16:10- statt 16:9-Monitore, warum?

Taiwans WTO-Sieg über die EU

13.07.2010
Mit dem Erfolg der ersten Beschwerde seit dem Beitritt in der Welthandelsorganisation gegen die EU-Zölle auf "TV-fähige" Monitore könnte Taiwan der inseleigenen LCD-Industrie über 482 Millionen Euro jährlich ersparen.

Mit dem Erfolg der ersten Beschwerde seit dem Beitritt in der Welthandelsorganisation gegen die EU-Zölle auf angeblich "TV-fähige" Monitore könnte Taiwan der inseleigenen LCD-Industrie über 482 Millionen Euro jährlich ersparen.

Taiwan wurde mit Rücksicht auf China erst Anfang Januar 2002, weniger als einen später in die Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf aufgenommen. Beide Teile Chinas (die Volksrepublik und die Republik China auf Taiwan) müssen ihre Märkte WTO-konform öffnen, was auf der Seite des kleinen Inselstaates unlängst für Proteste gesorgt hat.

Ein Unterausschuss für Schlichtungsfragen bei der WTO hat am 11. Juni 2010 vorläufig festgestellt, dass die EU keine Importzölle auf LCDs und andere IT-Produkte erheben darf. Dabei beruft man sich auf ein zwischen der WTO und der EU Mitte der 1990er Jahre getroffenes Information Technology Agreement (ITA), wonach IT-Produkte nicht zollpflichtig sind.

Die EU hat 2004 aber unter anderem 14 Prozent Zoll auf Monitore mit einer Bilddiagonale von ab 19 Zoll sowie mit DVI- oder HDMI-Schnittstelle eingeführt, wieder eingeführt, sollte man sagen. Das Bundesfinanzministerium hatte die Wiedereinführung im August 2004 zwar vorerst gestoppt, was vom Branchenhauptverband BITKOM sehr begrüßt wurde, der Einfuhrzoll ist aber dennoch geblieben.

Um den zu umgehen, haben viele asiatische Panel- und Display-Hersteller ihre Monitorassemblierung nach Europa, vorzugsweise in den Osten des Kontinents, verlegt.

Paradox: Im März 2009 hat die EU für Monitore bis zu einer Größe von 22 Zoll und mit einem Seitenverhältnis von 4:3 beziehungsweise 16:10 eine Zollaussetzung zugelassen. Monitore mit dem TV-gleichen Seitenverhältnis von 16:9 unterliegen aber weiter den 14 Prozent Einfuhrzoll. Das starke Werben der Monitoranbieter für das 16:10-Format erscheint somit in einem ganz anderen Licht.

Taiwans Regierung hat den Bericht des Unterausschusses am 9. Juli kommentiert an die WTO zurückgeschickt und wartet nun auf einen Abschlussbericht, der am 23. Juli erfolgen und am 25. Dezember 2010 wirksam werden soll, sofern die EU nicht dagegen Einspruch erhebt. Sollte das geschehen müsste der Disput bis März 2011 erneut ausgefochten werden.

Das Wirtschaftsministerium der Insel hat das Schlichtungsverfahren im Juni 2008 eingereicht, nachdem die Beamten auf Beschwerden von Taiwans LCD-Herstellern hin Gespräche mit der EU angestrengt hatten.

Die Hersteller aus Fernost sehen in dem von der EU 2004 eingeführten Zolltarif von 14 Prozent auf LCD-Panels ab 19 Zoll sowie mit High Definition Interface (HDI) und Digital Video Interface (DVI) einen Verstoß gegen die 1994 (oder 1996) getroffene ITA-Vereinbarung. Sie sagen, die Panels sollten als IT-Produkte gesehen werden, die in der EU Zollfreiheit genießen.

EU-Beamte haben die Einführung des Zolls allerdings damit begründet, dass sie als Consumer-Produkte zu sehen sind, weil sie mit DVD-Playern, privaten Projektoren, Videokameras und Spielekonsolen genutzt werden können.

Nach drei fruchtlosen Beratungsgesprächen mit der EU hat Taiwan am 18. August 2008 zusammen mit den USA und Japan die Einrichtung eines WTO-Schlichtungsgremiums gefordert.

Die USA haben Beschwerde gegen die von der EU eingeführten 13,9 Prozent Importzoll auf Set-top-Boxen eingereicht, Japan wegen der 6 Prozent Zoll auf Multifunktionsgeräte.

Wegen der Komplexität der Angelegenheit konnten die von Taiwan eingereichten drei Beschwerden innerhalb des gesetzten 6-Monatsrahmens ab dem 23. September 2008 nicht abgearbeitet werden, heißt es laut "Taipei Times" aus dem Wirtschaftsministerium.

Die EU hat aber zugewilligt, im Zeitraum des Schlichtungsverfahrens die Zölle auf die fraglichen taiwanesischen Produkte, inklusive die auf TV-fähige Handys und GPS-Produkte auszusetzen.

Schätzungen zufolge hat sich der Warenwert der fraglichen LCD-Panels 2009 auf 3,444 Milliarden Euro belaufen, woraus sich für die Inselindustrie eingangs genannte Einsparung von mehr als 482 Millionen Euro pro Jahr ergibt.

In Taiwan wird ein Kippen der Importzölle unter anderem auch deswegen sehnlich erwartet, weil die Kaufkraft in Europa durch den Wertverlust des Euros geschwächt ist.

Insgesamt hat Taiwans LCD-Industrie 2009 umgerechnet rund 32,96 Milliarden Euro umgesetzt, ein Minus von 17 Prozent im Vergleich zu 2008. Das Industrial Technology Research Institute in Hsinchu rechnet für die insulare Industrie 2010 aber wieder mit einem Zuwachs von 8,2 Prozent auf ein Volumen von 35,67 Milliarden Euro, berichtet "Taipei Times". (kh)