Betriebsbedingte Kündigungen

T-Systems provoziert Streit mit Mitarbeitervertretung

24.07.2008 von Joachim Hackmann
Die Telekom-Tochter kündigte erstmals betriebsbedingte Kündigungen an. Bis zu 12.000 Mitarbeiter in Deutschland sollen gehen.
Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Telekom: Sollten unsere sozialverträglichen Maßnahmen nicht ausreichen, kann ich in letzter Konsequenz betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen.
Foto: Telekom AG

Die Umbaumaßnahmen bei der T-Systems treffen die Mitarbeiter härter als ursprünglich angenommen. Unter der Leitung des seit Dezember amtierenden CEOs Reinhard Clemens hatte die IT-Servicetochter der Telekom bereits im März 2008 umfangreiche Änderungen angekündigt. Im Rahmen der Neuausrichtung sollte etwa das Portfolio gestrafft und standardisiert, der Vertrieb konzentriert, die Geschäftsbereiche konsolidiert und die Systemintegration in eine Partnerschaft mit eingebracht werden. Clemens hatte auch keinen Hehl daraus gemacht, dass Einschnitte in der Belegschaft Teil des Programms "Next Generation T-Systems" seien. Auf einem Investorentag der Telekom Mitte März kündigte der CEO an, dass 3000 bis 4000 Mitarbeiter pro Jahr gehen müssen. "Diese Zahl hat nach wir vor Gültigkeit", sagte ein Sprecher gegenüber der COMPUTERWOCHE. Das Stellenabbauprogramm läuft bis 2010, so dass die T-System insgesamt mit 12.000 gestrichenen Stellen kalkuliert. Dabei setzte das Management bislang auf die übliche Fluktuation, finanzielle Anreize für freiwillige Kündigungen sowie auf die Veräußerung von Randbereichen.

Fast ausschließlich deutsche Mitarbeiter betroffen

CW-TV: Reinhard Clemens, CEO von T-Systems, beklagt zu hohe Ausgaben.

Gegenüber der "Rheinischen Post" hat Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger neue Töne angeschlagen: "Sollten unsere sozialverträglichen Maßnahmen nicht ausreichen, kann ich in letzter Konsequenz betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen." Unmittelbar nach Veröffentlichung des Artikels bestätigte und wiederholte der IT-Dienstleister die Aussage des Konzern-Vorstandsmitglieds in einer Pressemitteilung. Ab September bietet der Konzern seinen Mitarbeitern ein Abfindungsprogramm an. Sollten zu wenige Mitarbeiter gehen, werde es zu den besagten Kündigungen kommen. Das wäre ein Novum in der Geschichte von T-Systems.

In welchen Bereichen die Stellen gestrichen werden, ist offen. T-Systems organisiert sich intern in neun so genannten Building-Blocks (etwa Produktion, Großkunden, Systemintegration etc). Jeder Leiter einer solchen Betriebseinheit verfolgt wirtschaftliche Ziele und steht in der Pflicht, den Profit auch durch Einschnitte bei den Mitarbeitern zu verbessern. Details sind bislang nicht bekannt. Auch die Mitarbeiter wurden noch nicht informiert. Sicher ist indes, dass der Personalabbau nahezu ausschließlich deutsche T-Systems-Mitarbeiter trifft. Während das Auslandsgeschäft wächst, schrumpfte T-Systems zuletzt im Heimatland erneut. Im ersten Quartal 2008 sackte der Inlandsumsatz um 13,7 Prozent auf zwei Milliarden Euro ab. In Deutschland beschäftigt T-Systems knapp 40.000 seiner insgesamt 53.000 Mitarbeiter. Sollte der Konzern seine Sparpläne ohne Abstriche umsetzen, wäre knapp ein Drittel der hiesigen Arbeitsplätze gefährdet.

Verdi schimpft über den Telekom-Vorstand

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi protestierte und echauffierte sich über die Art und Weise, wie die Telekom über potenzielle Kündigungen informierte . Als "unglaubliche Provokation" bezeichnete Lothar Schröder, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, die Pläne. Die Mitarbeitervertretung empfindet die Veröffentlichung auch deshalb als Affront, weil sie derzeit noch über einen Interessenausgleich verhandelt. Unverständnis äußerte Verdi insbesondere darüber, dass der Personalvorstand aus dem Telekom-Konzerns sich einmische, während die Arbeitnehmervertreter mit dem Personalvorstand von T-Systems, Matthias Schuster, verhandeln.

T-Systems ist derzeit in zwei Gesellschaften gegliedert. Für das Mittelstandssegment Business Services gibt es eine Vereinbarung zwischen den Tarifparteien, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Sie läuft Ende des Jahres aus. Für die Mitarbeiter des Großkundenbereichs Enterprise Services existiert keine vergleichbare Regelung. Für beide Segmente streben Verdi und der Konzernbetriebsrat eine Schutzklausel für die Mitarbeiter an. Das angekündigte Abfindungsprogramm, über das der Konzern Verdi und Betriebsrat in Vorfeld informiert hatte, läuft bis Ende Februar 2009. Die Ankündigung von Sattelberger wertet die Dienstleistungsgewerkschaft als Drohung an die Belegschaft und die Mitarbeitervertretung, die Verhandlungen mit Verdi über den Kündigungsschutz platzen zu lassen, so dass im kommenden Jahr Kündigungen möglich sind. "Der Vorstand hat Kunden und Mitarbeiter stark verunsichert", schimpfte Schröder.

Mitarbeiter erwarten T-Systems-Verkauf

Unterdessen flüchtet sich die Belegschaft in Fatalismus. "Die Stimmung war ohnehin nicht exorbitant, nun ist sie weiter abgesackt. Jeder hofft, dass es ihn nicht treffen werde ", schilderte ein T-Systems-Mitarbeiter die Lage. Man habe aber bereits mit betriebsbedingten Kündigungen gerechnet. Auf den Fluren sei zuvor die Rede davon gewesen, dass 36 Prozent aller Stellen bei T-Systems gestrichen werden. Bislang gibt es keine Aussagen darüber, wer betroffen sein wird. Die Mitarbeiter wurden offenbar auch nicht über die aktuelle Entwicklung informiert. Die Personaleinschnitte dürften auch nicht vor den Beamten bei der T-Systems halt machen. Zurzeit arbeiten knapp 4500 bis 5000 beurlaubte Staatsdiener bei dem IT-Dienstleister. Sie wurden in der Regel jeweils für fünf Jahren von ihrem Status beurlaubt und wie Angestellte mit Grundgehalt und Provisionen entlohnt. Endet die Beurlaubung wechseln sie wieder zum Mutterkonzern und in ihre deutlich niedrigere Besoldungsstufe. Zudem bemüht sich T-Systems die Beamten in anderen öffentlichen Einrichtungen - etwa bei der Bundeswehr und der Bundesagentur für Arbeit - unterzubringen.

Reinhard Clemens, CEO T-Systems: Wir machen nicht mehr alles, aber was wir machen, machen wir perfekt.
Foto: Telekom AG

Mit dem Abfindungsprogramm startet T-Systems einen bedenklichen Plan. "Das Programm ist für die Beschäftigten eine überlegenswerte, faire und sehr schnell zu ergreifende Alternative", warb T-Systems-Personalchef Schuster für das Angebot. Jedoch dürften vor allem junge Mitarbeiter und Leistungsträger, die bei der Konkurrenz unter kommen, diese Offerte von Schuster annehmen. Damit schwächt sich die T-Systems selbst und baut die Wettbewerber auf. Mit dem Next-Generation-Programm verabschiedet sich die T-Systems zudem aus dem Markt der Vollsortimenter. "Wir müssen unser Geschäftsmodell fundamental vereinfachen. Wir machen nicht mehr alles, aber was wir machen, machen wir perfekt", betonte Clemens. Damit steuert T-Systems auf ein Spezialistentum mit einer schmalen Belegschaft zu. Die Mitarbeiter fürchten, dass am Ende der Entwicklung der Verkauf von T-Systems steht: "Das Abfindungsprogramm macht die Braut hübsch", lautete ein lakonischer Kommentar. (jha)