-holsteinische Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer ist damit vorerst mit seinem Versuch gescheitert, die Speicherung so genannter Surfprotokolle zu kippen. Der Datenschutz-Aktivist wehrt sich gegen die Speicherung von dynamischen IP-Adressen beim Besuch von Bundes-Websites, etwa der Homepage des Bundesjustizministeriums.

Dynamische IP-Adressen werden anders als eine feste IP-Adresse eines Rechners bei jeder Internetnutzung neu zugeteilt. Der Bund könnte aber bei einem Verdacht auf Straftaten ermitteln lassen, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die dynamisch vergebene IP-Adresse genutzt hat.

Die Speicherung soll helfen, Cyber-Attacken abzuwehren und strafrechtlich zu verfolgen. Der zuständige Bundesgerichtshof (BGH) bat die Luxemburger Kollegen um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht. Ob die deutsche Regelung wirklich rechtmäßig ist, muss der BGH entscheiden.

Der EuGH machte aber bereits deutlich, dass das Interesse der Website-Betreiber in der Abwägung mit Datenschutzinteressen stärker zu berücksichtigen sei. Denn auch der Versuch, die "Funktionsfähigkeit des Online-Mediums" zu gewährleisten, müsse in diese Abwägung einfließen - was in Deutschland derzeit nicht der Fall sei.

Aktivist Breyer zeigte sich nach dem Urteil ernüchtert. "Damit werden Internetanbieter uns im Netz weiterhin auf Schritt und Tritt verfolgen und Informationen über unsere privaten Interessen und Vorlieben sammeln sowie weitergeben können."

Als Erfolg werteten Breyer und der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht hingegen, dass auch dynamische IP-Adressen europäischen Datenschutzregeln unterliegen. Denn auch diese wechselnden Adressen ließen sich im Verdachtsfall einer Person zuordnen, betonte der EuGH.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) begrüßte die Entscheidung. "Die Speicherung von IP-Adressen ist für den Bund zur Gewährleistung und zur Aufrechterhaltung der IT-Sicherheit und der Funktionsfähigkeit der Telekommunikationsnetze erforderlich", erklärte BSI-Präsident Arne Schönbohm. Das Urteil mache deutlich, dass die Interessen der Einrichtungen des Bundes an ihrer IT-Sicherheit als berechtigtes Interesse für eine Speicherung der dynamischen IP-Adressen berücksichtigt werden könnten. "Das Urteil räumt Betreibern von Webservern somit die Möglichkeit ein, ihre Systeme gegen Cyber-Angriffe zu schützen."

Die Bundesdatenschutzbeauftragte, Andrea Voßhoff, befürwortete die Entscheidung des EuGH, dass dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen. Der Gerichtshof beende damit eine seit Jahren andauernde Diskussion und schaffe damit "dringend benötigte Rechtssicherheit". "Mit der Entscheidung setzt das Gericht ein weiteres Zeichen für die Notwendigkeit eines starken Datenschutzes in unserer zunehmend digitalisierten Welt. Dies ist auch für die einheitliche Auslegung der im Mai 2018 in Kraft tretenden europäischen Datenschutzgrundverordnung sehr wichtig."

Der Gesetzgeber sei nun gefordert, das Telemediengesetz an die Vorgaben des EuGH anzupassen, erklärte Voßhoff weiter. Sie werde sich dafür einsetzen, dass die neue Vorschrift eine Datenspeicherung nur für die vom Gericht definierten Zwecke und für den zur Aufgabenerfüllung zwingend erforderlichen Zeitraum ermöglicht. "Analog zur bestehenden Vorschrift im Telekommunikationsgesetz sollten IP-Adressen nicht länger als sieben Tage gespeichert werden." (dpa/ib)