90 Prozent der privatschriftlichen Testamente sind fehlerhaft

Testament – übereilte Änderungen gefährden Rechtskraft

25.10.2010
Nachträgliche Korrekturen können das gesamte Testament gefährden, sagt Gereon Gemeinhardt.

Im Zuge der Erbrechtsreform 2010 und der Entschärfung der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2010 beschäftigen sich Menschen vermehrt mit dem eigenen Testament. Seit Jahresbeginn gelten neue erbrechtliche und erbschaftsteuerliche Regelungen, die attraktive Gestaltungsoptionen und Steuervorteile bieten. Steuerlich werden nun auch Zuwendungen an weitere Verwandte wie Geschwister, Nichten und Neffen stärker begünstigt. Zudem erleichtert das sogenannte Abschmelzungsmodell im Pflichtteilsrecht freigiebige Schenkungen zu Lebzeiten.

Die Schenkungssummen werden nun ab dem ersten Jahr mit einer gleitenden Abnahme von jährlich zehn Prozent bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt. "Selbst bei einer Lebenserwartung von weniger als zehn Jahren lohnen sich jetzt Schenkungen", betont Rechtsanwalt und Steuerberater Gereon Gemeinhardt von der Wirtschaftskanzlei DHPG.

Wer von den Neuerungen profitieren möchte, sollte seine testamentarischen Verfügungen revidieren oder ergänzen. Schnell können dem Erblasser dabei aber Formfehler unterlaufen, die die Gültigkeit des gesamten Testaments in Frage stellen. In der Praxis erweisen sich 90 Prozent aller privatschriftlichen Testamente als fehlerhaft. Streitigkeiten unter den Erben oder auch mit den Finanzbehörden sind die häufige Folge.

Nachträgliche Korrekturen des letzten Willens beschäftigen regelmäßig die Gerichte. Zwei aktuelle Urteile zeigen die Freiräume und Grenzen von testamentarischen Änderungen auf. Im ersten Fall hatte das Oberlandesgericht München (Az.: 3 U 5101/07) zu entscheiden, ob handschriftliche Ergänzungen in einem Ehegattentestament rechtens sind, wenn diese nur ein Partner getätigt hat. Das Gericht entschied: Änderungen im eigenhändigen Testament sind auch ohne erneute Unterschrift eines oder beider Ehepartner wirksam.

Voraussetzung ist, dass die Korrekturen nachweislich in beidseitigem Einverständnis erfolgen und nach beiderseitigem Willen von den bestehenden Unterschriften gedeckt sind. "Ergänzte Testamente werden weiterhin streitanfällig bleiben, zumal im Einzelfall erhebliche Beweisprobleme auftreten", warnt DHPG-Experte Gemeinhardt aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in erbrechtlichen Fragen.

Wechselbezüglichkeit im Ehegattentestament

Im zweiten Fall sorgten fehlende Erklärungen zur Wechselbezüglichkeit in einem Ehegattentestament für Streit. Diese können nur zu Lebzeiten beider Partner widerrufen werden. Fehlt ein Hinweis auf Wechselbezüglichkeit, wird sie unter bestimmten Voraussetzungen vermutet. Im vorliegenden Fall hatte die Gattin nach dem Tod ihres Mannes neue Erben eingesetzt. Das Oberlandesgericht Hamm erklärte dies in Bezug auf das eigene Erbe für rechtens (Az.: 15 Wx 344/08). Eine ausdrückliche Erklärung zur Wechselbezüglichkeit hätte Streitfragen vermeiden können.

Es empfiehlt sich, Inhalt und Form des eigenen Testaments systematisch auf den Prüfstand zu stellen. Schon kleine formale Fehler können den letzten Willen in Frage stellen (siehe Infokasten).

Typische Fehler im Testament vermeiden

Bei Nachträgen, Korrekturen oder Streichungen im Testament treten leicht Fehler auf. Schnell ist die Rechtskraft des gesamten Dokuments in Frage gestellt. Viele Fehlerquellen lassen sich von vorneherein vermeiden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine fachkundige Beratung.

1. Keine Unterschrift: Der Erblasser muss als Urheber jeder Änderung zweifelsfrei zu erkennen sein. Eigenhändige Änderungen haben handschriftlich zu erfolgen und sind mit Vor- und Zunamen zu unterschreiben. Vorsicht bei Ehegattentestamenten: Sicherheitshalber sollten beide Partner unterschreiben.

2. Vergessenes Datum: Eine Abänderung des Testaments kann zu widersprüchlichen oder missverständlichen Aussagen führen. Deshalb sind alle Änderungen zusätzlich zur Unterschrift exakt zu datieren und mit Ortsangabe zu versehen. So kann der letzte Wille zeitlich eingeordnet und der dahinter stehende Erblasserwille ermittelt werden.

Uneinheitliche Form

3. Uneinheitliche Form: Nachträge auf zusätzlichen Seiten können angegriffen werden. Vor allem unterschiedliche Papiere, lose Blätter ohne Nummerierung oder ein uneinheitliches Schriftbild gefährden die Anerkennung. Deshalb ist grundsätzlich auf eine einheitliche und zusammenhängende Form des Testaments zu achten.

4. Fehlende Beurkundung: Nicht jeder Sachverhalt ist privatschriftlich im Testament zu regeln. Nicht selten ist eine notarielle Beurkundung sinnvoll oder sogar gesetzlich vorgeschrieben. Dazu zählen insbesondere Fälle, in denen ein potentieller Erbe bereits in die letztwillige Verfügung einbezogen werden soll, wie etwa bei einem Pflichtteilsverzicht. Auch für Personen, die selbst nicht (mehr) schreiben können, ist ein Notartermin Pflicht. (oe)

Der Autor Gereon Gemeinhardt ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei DHPG Dr. Harzem & Partner KG, Bornheim (www.dhpg.de).