Rechtsstreit

Urteil zum Handel mit gebrauchter Software - was Händler dazu sagen

03.02.2011
BGH legt EuGH Fragen zur Zulässigkeit des Vertriebs gebrauchter Lizenzen vor. Von Dr. Jan-Felix Isele

Anfang Juli 2008 hatte das Oberlandesgericht München (OLG, Az. 6 U 2759/07) im Rechtsstreit zwischen Oracle und der Firma usedSoft eine Entscheidung zum Handel mit gebrauchten Lizenzen getroffen. Oracle ist Inhaber der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Datenbank-Softwareprogrammen. Der Softwarehersteller ist außerdem Inhaber mehrerer Wortmarken "Oracle". In 85 Prozent der Fälle vertreibt er seine Software über das Internet per Download. Der Kunde erhält dabei von Oracle keinen Datenträger.

usedSoft handelt mit "gebrauchten" Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bewarb das Unternehmen eine "Oracle-Sonderaktion", bei der es bereits benutzte Lizenzen für Programme von Oracle anbot. Es verwies darauf, alle Lizenzen seien aktuell, da die Wartung noch bestehe. Die Rechtmäßigkeit des Kaufs sollte ein Notartestat bestätigen, demzufolge ein Lieferschein und Bestätigungen des ursprünglichen Lizenznehmers vorgelegen haben, dass er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe.

Oracle hatte sich deshalb jahrelang vor Gericht dagegen gewehrt, dass usedSoft anderen Unternehmen nicht mehr benötigte Oracle-Lizenzen abkauft und weiterverkauft. Dabei hatte sich der Softwarehersteller auf das Urheberrecht berufen, demzufolge allein der Urheber einer Software eine Lizenz zu deren Nutzung erteilen darf. Oracle behält sich dieses Recht in den mit den Unternehmen geschlossenen Nutzungsverträgen zur Software ausdrücklich vor. Ein Verkauf der Lizenz, das heißt eine Weiterlizenzierung durch den Lizenznehmer, sei deshalb unzulässig. Die Benutzung der Bezeichnung "Oracle" verletze außerdem die Marken des Softwareherstellers. Ferner werbe die usedSoft irreführend für die "Lizenzen". Oracle verlangte deshalb entsprechende Unterlassung.

Oracle siegt vor dem Oberlandesgericht München

Das OLG München gab Oracle recht. In der Urteilsbegründung führte es dabei u.a. aus, dass der Vertrieb mit gebrauchter Software generell einer Zustimmung der jeweiligen Rechteinhaber bedürfe. Dies gelte nicht nur, wie in dem verhandelten Fall, für Software, die ursprünglich per Download in den Verkehr gebracht wurde, sondern auch für den Handel mit gebrauchten Original-Datenträgern. An der per Download in den Verkehr gebrachten Software könne mangels Verkörperung auf einem Datenträger keine Erschöpfung eintreten.

Auch eine Abwägung der Grundrechte am geistigen Eigentum der Klägerin (Oracle) und des Rechts auf eine freien Berufswahl und -ausübung (usedSoft) führten zu keinem anderen Ergebnis. Die urheberrechtlichen Nutzungsrechte eines Softwareherstellers seien wegen ihrer besonderen Verletzlichkeit nämlich besonders schutzbedürftig. Das Urhebergesetz trage diesem Umstand Rechnung. usedSoft habe deshalb kein vorrangiges Recht, "einen Geschäftsbetrieb zu eröffnen, der explizit in fremde Urheberechte eingreifen will", so die Begründung des OLG.

Da das OLG die Revision nicht zugelassen hatte, legte usedSoft Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein. Dieser gab der Nichtzulassungsbeschwerde statt und ließ die Revision (BGH I ZR 129/09) zu.

Auf die Revision von usedSoft hat der Bundesgerichtshof heute, am 3. Februar 2011, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Die Kunden von usedSoft griffen durch das Herunterladen der Computerprogramme - so der BGH - in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber Oracle zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme ein. Da usedSoft die eigenen Kunden durch das Angebot "gebrauchter" Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasse, könne usedSoft auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls dessen Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt seien.

Die Kunden könnten sich nach Auffassung des BGH allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen sei. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms - solange nichts anderes vereinbart ist - nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist.

Weitere Fragen bleiben

Es stelle sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine "gebrauchte" Softwarelizenz erworben habe, als "rechtmäßiger Erwerber" des entsprechenden Computerprogramms anzusehen sei. In diesem Zusammenhang könne sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpfe, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden sei.

Hierüber muss nun der EuGH entscheiden. (oe)

Quellen: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle, Nr. 21/2011, Telefon (0721) 159-5013, unter Hinweis auf:

LG München I - Urteil vom 15. März 2007 - 7 O 7061/06 ZUM 2007, 409 = CR 2007, 356

OLG München - Urteil vom 3. Juli 2008 - 6 U 2759/07 ZUM 2009, 70 = CR 2008, 551

Der Autor Dr. Jan-Felix Isele ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, c/o Danckelmann und Kerst, Rechtsanwälte - Notare, Mainzer Landstraße 18, 60325 Frankfurt am Main.

Kontakt:

Dr. Jan Felix Isele, Tel.: 69 920727-0, E-Mail: ra.dr.isele@danckelmann-kerst.de, Internet: www.danckelmann-kerst.de

Das sagt Microsoft zum BGH-Beschluss:

Dr. Severin Löffler, Senior Director Legal and Corporate Affairs der Microsoft Deutschland GmbH:

"Microsoft begrüßt die Vorlage zum EuGH. Da diese Frage alle Märkte Europas betrifft und die relevanten Vorschriften im deutschen Urheberrecht einer EU-Richtlinie entstammen, insbesondere der 'Erschöpfungsgrundsatz', kann nur der EuGH eine abschließende Entscheidung treffen. Wir erwarten, dass der EuGH der in Deutschland vorherrschenden Auffassung folgt und dem Handel mit gebrauchter Software enge Grenzen setzt. Insbesondere der Handel mit angeblich gebrauchten Vervielfältigungsrechten sollte dabei klar von der Zustimmung des Rechteinhabers abhängig gemacht werden.

Dafür spricht auch das am 14. März 2010 in Kraft getretene Welturheberrechtsabkommen, kurz WCT: Die Unterzeichner des Welturheberrechtsabkommens, zu denen auch die EU und die Bundesrepublik Deutschland gehören, haben in einer gemeinsamen Erklärung zu Artikel 6 WCT unmissverständlich klargestellt, dass sich das 'Erschöpfungsprinzip' nur auf fixierte Werkstücke, so genannte 'fixed copies', bezieht, die als körperliche Gegenstände, also als 'tangible objects', in den Verkehr gebracht werden können. Der Handel mit bloßen Nutzungsrechten ist damit ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig.

Die Vorlageentscheidung ändert nichts an dem seit Jahrzehnten geltenden Grundsatz, dass jeder, der eine vermeintlich gebrauchte Lizenz erwirbt, en detail darlegen und beweisen muss, wann diese erstmals vergeben wurde und wann sie wie über welche weiteren Lizenznehmer bis zum jetzigen, vermeintlichen Inhaber gelangt ist." (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Microsoft Presseservice, Microsoft Deutschland GmbH, 85716 Unterschleißheim, Tel.: 089 3176-5000, E-Mail: prserv@microsoft.com

usedSoft begrüßt Klärung der Download-Frage durch EuGH

usedSoft (www.usedsoft.com) hat die Entscheidung des Bundesberichtshofs im Oracle-Verfahren mit Nachdruck begrüßt. "Dass nun der Europäische Gerichthof ein abschließendes Urteil fällen soll, ist eine konsequente und richtige Entscheidung", erklärte usedSoft-Geschäftsführer Peter Schneider. "Schließlich beruht der Weiterverkauf von Download-Software auf europäischen Regelungen, die auch europaweit klargestellt werden müssen."

Der Bundesgerichtshof hat heute das Oracle-Verfahren dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Der EuGH wird nun in voraussichtlich ein bis zwei Jahren entscheiden, ob Software auch dann gebraucht gehandelt werden darf, wenn sie online in den Verkehr gebracht wurde. "Das ist genau das, was wir erreichen wollten, nämlich endgültige Klarheit", ergänzte Schneider. "Wir sehen dies als wichtigen Etappensieg auf dem Weg zu einem wirklich freien Handel auch auf dem Software-Markt."

Auf den Software-Gebrauchthandel hat die bevorstehende Entscheidung des EuGH indes nur geringe Auswirkungen. Denn grundsätzlich ist die Rechtslage für den Handel mit "Gebraucht"-Software weitgehend geklärt. So erklärte der BGH in seiner heutigen Pressemitteilung: "Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms - solange nichts anderes vereinbart ist - nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers."

Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte bereits im September 2010 bestätigt, dass der Handel mit "gebrauchter" Software grundsätzlich rechtmäßig ist. Nur wenn Software online in Verkehr gebracht werde, gebe es noch rechtliche Unklarheiten. Gleichlautend entschieden in den letzten Jahren Münchner und Hamburger Gerichte. So urteilte etwa das LG München im April 2008, "dass der Verkauf bzw. die Veräußerung einzelner Microsoft-Software-Lizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen abgegeben worden waren, auch ohne Zustimmung von Microsoft im Grundsatz wirksam möglich ist."

Pressekontakt:

Christoph Möller, E-Mail: cm@moeller-pr.de, Internet: www.moeller-pr.de

Axel Susen von SusenSoftware vermisst Klarheit

Es ist enttäuschend, da der Senat sich lange für die Entscheidung Zeit genommen hatte. Wir hatten gehofft ein dementsprechendes dezidiertes Urteil zu hören. Trotzdem können wir froh sein, dass immerhin der Fall bis zum BGH gekommen ist. Nun müssen wir warten, ob das EuGH über die drei Fragen hinaus eine grundsätzliche Stellungnahme verfasst.

Die deutschen Richter hatten sich auf hohem juristischem Niveau Gedanken gemacht. Ob das später den Marktteilnehmern wirklich hilft, bleibt abzuwarten. Ich versuche, die drei Fragen als Nicht-Jurist zu formulieren:

Frage 1: Ist der Käufer von gebrauchter Software ein rechtmäßiger Erwerber (auch bei Erschöpfung) oder nicht?

Frage 2: Wenn der Käufer von gebrauchter Software ein rechtmäßiger Erwerber ist (siehe 1), gilt das dann auch für Software, die per Download geliefert wurde?

Frage 3: Wenn der Käufer von gebrauchter Software ein rechtmäßiger Erwerber ist (siehe 1), darf er auch eine Kopie erzeugen, um die Software z.B. in den Arbeitsspeicher zu laden?

Dazu ist zu sagen:

Zu 1: Der Senat tendiert dazu, dass der Käufer von gebrauchter Software ein rechtmäßiger Erwerber bei Erschöpfung ist.

Zu 2: Der Senat scheint keine Meinung zu vertreten, wie es sich mit Download-Lieferungen verhält.

Zu 3: Der Senat ist unsicher, ob der rechtmäßige Erwerber wirklich Kopien erzeugen, sprich: die Software auch benutzen darf.

Wir können nur hoffen, dass der EuGH sich eine klare Meinung bildet, die dem freien Markt hilft. So lange kann aber die Branche weiter ihre Geschäfte machen, denn die üblichen Lizenzübertragungen sind unstrittig.

www.susensoftware.de