Gartner Energieeffizienz

Unternehmen halten an Green IT fest

20.04.2009 von Jan-Bernd Meyer
Die Unternehmensberatung Gartner hat in einer Befragung bei 620 Unternehmen weltweit herausgefunden, dass die meisten Firmen trotz Wirtschaftskrise an Green-IT-Projekten festhalten.

Gartner realisierte seine Umfrage im Dezember 2008 in den USA, Europa, im asiatisch-pazifischen Raum sowie in Lateinamerika. Die Unternehmensberatung wollte herausfinden, welche Auswirkungen die weltweite Rezession auf IT-Projekte hat. Hier richteten die Analysten ihr besonderes Augenmerk auf solche Vorhaben mit ökologischem Bezug.

Überraschenderweise hat die Krisensituation keine gravierenden Auswirkungen auf IT-Projekte insbesondere in Europa (und hier in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien und Schweden). Hier gaben 67 Prozent der Antwortenden an, dass ihre Green-IT-Projekte von der wirtschaftlichen Baisse nicht berührt würden. In den USA sagten nur 37 Prozent der Befragten das gleiche. Dafür stürzt sich jedes vierte befragte Unternehmen in den USA gerade jetzt auf Green-IT-Initiativen. In Europa wollen dies lediglich zehn Prozent.

Simon Mingay, Autor der Studie, bestätigte denn auch den Eindruck, dass Green IT in Europa einen wesentlich höheren Stellenwert besitzt als in anderen Kontinenten. Das Bewusstsein für Ökologiethemen sei auf dem alten Kontinent wesentlich stärker ausgeprägt.

Mingay, dem der Begriff Green IT zugeschrieben wird, obwohl er sich von ihm als wenig aussagekräftig distanziert und der stattdessen von "Environmentally sustainable IT" spricht, sagt, dass zwei Entwicklungen das Thema Ökologie in der IT besonders vorangetrieben haben: Zum einen habe sich der Klimawandel mittlerweile als sehr ernst zu nehmende Tatsache in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Zum anderen kämpften Rechenzentren zunehmend mit Engpässen in der Energieversorgung.

Auf Seite zwei lesen Sie, welches die Gretchenfrage für alle IT-Verantwortlichen in Sachen Green IT ist.

Green IT hat in Firmen große Bedeutung

Eine interessante Feststellung machte Gartner, als es fragte, wie Unternehmen zum Thema Ökologie stehen und welche Bedeutung Green IT für die Geschäftsstrategie von Firmen hat. In den USA und in Europa antworteten jeweils 38 Prozent, die Umweltthematik sehe man für die eigene Geschäftsstrategie als wichtig an. Folgerichtig beeinflusse der Öko-Aspekt die Geschäftspläne, Überlegungen zu Produkten und zu Dienstleistungen wie auch zur Ausgestaltung von Lieferketten ganz erheblich. Nur wenige (USA = fünf Prozent, Europa zwölf Prozent) meinen, dass Umweltaspekte für ihre Projekte und Strategien wenig Bedeutung besitzen.

Gretchenfrage:Öko-Bewusstsein von Firmen

Die Analysten erfragten dann noch genauer von den Unternehmen, wie es um deren ökologisches Bewusstsein bestellt sei. Sie wollten wissen, wie weit deren ökologisches Engagement geht und inwieweit ihre Green-IT-Konzepte umfassendere Überlegungen zur Umweltthematik berücksichtigen. Nicht ganz überraschend denken 60 Prozent der US- und 43 Prozent der europäischen Firmen bei ihrer Strategieentwicklung ganz konventionell an betriebswirtschaftliche Aspekte wie Kostenreduzierungspotenziale oder daran, wie Hemmnisse bei der Entfaltung des Geschäftsmodells beseitigt werden können. Wenn sich bei solcherlei Überlegungen als Seitenaspekt auch Öko-Effekte ergeben, betrachten Firmen dies als Mitnahmebonus. Hier sind Umweltüberlegungen nicht der Treiber für Entscheidungen.

Das klingt enttäuschender als es ist. Gartner hat nämlich bei dieser Fragestellung auch herausgefunden, dass immerhin jedes dritte Unternehmen in den USA und in Europa seine strategischen Geschäftsmodellüberlegungen an einer ganzheitlichen Sicht ausrichtet. 33 Prozent (USA) respektive 32 Prozent (Europa) der Unternehmen denken nicht nur über die Energieeffizienz im eigenen Unternehmen nach. Vielmehr machen sie sich etwa auch darüber Gedanken, wie sich die Produktion von Produkten, die die Unternehmen kaufen, auf die Umweltbelastung auswirkt. Sie denken auch an die potenziell umweltgefährdenden Materialien, die in Produkten verbaut werden. Diese Unternehmen planen beim Thema Green IT nicht selektiv, sondern sie legen Wert auf eine fundamentale, nachhaltige Wirkung ihrer Geschäftspolitik auf die Umwelt (siehe Grafik).

Auf Seite drei erfahren Sie, wieviel IT-Verantwortliche mit guten Öko-Konzepten sparen können.

Experton fordert ganzheitliche Öko-Sicht

Wolfgang Schwab, Senior Advisor der Experton Group, fordert von Unternehmen, die Green IT ernsthaft verfolgen, einen ganzheitlichen Ansatz.

Solch eine ganzheitliche Sicht fordert auch Experton-Analyst Wolfgang Schwab. Er sagt, zukunftsweisend sei die Frage, wie viel Energie in den Geschäftsprozessen durch den richtigen Einsatz von IT gespart werden könne. Schwab weiter: "Sinnvollerweise sollten sich CIOs mit den einzelnen Fachabteilungen auseinandersetzen und versuchen, die Business-Prozesse dahingehend zu optimieren, dass durch den optimalen Einsatz von IT-Lösungen in den einzelnen Geschäftsprozessen möglichst wenig Energie verbraucht wird".

Unternehmen, die Green IT ernst nehmen wollten, kämen an einem ganzheitlichen Ansatz nicht vorbei, sagt der Senior Advisor der Experton Group. Dieser mache nicht Halt bei Energieeffizienzüberlegungen zum Rechenzentrum. Vielmehr schließe er die Bereiche Office-IT und IT-Unterstützung der Geschäftsprozesse mit ein.

Öko-Potenziale

Ähnlich den Untersuchungsergebnissen von Gartner konzediert auch Experton-Mann Schwab, dass IT-Projekte in aller Regel nicht von ökologischen Gesichtpunkten getrieben, sondern aus ökonomischen Gründen befeuert werden. Insbesondere in Krisenzeiten komme aber Green IT eine besondere Stellung zu. Begründung von Schwab: "Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass teilweise massive nachhaltige Einsparungen durch Green-IT-Projekte möglich sind:"

So beziffert der Experton-Analyst beispielsweise das Reduzierungspotenzial der Energiekosten in Rechenzentren auf zehn bis 35 Prozent. Durch den öko-intelligenten IT-Betrieb der Arbeitsplätze (ein Stichwort: Desktop-Virtualisierung) ließen sich 20 bis 50 Prozent der Energiekosten einsparen.

Genug geredet - her mit den Öko-Lösungen

Nicht umsonst schreibt denn auch Gartner-Analyst Mingay den IT-Verantwortlichen ins Stammbuch: Zu deren Aufgaben werde es zunehmend gehören, IT-Techniken so einzusetzen, dass Unternehmen energieeffizient operieren. Sie seien auch für eine Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Ein solches Vorhaben dürfe nicht nur das Geschäftsmodell im engeren Sinn betrachten. Vielmehr müssten auch Wertschöpfungsketten sowie eingesetzte Produkte und Dienstleistungen auf ihre die Umwelt beeinflussenden Eigenschaften hin überprüft werden. Bislang habe die Industrie nur viel geredet über solche Konzepte. In den nächsten zwei Jahren sei es an der Zeit, vorzeigbare Lösungen zu präsentieren. (jm)

RZ-Abwärme beheizt Wohngebiet

In Großbritannien gibt es Pläne für ein interessantes Green-IT-Projekt. Im Jahr 2010 soll das Data-Center Telehouse West des RZ-Betreibers Telehouse Europe die in seinem Rechenzentrum anfallende Abwärme nutzen, um damit als Energiequelle für Wohnhäuser in der näheren Umgebung zu fungieren. Ausgedacht hat sich das Konzept der international tätige Technik- und Managementberatungskonzern WSP Group. Dieser steckte hierzu mit der Telehouse Europe die Köpfe zusammen. Die beiden Firmen versprechen vollmundig, das Datenzentrum werde in punkto Nachhaltigkeit und Umweltschutz neue Maßstäbe setzen. So sollen durch das neuartige Konzept nicht nur die CO2-Emmissionen des neunstöckigen Gebäudes um rund 1.100 Tonnen pro Jahr gesenkt werden. Vielmehr würden gleichzeitig rund neun Megawatt an Energie für das umliegende Wohnviertel produziert. Zum Vergleich: Deutsche Kernkraftwerke produzieren bis zu 1.300 Megawatt Energie.

Ganz neu ist die Idee aus Großbritannien zwar nicht. Ähnliche Konzepte gab es bereits in Österreich. Diese wurden aber nicht realisiert.

In der Schweizer Gemeinde Uitikon wiederum nutzt das dortige Rechenzentrum ein ähnliches Energie-Konzept. Mit der Abwärme seiner Server und Switches beheizt es das örtliche Hallenbad.