Rechtstipps zum Thema Vererben

Steuerfalle Ehegattentestament

03.02.2015 von Renate Oettinger
Viele Ehepartner verfassen ihren letzten Willen gemeinschaftlich als "Berliner Testament". Dabei lauern erhebliche rechtliche und steuerliche Tücken. Was zu beachten ist und wie Eheleute vorgehen sollten, sagt Stephanie Thomas.

Viele Ehegattentestamente führen zu bösen Überraschungen. Beim Ableben eines Ehepartners ist der gemeinsame Besitz als Existenzgrundlage in Gefahr. Denn viele Ehegatten entscheiden sich für das so genannte "Berliner Testament", bei dem das Vermögen im Sterbefall uneingeschränkt auf den Partner übergeht. Das Problem: Schnell kommt es zu unerwarteten Pflichtteilsansprüchen der Kinder oder aber zu einer kostspieligen Doppelbesteuerung. Eheleute sollten dringend regelmäßig ihr gemeinschaftliches Testament überprüfen. Möglicherweise sind weitreichende Anpassungen erforderlich.

Ein Ehegattentestament sollte aus steuerlichen Gründen gut überlegt sein.
Foto: styleuneed - Fotolia.com

Ein Ehegattentestament will gut überlegt sein. "Jede Familiensituation erfordert individuell abgestimmte Regelungen. Je höher und vielfältiger die Vermögenswerte sind, desto mehr erb- und steuerrechtliche Aspekte sind zu bedenken. Besonders hoch ist der Handlungsbedarf naturgemäß bei vielen Führungskräften und Unternehmensinhabern. Problematisch ist, dass ein Ehegattentestament bindend ist. Werden nach dem Tod des Erstverstorbenen Konstruktionsfehler offenbar, kann der Partner die gemeinsamen testamentarischen Verfügungen oft nicht umfassend ändern und an seine neuen Lebensumstände anpassen.

Leicht übersehen Eheleute beim Berliner Testament, dass sie ihre Nachkommen enterben. Kinder können dann ihren Pflichtteil einfordern, was den überlebenden Ehegatten in große finanzielle Schwierigkeiten bringen kann. Häufig muss der zurückgebliebene Ehepartner die gemeinsame Immobilie verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Um dies zu vermeiden, sollte das Testament grundsätzlich eine sogenannte Pflichtteilsklausel enthalten. Sie macht es für die Kinder unattraktiv, den Pflichtteil zu beanspruchen. Denn andernfalls erhalten sie nach dem Ableben des zweiten Ehepartners vom gesamten Nachlass ebenfalls nur den Pflichtteil.

Wiederheirat des Überlebenden

Konfliktträchtig in der Familie ist auch, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Leicht befürchten Kinder dann, dass der angeheiratete Partner beim Ableben des Elternteils seinen Anspruch auf den Pflichtteil geltend macht. Abhilfe schafft eine so genannte Wiederverheiratungsklausel die regelt, dass bei einer erneuten Verheiratung des überlebenden Gatten die Kinder automatisch ihren Erbteil erhalten.

Vermögenswerte sind für Ehepartner bis zu 500.000 Euro und für Kinder bis zu 400.000 Euro steuerfrei. Auf den darüber liegenden Betrag wird Erbschaftsteuer fällig. Da bei einem Berliner Testament das Vermögen zunächst auf den anderen Ehegatten übergeht und die Kinder enterbt werden, droht eine tückische Steuerfalle: Der steuerliche Freibetrag nach dem Erstverstorbenen geht verloren. Wenn die Nachkommen nach dem Tod des zweiten Elternteils erben, erfolgt meist eine doppelte Besteuerung desselben Vermögens. Zudem besteht aufgrund der Progressionswirkung die Gefahr einer insgesamt höheren Besteuerung. Möglicher Ausweg: Ein aktuelleres Gerichtsurteil des Bundesfinanzhofs (Az. II R 47/11) bietet für Betroffene ein enormes Steuersparpotenzial. Erben können ihren Pflichtteil und damit auch den steuerlichen Freibetrag noch nach dem Tod des zweiten Elternteils rückwirkend retten. Hierzu sollten sich Betroffene mit ihrem steuerlichen Berater abstimmen und gegebenenfalls rechtzeitig Einspruch beim zuständigen Finanzamt einlegen.

Fazit

Eheleute sollten die Vor- und Nachteile des Berliner Testaments sorgfältig abwägen und Modifikationen sowie alternative Lösungen in Betracht ziehen. Sollen nach dem Ableben des Erstverstorbenen etwa statt dem Ehepartner die Kinder erben, lässt sich der länger lebende Ehegatte mit einem Wohn- und Nießbrauchsrecht absichern. In jedem Fall aber sollten Betroffene einen Experten zu Rate ziehen, der das Testament auf mögliche Schwachstellen hin prüft und die Regelungen mit den individuellen Verhältnissen in Einklang bringt.

Kontakt und Infos: Dr. Stephanie Thomas ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei der WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de

Meldungen zum Thema "Steuern & Finanzen"
Steuerfreie Zuschläge zum Gehalt
Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bleiben nur unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und sozialabgabenfrei. Der Sozialversicherungspflicht unterliegen sogar vom Arbeitgeber geschuldete, aber nicht gezahlte Zuschläge.
Geld sparen mit Umschuldung
Während sich die Sparer über die Mini-Zinsen ärgern, können Kreditnehmer aufatmen, denn die Konditionen für Ratenkredite werden immer günstiger, sagen die Arag-Experten.
Kinderbetreuungskosten und Finanzamt
Das Taschengeld für ein Au-Pair-Mädchen kann nur dann im Rahmen der Kinderbetreuungskosten steuermindernd anerkannt werden, wenn die Zahlung unbar und auf ein Konto des Au-Pairs erfolgt ist.
Kostenfalle Künstlersozialabgabe
Warum die finanzielle Mehrbelastung wächst und die Gefahr drohender Abgabenbescheide steigt, erklärt Arnd Lackner.
Splittingtarif und Lebensgemeinschaft
Für Jahre, in denen das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) noch nicht in Kraft war, kann das steuerliche Splittingverfahren nicht beansprucht werden.
Beratungsfehler – Anlageberater haftet
Immer wieder werden Privatanlegern hoch spekulativen Anlagen angeboten – sei es nun aus Skrupel- oder aus Ahnungslosigkeit. Aber die Käufer sind den Beratern nicht schutzlos ausgeliefert.
Arbeitskleidung von der Steuer absetzen
Das Finanzamt beteiligt sich an den Kosten für typische Berufskleidung. In Ausnahmefällen umfasst der Steuervorteil auch zivile Kleidung. Welche Chancen und Grenzen Steuerzahler kennen sollten, sagt Uta-Martina Jüssen vom BVBC.
Kaufverträge wegen Wuchers nichtig
Wenn Leistung und Gegenleistung in einem besonders groben Missverhältnis stehen, da der tatsächliche Wert einer Eigentumswohnung mehr als doppelt so hoch ist wie der vereinbarte Kaufpreis, ist der Kaufvertrag unwirksam.
Home Office und die Anerkennung durch das Finanzamt
Ein häusliches Arbeitszimmer und ein Telearbeitsplatz sind steuerrechtlich nicht das Gleiche. Das hat der Bundesfinanzhof neulich klar gestellt.
Chef, Firmenwagen und Finanzamt
Bei der Pkw-Nutzung durch einen Unternehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte fällt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs keine Umsatzsteuer an.
Anpassung der Betriebsrente prüfen
Bei der Entscheidung über die Höhe der Anpassung ist unter anderem die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Rabatte für Mitarbeiter und die Lohnsteuer
Rabatte, die Mitarbeitern beim Abschluss von Versicherungsverträgen anfallen, stellen unter bestimmten Voraussetzungen steuerrechtlich keinen Arbeitslohn Dritter dar.
Steuerfalle Quittungsblock
Falsch ausgestellte Quittungen können fatal sein. Das Finanzamt kann den Vorsteueranspruch streichen und Aussteller als Steuerschuldner in Regress nehmen. Was Unternehmen und Privatleute beachten sollten, sagt Axel Uhrmacher.
Eigenbelege und Finanzamt
Ohne Belege lassen die Finanzbehörden in der Regel keinen Kostenabzug zu. Doch in Ausnahmefällen dürfen Steuerzahler auf Eigenbelege zurückgreifen. Was dabei zu beachten ist, sagt Uta-Martina Jüssen.