COO und Geschäftsführer in spe

Ulrich Kemp krempelt LG um

08.05.2009
Seit Dezember 2008 als COO für das operative Geschäft zuständig und als Anwärter auf den Geschäftsführerposten will Ulrich Kemp einiges bewegen bei LG Deutschland und erstmal mehr Kontinuität schaffen.
Kemp hat sich nach T-Systems fast ein Jahr Auszeit gegönnt, bevor er Ende 2008 bei LG aufschlug.

Seit Dezember 2008 als COO für das operative Geschäft zuständig und als Anwärter auf den Geschäftsführerposten will Ulrich Kemp einiges bewegen bei LG Deutschland und erstmal mehr Kontinuität schaffen sowie mit einigem, wie er es ausdrückt, "Unsinn" aufzuräumen.

Auf den Einwand von Journalisten auf einem CE-Roundtable in Willich, dass Viele, zuletzt Luc Graré, sich schon daran versucht hätten, an der koreanischen Führung vorbei Dinge zu bewegen, gab sich Kemp ganz selbstbewusst: "Ich habe eine freie Hand wie in der Form noch niemand."

Dabei ließ er auch durchblicken, dass er es als sportliche Herausforderung sieht, bei LG etwas zu bewegen, aber weil finanziell unabhängig, könne er ebenso gut wieder Golf spielen oder nichts tun, statt praktisch rund um die Uhr nur für das Unternehmen zu arbeiten.

Anscheinend hat das die Europazentrale in London ebenso beeindruckt wie das Headquarter in Seoul. Die dortigen Bosse haben Kemp zufolge aber mittlerweile erkannt, dass es in sinnvoll ist, das Top-Management auch mit Europäern zu besetzen. Das passiere auf allen Ebenen. Aktuell sind fünf Nicht-Koreaner im europäischen Vorstand, und es sollen mehr werden.

Baustelle Personalfluktuation

Als "Unsinn" bezeichnet Kemp (48), der zuvor in verantwortlichen Positionen bei HP, FSC (heute FTS) und T-Systems war, die hohe Personalfluktuation der letzten Jahre und er hat auch noch einige andere Baustellen ausgemacht, an denen er und seine Mitarbeiter jetzt aktiv arbeiten.

Vor zwei Jahren habe die Personalfluktuation die Marke von fast 38 Prozent erreicht, heute seien es gerade mal zwei Prozent. "Mit mir als Geschäftsführer, wenn man mich lässt, werden wir keine Personalfluktuation mehr haben. Ich will Spaß und Erfolg haben mit dem Team. Ich kann und will etwas bewegen", so Kemp.

Zurzeit berichtet der neue COO noch an Uk Jung, Präsident von LG Deutschland. Vorausgesetzt man harmoniere und die Zahlen stimmen, sei aber geplant, dass Kemp in einem Zeitrahmen von maximal 18 Monaten 2010 zum CEO aufrückt und Jung in Seoul seine Meriten in höherer Position verdient.

LG wächst trotz Krise

Weltweit hat LG 2008 nach eigenen Angaben rund 104 Milliarden US-Dollar umgesetzt und 10,2 Milliarden Dollar investiert. Der für das internationale Geschäft wichtige Bereich LG Electronics (LGE) hat 44,7 Milliarden Dollar umgesetzt.

Am größten und am stärksten gewachsen seien dabei die Bereiche Mobile Communications (MC) inklusive Netbooks und Home Entertainment (HE). Die Klimatechnik (AC), bisher bei Home Applikations (HA, Haushaltsgeräten) mit aufgehängt, ist zum eigenen Bereich geworden. Mit diesem Portfolio sei LG natürlich in erster Line eine consumer-orientierte Companie, sagte Kemp.

Der LGE-Umsatz ist im ersten Quartal 2009, entgegen dem Trend, global um 14,6 Prozent gestiegen, der Gewinn um 3,5 Prozent. Der HE-, MC-, und HA-Umsatz ist dabei um jeweils über 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen, der AC-Umsatz um 8,9 Prozent. Der einzige Umsatzrückgang betraf den IT-Bereich Business Services (BS), in Deutschland von Stefan Tiefenthal verantwortet, mit einem Minus von 6,6 Prozent auf weltweit 780 Millionen Dollar.

In Deutschland seien im ersten Quartal 2009 alle Bereiche bis auf Klimaanlagen gewachsen. Man habe den Eindruck gehabt, dass die Krise bei den Verbrauchern noch nicht angekommen ist. Bis Ostern 2009 galt das auch noch, dann kam der Einbruch. Dennoch ist Kemp zuversichtlich, auch das zweite Quartal positiv abzuschließen, wobei es natürlich schwer sein werde, nach den EM-Verkäufen 2008 an die Vorjahresverkäufe von Fernsehern anzuknüpfen.

Abwrackprämie als Bremse

Hinzu komme, dass die Abwrackprämie so manches Kapital vom Markt abziehe. Angesichts von 65 neuen LCD-Fernsehern will LG den Marktanteil in Deutschland dennoch von neun auf zwölf bis 15 Prozent steigern. Mitte 2008 waren es etwa fünf Prozent. Mit TFT-Monitoren wolle das Team um Tiefenthal genauso Gas geben.

Im Bereich Smartphones erwartet Kemp sehr viel von dem neuen Flaggschiff "Arena". Der Verkauf laufe sehr gut an. Erstmals habe man mit dem Smartphone alle Provider gewinnen können.

Auch wenn der freie und der IT-Handel beim Verkauf brauner Ware so gut wie keine Rolle spielt, was Kemp angesichts seines gescheiterten Versuchs, FSC-Fernseher am Markt zu platzieren, bitter erfahren musste, denkt er darüber nach, die IT-Distribution stärker zu nutzen. Aber mehr als Zwischenlager für Monate, in denen LG traditionell Lieferschwierigkeiten hat. Konflikte mit Einkaufskooperationen sollen dabei aber vermieden werden.

Sinngemäß zitierte Kemp in dem Zusammenhang einen alten Spruch: "Wer alle beliefert, ist vielleicht nicht ganz dicht." Diesen "Unsinn" haben LG und andere Hersteller früher auch gemacht.

Kemp lernt koreanisch

Unsinnig findet er auch, wie LG früher manchmal mit zwei Slots alle Marketingmittel verpulvert hat, um dann für den Rest des Jahres blank dazustehen. Zusammen mit dem neuen Marketingchef Daniel Fett und unterstützt von einem ebenfalls neuen weltweiten Marketingvorstand habe man für 2009 einen durchgängigen Marketingplan entwickelt.

Die bisherigen Schulungen von Vertriebspartnern haben Kemp auch nicht zufriedengestellt. Aber auch intern setzt er auf Schulungen seiner Mitarbeiter. So hat er allen Mitarbeitern, auch den Koreanern, interkulturelle Trainings aufgebrummt, denn obwohl Deutschland und Südkorea beide begeisterte Fußballnationen sind, gebe es doch große Mentalitätsunterschiede und gegenseitige Verständnisprobleme.

Um diese zu überbrücken ist Kemp derweil selber auch nicht faul und hat begonnen koreanisch zu lernen. Die für uns Europäer fast chinesisch aussehende Buchstabenschrift hat er sich dabei sogar schon angeeignet. (kh)