Software und Programmiersprachen sind "literarische Werke"

Urheberrecht

26.07.2012
Kein Schutz für Computerprogramme und Programmiersprachen. Von Manfred Wagner und Thorsten Dohmen LL.M.
Juristisch mstritten ist, ob Software dem Urheberrecht unterliegt.
Foto:

Nach der Europäischen Richtlinie 91/250/EWG, die in deutsches Recht umgesetzt wurde, genießen Computerprogramme urheberrechtlichen Schutz als "literarische Werke". Als problematisch erweist sich der genaue Umfang dieses Schutzes. Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie lautet:

"Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrunde iegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt."

Es stellt sich somit die Frage, welche Elemente eines Computerprogramms eine (geschützte) "Ausdrucksform" darstellen und was genau unter bloßen "Ideen und Grundsätzen" zu verstehen ist.

Das Urteil des EuGH hat in dieser Frage einige Klarheit geschaffen.

Das Ausgangsverfahren betraf die Klage eines Softwareherstellers, des SAS Institute, gegen einen Konkurrenten. SAS vertreibt eine Software, "SAS-Base" genannt, die als Plattform für individuell erstellte Anwendungen von Nutzern dient. Diese Anwendungen müssen, wie SAS-Base selbst, in der sogenannten SAS-Sprache verfasst sein.

Diese Software war durch das Konkurrenzunternehmen zwar nicht kopiert, jedoch dergestalt imitiert worden, dass das neue Programm dieselbe Funktionalität aufwies, wie SAS-Base. Insbesondere konnten die für SAS-Base geschriebenen Anwendungen mit diesem Programm betrieben werden.

Das vorlegende Gericht, der High Court of Justice (England and Wales) hatte nun zunächst zu entscheiden, ob die Übernahme der Funktionalitäten von SAS-Base eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Unter anderem diese Frage hatte das Gericht dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH (Urteil vom 2. Mai 2012, Az.: C-406/10) stellte fest, dass die Funktionalitäten einer Software gerade keine Ausdrucksform eines Programms darstellen und somit keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.

Dem urheberrechtlichen Schutz zugänglich sind vielmehr der Quellcode und der Objektcode eines Computerprogramms, also die konkrete Umsetzung der Funktionalitäten in Programmcode durch den Programmierer.

Funktionalitätenschutz behindert technische Entwicklung

Das Gericht bezieht sich ausdrücklich auf die Erwägungen des Generalanwalts, wonach ein Schutz von Funktionalitäten einer Software den technischen Fortschritt und die industrielle Entwicklung behindern würde. Denn anderen Programmierern wäre es nicht möglich, funktionsidentische Programme, also Konkurrenzprodukte herzustellen. Im Sinne der technischen Fortentwicklung ist jedoch gerade dies erwünscht. Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn Programme schlicht kopiert werden.

Weiterhin hatte der EuGH auf Vorlage des High Court of Justice über die Frage zu befinden, ob die Verwendung einer Programmiersprache eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Auch in einer Programmiersprache sah das Gericht jedoch keine "Ausdrucksform" im Sinne der Richtlinie, so dass urheberrechtlicher Schutz nicht in Betracht kommt.

Dieses Ergebnis erschließt sich am leichtesten durch den folgenden Vergleich, den der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zog:

Demnach entspreche die Funktionalität einer Software gewissermaßen der Handlung eines Romans. Urheberrechtlicher Schutz entsteht jedoch nicht schon an der bloßen Idee zu dieser Handlung, sondern erst an deren konkreten Umsetzung in Sprache. Eine Sprache an sich könne wiederum mit einer Programmiersprache verglichen werden. Die Sprache fungiert ebenso wie eine Programmiersprache lediglich als Werkzeug, dessen der Autor bzw. der Programmierer sich bedient. Schützenswert ist erst das literarische Werk bzw. der Programmcode selbst. (oe)

Der Autor Manfred Wagner ist Rechtsanwalt sowie Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de). Der Autor Thorsten Domen LL.M. ist Rechtsanwalt.

Kontakt:

Wagner Rechtsanwälte, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66111 Saarbrücken, Tel.: 0681 958282-0, E-Mail: wagner@webvocat.de, Internet: www.webvocat.de