Technik & Know-how: IT im Krankenhaus - die Situation bei eHealth

12.10.2007 von Klaus Manhart
Moderne IT hält Einzug in die Krankenhäuser. Doch viele Hürden erschweren eine komplette Digitalisierung der Kliniken.

Der Krankenhaussektor befindet sich im Umbruch. Wurden in der Vergangenheit vor allem administrative Vorgänge wie das Abrechnungswesen in den Kliniken durch IT optimiert, ziehen jetzt die medizinischen Bereiche nach. Die am Markt verfügbaren IT-Systeme sollen Mediziner und Pflegepersonal von bürokratischen Abläufen entlasten und die klinischen Arbeitabläufe optimieren.

In verschiedenen Ansätzen nutzen Krankenhäuser IT-Anwendungen, um Workflows zu vereinfachen, den Zugriff auf Patientendaten zu ermöglichen oder die Fehlerquote bei der Behandlung zu minimieren. Unterstützt werden Ärzte und ihre Helfer dabei vor allem von speziellen IT-Anwendungen, umfangreicher Vernetzung, WLANs, Tablet PCs und anderen modernen Technologien. Doch die Lücken in den einzelnen Kliniken sind immer noch groß.

Basis unseres Beitrag ist unter anderem die von Intel und dem F.A.Z Institute herausgegebene eHealth-Studie, die Bedarf und Angebot an IT-Systemen im Krankenhaussektor analysiert. Als Experten haben wir den Medizininformatiker Prof. Hans-Ulrich Prokosch interviewt, der gleichzeitig CIO des Universitätsklinikums Erlangen ist.

Zentrale IT-Infrastruktur

In den meisten Krankenhäusern etabliert sich gegenwärtig eine zentrale Ausrichtung der IT-Infrastruktur. Insellösungen werden zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Laut eHealth-Studie sind in mehr als 60 Prozent aller Krankenhäuser Arbeitsabläufe bereits überwiegend in eine zentrale IT-Infrastruktur integriert. Allerdings haben nur 10 Prozent sämtliche Abläufe berücksichtigt.

Eine komplette Integration ist schwierig. „In bestimmten Fachabteilungen existieren noch sehr viele Speziallösungen“, sagt Uni-CIO Prof. Hans-Ulrich Prokosch. „Deren Funktionalität wird heute noch nicht vollständig von übergreifenden, integrierten Systemen abgedeckt. Komplett alle Fachabteilungslösungen abzuschaffen und in ein integriertes System hineinzuziehen wird wahrscheinlich nie ganz möglich sein.“

Besonders in Großkliniken wie Universitätskrankenhäusern ist die Heterogenität hoch. „Dort gebt es sehr viele Spezialabteilungen, deren Chefs dedizierte Lösungen dezentral eingeführt haben“, erklärt Prokosch. In kleineren Häusern ist diese ausgeprägte Heterogenität zwar nicht vorhanden, dort besteht hingegen das Problem, dass deren EDV-Abteilung nur wenige Mitarbeiter umfasst. Diese sind erst recht darauf angewiesen, eine möglichst zentrale Lösung mit einigen wenigen Subsystemen zu haben, weil sie ansonsten von ihren Ressourcen her schnell an Grenzen kommen.

An der Universitätsklinik Würzburg lautete beispielsweise die Zielvorgabe, die IT-Infrastruktur zu zentralisieren und separate Lösungen in Einzelabteilungen nur dort zu belassen, wo sie unverzichtbar sind. Als IT-Plattform fungiert eine zentrale, hochverfügbare SAP-Datenbank unter MS Server 2003.

Auch Applikationen wurden möglichst vereinheitlicht: Für die einzelnen Funktionsfelder wurden homogene Anwendungsklassen mit einer durchgehend horizontalen Prozessstruktur eingerichtet. So kommen in der Abrechnung und am klinischen Arbeitsplatz SAP-Produkte zu Finanzen, Materialwirtschaft und dem Patientenmanagement zum Einsatz. Durch die zentrale Ausrichtung lässt sich das gesamte Klinikum mit seinen 3000 PC-Arbeitsplätzen mit nur einem Werkzeug lenken, was zu sinkendem Personalbestand und Kosten führte.

Aus einer Hand: Am Uniklinikum Würzburg kommen SAP-Produkte am Arbeitsplatz zum Einsatz

Klinik-Standardprogramme

Bei der Integration könnten künftig Serviceorientierte Architekturen (SOA) eine große Rolle spielen. „Bei einer sauberen Umsetzung von SOA wäre eine Integration von speziellen Fachabteilungslösungen sehr transparent für den Benutzer möglich“, erklärt Prokosch. „Der Nutzer registriert dann gar nicht, dass er bestimmte Spezialfunktionen oder Hintergrunddienste aus einem Fachabteilungssystem in Anspruch nimmt.“

Softwaretechnisch am häufigsten nutzen die Krankenhäuser derzeit die Funktion des elektronischen Abrechnungsverkehrs, dahinter folgt die elektronische Krankenakte, über die das medizinische Personal digital auf die Daten des Patienten zugreifen kann.

Für einzelne Arbeitsbereiche in Krankenhäusern haben sich inzwischen Standardprogramme auf dem Markt etabliert. Kliniken, die in eine zentrale IT investieren, greifen häufig auf diese etablierten Programme zurück. Sie erleichtern aufgrund ihrer Verbreitung die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Solche Programme sind beispielsweise automatisierte Arzneimittelverwaltungssysteme, die bei der Optimierung logistischer Arbeitsabläufe helfen oder der automatische Abrechnungsverkehr.

Wichtigstes Teilsystem der eHealth-IT ist ein Klinikinformationssystem (KIS). Von einem KIS wird erwartet, das Klinikpersonal mit verschiedensten Informationen aus aller Welt zu versorgen, um bei der Entscheidungsfindung zu helfen und um ein besseres Kommunikationsumfeld zu generieren. Ein KIS haben laut eHealth-Bericht die meisten Kliniken, nur jede zehnte hat hier noch Bedarf. Welche Funktionen ein KIS genau beinhaltet können Sie am Beispiel des KIS von Adjumed Services nachlesen.

KIS: Beispiel für ein Klinik-Informationssystem von Adjumed Services. (Quelle: Adjumed)

Ein KIS mit verschiedenen Modulen für einzelne Bereiche wie Intensivmedizin wurde am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn im Zuge der Fusion der Kliniken St. Elisbeth, St. Petrus und St.Johannes eingeführt. Durch diese Module ist es den drei Teilkrankenhäusern gelungen, früher bestehende Insellösungen zu verbinden. Allerdings ist der Integrationsprozess von separaten Systemen über Schnittstellen noch nicht abgeschlossen. So sind Bereiche wie die Kardiologie bislang nicht vollständig an das Informationssystem angeschlossen.

Integration: Ein KIS verbindet alle Bereiche innerhalb eines Krankenhauses. (Quelle: Prof. Prokosch, Uni Erlangen)

Elektronische Krankenakte

Jeweils ein Viertel deutscher Kliniken setzen die elektronische Krankenakte (EKA) ein. In der EKA werden sämtliche Patientendaten digital erfasst und nicht mehr in Papierform umständlich durch das Krankenhaus transportiert. So unterschiedliche Daten wie Blutwerte, OP-Berichte, Laborbefunde, Filme von Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MR), Audioaufnahmen oder physiologische Daten wie EKG und EEG liegen dann einheitlich digital vor.

Nutzt die Klinik eine elektronische Krankenakte, können alle verbundenen Abteilungen zu jeder Zeit ihre Ergebnisse eingeben. Ebenso einfach lassen sich die Informationen in Sekundenschnelle vom Arzt wieder abrufen – im OP, im Besprechungszimmer oder, über WLAN und Mobilrechner direkt am Krankenbett des Patienten.

Am Ende der Behandlung lässt sich dann per Mausklick die komplette Abrechnung erledigen, und auch die Archivierung wird effizienter: Auf zentralen Servern bleiben die Daten entsprechend der gesetzlichen Fristen immer abrufbereit, große Archivräume für die bisherigen Papierakten gehören der Vergangenheit an.

EKA: Beispiel für eine elektronische Krankenakte der Uniklinik des Saarlandes.

Das Universitätsklinikum Leipzig nutzt beispielsweise seit einiger Zeit die EKA. Auf mobilen Endgeräten können sämtliche Patientendaten von den Ärzten während Visite und Behandlung abgerufen und verändert werden. Dem Patienten können so beispielsweise anhand einer Computertomographie seine Heilungsmöglichkeiten erklärt werden. Medienbrüche, wie sie durch den Eintrag der Patientendaten in den Computer nach einer Visite bisher erfolgt sind, können dadurch vermieden werden.

Allerdings ist die elektronische Krankenakte lokal begrenzt und unterscheidet sich damit von der elektronischen Patientenakte, auf die wir in einem gesonderten Artikel eingehen werden.

Hindernisse bei der elektronischen Krankenakte

Im praktischen Klinikalltag ist die elektronische Krankenakte derzeit allerdings nur rudimentär realisiert. Am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn beispielsweise enthält die EKA nur etwa zwei Drittel aller Patienteninformationen. Den Ärzten fehlt bislang der pflegerische Bereich. Entsprechende Informationen wie beispielsweise Fieberkurven sind im Augenblick nur als Papierausdrucke verfügbar.

Warum eine vollständige Digitalisierung bislang nur in den wenigsten Kliniken umgesetzt werden konnte hat mehrere Gründe. So ist der Anteil dessen, was handschriftlich aus verschiedenen kleinen Bereichen kommt - von Pflegern und Ärzten unmittelbar aus einem Ambulanzbesuch oder von einer Visite -, enorm und lässt sich nicht so ohne weiteres digitalisieren.

Eine weiteres Hindernis: Der Workflow der klinischen Datenerhebung wird von der Dokumentationssoftware nicht adäquat abgebildet. Die GUI der Software hat oft noch die Form von dummen Masken.

Und drittens: Im täglichen Stress des Alltags ist es auch nicht praktikabel, alles elektronisch zu dokumentieren. „Wenn ich die Information schnell handschriftlich auf Papier schreibe, dann ist das vielleicht schwerer lesbar und es gehen auch Infos verloren. Aber derjenige, der das schreiben muss, ist wesentlich schneller fertig als wenn er erst zum PC laufen muss, um es dort in die Maske einzugeben“, erklärt Hans-Ulrich Prokosch von der Unklinik Erlangen.

Prokosch weiter: „Ich glaube, dass wir in den nächsten fünf Jahren in den meisten Kliniken 50 Prozent der Akte elektronisch abgebildet haben. 100 Prozent werden wir allerdings so schnell nicht erreichen.“

Interne Vernetzung

Voraussetzung für die elektronische Krankenakte ist eine Vernetzung sämtlicher Klinik-Abteilungen. Drahtgebundene Vernetzung via Ethernet oder anderer Protokolle ist in vielen Krankenhäusern gegeben. Schon in den neunziger Jahren führten gesteigerter Kostendruck und der Bedarf zur Effizienzoptimierung dazu, dass Kliniken ihre internen Einrichtungen und Geräte zunehmend vernetzten.

Das Klinikum Traunstein/Trostberg beispielsweise verfügt über eine flächendeckende IT-Infrastruktur mit einem weit entwickelten Netzwerk mit über 1500 Ports. Daran werden 600 Kleinsysteme und 60 Server mit unterschiedlichen Software- und Abteilungslösungen betrieben. An einen zentralen Datenbankserver sind viele Abteilungslösungen und medizinische Geräte angeschlossen.

In einzelnen Krankenhäusern ist die Digitalisierung so weit vorangeschritten, dass sämtliche Computer vernetzt sind und somit alle Patientendaten, von der Aufnahme über Diagnosen, Laborberichte und Röntgenaufnahmen bis zum Abschlussbericht, von jedem Rechner aus eingesehen werden können.

So sind im Sana-Klinikum Remscheid alle 500 PCs miteinander verbunden, dazu die Telefonanlage, der Lichtruf und das technische Gebäudemanagement. Wenn also beispielsweise die Klimaanlage in einem der Zimmer defekt ist, wird dies auf dem Display der Telefone angezeigt. Auch mit der elektronischen Gesundheitskarte soll dieses System eines Tages gekoppelt werden.

Im Universitätsklinikum Heidelberg sind die Operationssäle so umgebaut worden, dass Operationen live in Hörsäle oder in die Büros von Kollegen übertragen werden können. Für die kurzfristige Konsultation von Spezialisten während einer Operation kann auf eine Videokonferenz zurückgegriffen werden.

Umfangreich vernetzt: Im Sana-Klinikum Remscheid gibt es kaum ein Gerät, das nicht am Netz hängt. (Quelle: Sana-Klinkum Remscheid)

„Die Notwendigkeit, zu vernetzen und dadurch Mehrwert für Patienten in Bezug auf Sicherheit und medizinische Behandlungsqualität zu bieten, ist heute bei allen medizinischen Leistungsanbietern gegeben“, erklärt Professor Wilfried von Eiff, Leiter des Centrums für Krankenhaus-Management (CKM) in Münster. Die gesamte Branche werde sich in diese Richtung entwickeln, so von Eiff, „das ist nur eine Frage von Zeit und Geld“.

Standards für Bilddaten – PACS und DICOM

Die IT-Netze sollen vor allem auch dafür eingesetzt werden, medizinischen Daten wie Röntgenbilder, Laborwerte etc elektronisch zu übermitteln und nicht mehr auf alten Medien umständlich zu transportieren. Die Heterogenität der Daten macht dies jedoch schwierig. In der Radiologie beispielsweise stammen Bilder und Dokumente aus den unterschiedlichsten Quellen. RIS (Radiologieinformationssysteme) und vor allem PACS (Picture-Archive-and-Communication-Systeme) spielen dabei eine wichtige Rolle. PACS ist ein Archivierungs- und Kommunikationssystem und erfasst digitale Bilddaten aller Modalitäten in der Radiologie und der Nuklearmedizin.

Um eine Kommunikation zwischen den Entwicklungen und Geräten verschiedener Hersteller sicherzustellen werden Standards benötigt. DICOM (Digital Imgaging and Communications in Medicine) nennt sich ein Standard, der in vielen Klinken als Schnittstelle zwischen RIS, PACS und Geräten wie CT (Computertomografie), MR (Magnetresonanztomografie) und konventionellen Röntgengeräten fungiert. Einen guten Überblick zum Thema Vernetzung und medizinische Dateiformate finden Sie hier.

DICOM ist nicht nur Dateiformat sondern auch Protokoll. Es setzt direkt auf TCP/IP auf, benötigt deshalb keine speziellen Netzwerke und kann die meist vorhandenen Etherneteinrichtungen verwenden. Allerdings besteht auch die Möglichkeit andere Protokolle zum Transport zu benutzen oder sogar Point-to-Point-Verbindungen herzustellen.

Hohes Datenaufkommen: Bilddaten wie Röntgenbilder werden heute zunehmend digitalisiert. (Quelle: Dr. Botzenhart, Krankenhaus Gerresheim)

Die Integration von KIS, RIS und PACS ist dabei vorrangiges Ziel. Große PACS-Netzwerke sollten dabei nicht auf eine Topologie wie Bus, Stern, Ring oder Baum eingegrenzt werden. Der Einsatz von Backbone-Technologien, wie FDDI oder ATM, ist eine Möglichkeit zur Erhöhung des Netzwerkdurchsatzes. Obwohl lastunabhängige ATM-Lösungen auf dem Backbone erhältlich sind, ist deren Einsatz derzeit noch problematisch. Produkte unterschiedlicher Hersteller lassen sich noch nicht an einem gemeinsamen ATM-Netz mischen, da es etwa an einer Normierung des Bridging zwischen ATM und Ethernet fehlt.

FDDI- oder ATM-Leitungen sollten auf die Radiologieabteilung und klinischen Bereiche, die intensive Kommunikation mit der Radiologieabteilung haben und regelmäßig auf große Datenmengen zugreifen, beschränkt bleiben. Sie sollten auch von langsamen Ethernet-Leitungen getrennt werden, die für die Vernetzung der restlichen Bereiche eines Krankenhauses verwendet werden können. Zuweisungen aus klinischen Bereichen sollten elektronisch erfolgen.

Mobile Medizin: Vernetzung via WLANs

Um nahtlosen Informationsfluss zu ermöglichen müssen die drahtgebundenen Netze um Wireless LANs ergänzt werden, Sie kommen heute bereits in vielen Krankenhäusern - wenn auch nicht flächendeckend - zum Einsatz und optimieren den Arbeitsablauf in kritischen Bereichen des Klinikalltags.

Beispielsweise ermöglichen WLANs die mobile Visite: Arzt und Krankenhauspersonal können während der Visite mit einem Mobilrechner jederzeit auf alle Patientendaten zugreifen. Außerdem können Arzt oder Pfleger die weitergehenden Verordnungen und Untersuchungen direkt während der Visite in die elektronische Krankenakte auf dem Krankenhausserver einspeisen. Damit verringert sich zum einen die Nachbearbeitungszeit deutlich, zum anderen schließt die direkte Eingabe am Patientenbett Fehler aus, die bei einer späteren Übertragung in das Klinikinformationssystem auftreten können.

Ein weiterer Vorteil der WLAN-Anbindung: Diagnosegeräte, die über die Ethernet-Schnittstelle in das Krankenhaus-WLAN eingebunden werden, lassen sich mobil einsetzen. Damit hilft eine WLAN-Infrastruktur dem Krankenhaus, teure Mehrfachanschaffungen zu begrenzen, da die Geräte via drahtlosem Netz in jedem Operationssaal und in jedem Krankenzimmer in das Netzwerk des Krankenhauses integrierbar sind. Im Unterschied zu einem drahtgebundenen Netzwerk entfällt außerdem das aufwendige Verlegen und Sterilisieren der Kabel.

Das Bonner Johanniter-Krankenhaus war eine der ersten Kliniken, die im Zuge eines eHealth-Projektes durchgängig auf WLAN in den Krankenstationen setzte. Mediziner und Pflegepersonal arbeiten hier mit Tablet PCs an den Krankenakten der Patienten. Neue Befunde werden vor Ort in den PC eingegeben und gelangen über das WLAN sofort in das Klinikinformationssystem.

Für Prof. Prokosch von der Uniklinik Erlangen ist es wichtig, WLANs flächendeckend einzusetzen. In der Praxis ist das nur in wenigen Kliniken der Fall. „Bisher haben es Krankenhäuser nur vereinzelt geschafft, alle Stationen und Ambulanzen flächendeckend per WLAN zu vernetzen“, erklärt Prokosch. „Die meisten haben die WLAN-Einführung auf eine Abteilung oder zwei bis drei Pilotstation beschränkt.“

Selbst an Universitätskliniken ist eine breite WLAN-Abdeckung noch nicht gelungen. „Eine Klinik mit 70 Stationen über WLAN zu vernetzen ist ein erheblicher Kostenfaktor. Das ist meist mit teuren Baumaßnahmen verbunden, die zudem oft in Altbauten durchgeführt werden müssen“, sagt Prokosch.

Mobile Medizin: PDAs

Eine besonderer Rolle bei der WLAN-Nutzung spielen mobile Endgeräte: Notebooks, PDAs und Tablet PCs, ausgestattet mit WLAN-Zugängen.

Für PDAs gibt es verschiedene Einsatzszenarien, die meisten sind aber nicht über Pilotprojekte hinausgekommen. So nennt etwa ein Artikel im Telemedizinführer Deutschland den Einsatz des PDA bei der Visite, bei dem Patientendaten wie CT- oder MR-Bilder über Barcodeleser auf das Mobilgerät dargestellt werden. Ein anderes Einsatzgebiet ist Teleconsulting, etwa zwischen Assitenzarzt und Chefarzt oder anderen Experten. Schnell kann bei Unklarheit die Meinung des Kollegen eingeholt werden, etwa durch Fotografieren und Verschicken eines Röntgenbildes. Mehr dazu lesen Sie in Kürze im zweiten teil unseres Beitrags.

In einigen Projekten wurden PDAs als mobile Patienteninformationssysteme genutzt. Ein PDA oder Smartphone hat dabei die wichtigsten Informationen zur Krankheit gespeichert und hält ständigen Kontakt zu Klinik, Familie und Freunden. Ein Signal erinnert den Patienten an seine Medikamente. Alle wichtigen Daten und Befunde wie z.B. Blutwerte sowie ein selbst geführtes Patiententagebuch sind auf dem Gerät gespeichert und jederzeit verfügbar.

Mobil: PDAs lassen sich als Patienteninformationssysteme nutzen. (Quelle: Quelle. TU München)

Das meist genannte Einsatzfeld für den PDA liegt auch hier in der mobilen Visite. Voraussetzung hierfür ist, dass mit elektronischen Krankenakten gearbeitet wird. Ein oft genanntes, typisches Einsatzszenario ist folgendes: Während der Visite läuft eine Gruppe von Ärzten von Krankenbett zu Krankenbett, um den jeweiligen Status der Patienten und weitere Maßnahmen zu besprechen. Der PDA ist mit einem Barcode-Lesegerät ausgestattet, über das am Bett der richtige Patient identifiziert werden kann.

Wenn die Gruppe den Raum betritt, wird der Barcode des Patienten gescannt, und die Anwendung auf dem PDA ruft automatisch die zugehörigen Patientendaten auf. Das Mobilgerät kommuniziert mit verschiedenen Informationssystemen im Krankenhaus wie KIS oder PACS über WLAN. Die Gruppe kann die zur Verfügung stehenden Anwendungen durch eine webbasierte Oberfläche aufrufen und zum Beispiel die 10 befundrelevanten Bilder der letzten CT-Untersuchung darstellen.

PDA als mobile Datenbank

Als Handheld für die mobile Visite werden PDAs nach Auffassung von Prof. Prokosch allerdings keine Zukunft haben. „Eine komplette Krankenakte auf dem PDA zu präsentieren mit Kurven und Verläufen wie auf Papier – das geht auf PDAs nicht“, erklärt der IT-Experte. „Die Bildschirme der PDAs sind einfach zu klein um vernünftig Patientendaten zu präsentieren.“

Nur für selektive, isolierte kleine Anwendungen sieht Prokosch Einsatzmöglichkeiten für den PDA. Beispielsweise lassen sich damit, wie oben erwähnt, Patiententagebücher im Umfeld von klinischen Studien führen oder kleine Textinformationen speichern und abrufen.

Optimiert: Röntgenbilder lassen sich nur auf speziell dafür entwickelten PDAs vernünftig darstellen. (Quelle: Dr. Botzenhart, Krankenhaus Gerresheim)

Auch als mobiler Arzneimittel-Datenbank oder medizinisches Lexikon kommt der PDA in Frage – derzeit wohl die meist genutzte Anwendung. So gibt es inzwischen Arzneimittel-Datenbanken für PDAs ebenso wie den Pschyrembel oder das Springer Lexikon Medizin. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Mediziner-PDA-Software finden Sie auf den Webseiten der Universität Münster. Speziell Software für Palm PDAs finden Sie hier.

Digital: Den ewigen Superseller der Medizin, Pschyrembel, gibt es in einer PDA-Version.

In den USA verlangt mittlerweile jede fünfte medizinische Fakultät von ihren Studenten in der Klinik, dass sie Handheld-Computer benutzen. So hat beispielsweise die University of Louisville School of Medicine sämtliche 900 Studenten und Dozenten mit mobilen Computern ausgestattet. Auch an der Universität von Buffalo wird der Nutzen der Handheld-Computer für die medizinische Versorgung am Krankenbett betont.

Mobile Medizin: Tablet PCs

Besser geeignet für die mobile Visite sind Notebooks und vor allem stiftbasierte Tablet PCs. Auf dem Münchner Oktoberfest 2006 nutzte das Bayrische Rote Kreuz (BRK) beispielsweise einen Tablet PC, den Motion Computing LS800. Er wurde zur Koordination der Transporte eingelieferter Patienten in die umliegenden Krankenhäuser eingesetzt. Das System enthielt die aktuell frei verfügbaren Einsatzfahrzeuge, die bei Bedarf abgerufen wurden und sendete gleichzeitig mit dem Abtransport des Patienten seine Daten an das betroffene Krankenhaus.

Für solche Zwecke sind stiftbasierte Tablet PCs deutlich besser geeignet als PDAs, betonte der BRK-Einsatzleiter: „Wir haben es mit einem PDA probiert, die jedoch immer die Wireless LAN Verbindung verlieren und sich nicht mehr selbständig einloggen. Außerdem verhindern wir durch die reine Stifteingabe das versehentliche Auslösen, wie bei einem Gerät mit druckempfindlichen Touchdisplay. Auch die Größe des Displays, das vollständige Betriebsystem und die Handlichkeit des Gerätes haben uns dazu bewogen, diese Aufgabe auf dem Oktoberfest 2006 mit einem Tablet PC zu bewältigen. Das Gerät ist hier im Dauereinsatz und hat uns bis jetzt nicht enttäuscht.“

Logistik-Management: Das BRK setzte auf dem Oktoberfest 2006 erstmals ein Tablet PC ein. (Quelle: Tablet Store GmbH)

Für IT-Experte Prokosch stehen dem breiten Einsatz im Klinikalltag allerdings noch einige Hindernisse im Weg. So muss die GUI gängiger Dokumentationssoftware an die Nutzung stiftbasierter PCs angepasst werden. „Die Programme, die wir heute per Mausbedienung am festen PC-Arbeitsplatz nutzen, kann man nicht 1:1 mit einem Stift auf dem Tablet PC bedienen“, sagt Prokosch. „Eine Standard-MS-Oberfläche per Stift zu bedienen ist ziemlich schwer. Hier ist noch viel zu tun, damit stiftbasierte PCs gut in den Arbeitsprozess und das Arbeitsumfeld einer Klinik eingebettet werden.“

Zusatzfeatures: Der Motion C5 enthält Digitalkamera und Barcodeleser integriert im Tablet PC

Auch hardwaretechnisch müssen die Hersteller noch einiges nachbessern. Vielversprechend sind für Prokosch neuere Geräteausführungen etwa von Motion Computing, die spezielle Tablet PCs für das Gesundheitswesen anbieten. So soll in ab dem Sommer erhältlichen Versionen eine digitale Kamera und ein Barcodeleser in die Geräte integriert sein. „Ich denke, diese Generation von Mobil-PCs wird eine Chance in der Klinik haben“, erklärt Prokosch.

Fazit

Die IT-Einsatzmöglichkeiten in Kliniken sind breit gefächert und die Vorteile von PCs, Mobilrechnern oder WLANs unbestritten. Die am Markt verfügbaren IT-Systeme bieten den Medizinern und deren Helfern ein hohes Maß an Entlastung von bürokratischen Arbeiten, so dass sich das Personal intensiver um seine Patienten kümmern kann. Somit sparen IT-Systeme in Kliniken vor allem Zeit, und damit auch Kosten, ein.

In der Praxis gibt es massive Probleme. Inkompatible Systeme, Software, die den Workflow von Ärzten missachtet, immer noch auftretende Medienbrüche oder Geräte, die für den Klinikeinsatz nicht optimiert sind lassen die Mühlen der Digitalisierung langsam laufen. Für Gerätehersteller und Software-Entwickler bedeutet dies, dass sie Hardware wie Tablet PCs und Software wie Dokumentationsprogramme besser an den Workflow von Medizinern anpassen müssen. Auf dem Weg zum umfassend IT-basierten „digitalen Krankenhaus“ sind also noch einige Hausaufgaben zu erledigen. (tecchannel.de/ wl)