Trend zur Produktmanipulation - auch das ist Betrug

16.11.2005 von Scheja 
Weil der Kopierschutz der Software immer besser wird, verlegen sich die Raubkopierer zunehmend auf die einfachere Methode der Produktmanipulation. Welche rechtlichen Folgen der Ein- oder Verkauf solcher Waren für den Händler hat, erklärt Rechtsanwältin Katharina Scheja.

In den vergangenen Jahren ist der Softwaremarkt von manipulierten Produkten überschwemmt worden. Hintergrund dieses Phänomens ist, dass die Herstellung und der Vertrieb gefälschter Produkte - dank Echtheitszertifikaten, Produktaktivierung und Kopierschutz - riskanter und teurer geworden sind.

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Durch das Manipulieren originaler Produkte lassen sich demgegenüber bei geringerem technischen und finanziellen Einsatz hohe Margen erzielen. Der legale Fachhandel ist dadurch sehr unter Druck gesetzt worden, auch wenn der Anteil raubkopierter Produkte auf dem Markt nach Untersuchungen der Consulting- Firma IDC im Auftrag der BSA (Business Software Alliance) zurückgegangen ist. Danach ergibt sich für die Europäische Union mittlerweile ein Anteil von 35 Prozent raubkopierter Software. Die Umsatzeinbußen des Fachhandels sind dennoch wegen der steigenden Professionalität der Händler illegaler Produkte praktisch gleich bleibend hoch.

Was man unter Manipulation versteht

Was verbirgt sich hinter "manipulierten Produkten"? Es geht um die rechtswidrige Zerlegung von Originalware in Einzelbestandteile. So sind einige Händler dazu übergegangen, mit einigem technischen Aufwand originale Produkte auseinander zu nehmen und die einzelnen Bestandteile separat als "Lizenz" zu verkaufen. So wurde zum Beispiel das den Microsoft-Softwarepaketen beiliegende Echtheitszertifikat massenhaft den Paketen entnommen, auf Pappdeckel geklebt, mit Folie versiegelt und als Vervielfältigungslizenz verkauft. Auch die übrigen Softwarepaketinhalte wie Handbuch, End-User-License-Agreement und/oder CD-ROM sind auf diese Weise separat vertrieben worden. So wurden mit vergleichsweise geringem Produktionsaufwand aus einem legalen Paket mehrere illegale "Scheinlizenzen" hergestellt und zum Teil auch noch die Umverpackung mit einem gefälschten Produkt bestückt und verkauft.

Auch wenn es schwer fällt zu glauben, dass ein Handbuch mit Erfolg als "Softwarelizenz" verkauft werden kann - in den vergangenen Jahren hat der Anteil von derart hergestellten "Scheinlizenzen" auf dem deutschen Markt besorgniserregend zugenommen. Die Erklärung hierfür liegt in einem immer noch mangelhaften Softwaremanagement bei einkaufendem Fachhandel sowie Endkunden: Besonders sorglos sind oft Firmen oder Behörden, die sich über einen Lieferanten eine IT-Anlage für ihr Unternehmen liefern und installieren lassen. Diese Endkunden unterstellen vielfach, dass die auf die Hardware aufgespielte Software lizenziert ist, und vergewissern sich nicht, ob die vermeintlichen Nutzungsrechte auch wirklich bestehen. Stellt sich dieses Vertrauen als unberechtigt heraus, ist es oft zu spät: Die Schadensersatzforderungen der Softwarehersteller sind zu erfüllen, und der Regress beim Lieferanten kann aus vielen Gründen (Insolvenz, Firmenaufgabe et cetera) scheitern. Aber auch im Fachhandel werden gelieferte Softwareprodukte oft nur "durchgeschoben" (was die rechtliche Verantwortlichkeit für die Originalität nicht zu beseitigen vermag!). Eine Prüfung der Ware auf Vollständigkeit und Echtheit unterbleibt oder wird oberflächlich durchgeführt, die Mitarbeiterschulung für die notwendige Kontrolle unterlassen und Herstellerangaben und -veröffentlichungen nur unzureichend wahrgenommen.

Aufwändige Kampagnen sollen Händler schützen

Der legale Fach- und Einzelhandel ist dadurch in Bedrängnis geraten. Dennoch: Letztlich wird sich nur der seriöse Handel am Markt durchsetzen. Dafür sorgen die aufwändigen Rechtsverfolgungskampagnen der Hersteller, die in den vergangenen Jahren mit Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden wie auch der Rechtsprechung gegen solche "Produktveränderungen" vorgegangen sind. Langfristig wird nur der Softwarehändler vertrauensvolle Kundenbeziehungen aufbauen können, der legale Produkte verkauft. Denn die zuvor beschriebene wunderbare Vervielfältigung von Nutzungsrechten stellt eine besonders dreiste Form von Betrug am Kunden dar: Der Endkunde, der solche Produkte erwirbt, ist "angeschmiert", denn ein Recht zur Vervielfältigung erhält er tatsächlich nicht. Er erwirbt für viel Geld ein rechtliches "Nullum" (nichts). Dass dies rechtswidrig ist, bestätigt mittlerweile eine Vielzahl von obergerichtlichen Entscheidungen. Für den Einsatz auf seinem PC braucht der Endnutzer eine urheberrechtliche Nutzungsbefugnis. Diese erhält er durch den Erwerb eines solchen Einzelbestandteiles gerade nicht, was das Landgericht Frankfurt für den Vertrieb von CoA-Stickern bereits im Jahre 2001 bestätigte.

Rechtsprechung

Das Gericht stellte dabei fest, dass der Vertrieb von Handbüchern mit CoA-Stickern als "Lizenzen" eine Urheberrechtsverletzung darstellt (LG Frankfurt, Urteil vom 14.11.01 - 2/6 O 305/01). Diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt bestätigt (siehe OLG Frankfurt, AZ 6 W 35/01) und ist durch eine Fülle weiterer Gerichtsentscheidungen erhärtet worden. Diese erfassen auch weitere beliebte Gestaltungen, so etwa die Auslieferung eines bloßen Handbuchs als Lizenz (Oberlandesgericht Hamm, AZ 13 U 119/01) oder auch einer einzelnen oder auf Pappdeckel aufgeklebten CoA oder eines End User License Agreements als Lizenz. Damit hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren mit verschiedenen Formen des Vertriebs von Produkteinzelbestandteilen als Lizenz beschäftigt und diese als urheberrechtswidrig gebrandmarkt.

Für den von einer solchen Lieferung betroffenen Händler ist wichtig, dass diese urheberrechtlich zunächst scheinbar nur den Hersteller unterstützende Auffassung auch kaufrechtlich relevant ist. Die Rechtsprechung hat insbesondere auch für Streitigkeiten unter auslieferndem und beliefertem Händler festgehalten, dass der erwerbende Händler zu einer Bezahlung derart veränderter Ware nicht verpflichtet ist. So hat etwa das Landgericht Bochum in einer Entscheidung vom 08.05.2001 (AZ 11 S 516/00) festgestellt, dass die Lieferung eines Handbuchs mit Echtheitszertifikat keine Lizenz und daher eine falsche Warenlieferung darstellt, die vom Käufer nicht bezahlt werden muss. Diese Auffassung ist unter anderm durch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 03.12.2001 bestätigt worden (AZ 13 U 119/01).

Darüber hinaus stellt die Veränderung des Produkts auch eine Markenverletzung dar. So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer rechtskräftigen Entscheidung vom 23.02.2000 festgestellt, dass der Vertrieb von Softwaredatenträgern ohne die vom Hersteller vorgesehenen Produktbestandteile Handbuch, Echtheitszertifikat und Registrierkarte in die Markenrechte des Herstellers eingreift. Der Händler, der die Originalverpackung und einzelne Produktbestandteile vor dem Weitervertrieb entfernt und/oder ein derartig verändertes Produkt verkauft, verschlechtert die Ware und beschädigt den guten Ruf und die Seriosität des Markeninhabers.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um den einzelnen Vertrieb einer CD-ROM des Produktes "Microsoft Windows 98". (OLG Karlsruhe). Weitere Gerichte, etwa das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 07.04.2000 in CR 2000, 586), das Landgericht Köln (Urteil vom 25.04.2001 - AZ 28 O 590/00) und das Landgericht Hamburg (AZ 308 O 374/99) haben diese Auffassung bestätigt.

Produkte lieber genau prüfen

Für Händler und Endkunden gilt daher, dass das gelieferte oder gekaufte Produkt genau begutachtet werden sollte. Geschieht dies nicht, kann es sein, dass für viel Geld "nichts" erworben wird und dazu noch Schadensersatz und Unterlassungsansprüche der Hersteller drohen. Damit ein solcher wirtschaftlicher Schaden vermieden werden kann, ist es empfehlenswert - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - , mindestens nachfolgende Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:

- Geben Sie den Kaufgegenstand bei der Bestellung genau an (insbesondere Hersteller, Produkt, Produktversion).

- Überprüfen Sie das gelieferte Produkt daraufhin, ob es mit der Bestellung übereinstimmt.

- Informieren Sie sich anhand der Produktangaben der Hersteller auf deren Webseiten oder verfügbaren Produktinformationen, ob das gelieferte Produkt vollständig und echt ist.

- Schicken Sie das Produkt in Zweifelsfällen zur Überprüfung an den Hersteller.

- Oder verweigern Sie im Zweifelsfall die Entgegennahme oder Bezahlung, bis Ihnen Ihr Lieferant eine Echtheitsbestätigung des Herstellers vorlegt.

Produktveränderungen sind riskant

Wer diese Vorsichtsmaßnahme missachtet oder gar die Produktveränderungen selbst vornimmt, lebt riskant. Denn nicht nur Schadensersatz, auch Freiheitsstrafe drohen: Erst kürzlich wurde gegen einen Händler aus Lich wegen Herstellung und Vertrieb solcher Manipulationen ein Strafverfahren eröffnet.