Verhandeln oder um Preise feilschen?

17.10.2002
Oft sind Einkäufer und Verkäufer auf Verhandlungen schlecht vorbereitet. Deshalb münden diese häufig in die Sackgasse. Außerdem reduziert sich das Verhandeln auf ein Feilschen um den Preis und den Lieferumfang. Wolfgang Stickler nennt zahlreiche andere Themen, die auf der Agenda stehen sollten, vor allem wenn Unternehmen eine längerfristige Zusammenarbeit erwägen.

Können Sie mir mit dem Preis entgegenkommen?" "Welchen Rabatt erhalte ich, wenn ich die doppelte Menge kaufe?" "Akzeptieren Sie einen späteren Zahlungstermin?" Solche Fragen sind Alltag, wenn sich die Einkäufer und Verkäufer von Unternehmen gegenübersitzen. Doch nicht nur darüber verhandeln sie, sondern auch darüber, welche Qualität das Produkt/die Leistung haben soll. Und: Welche (Service-) Leistungen im vereinbarten Lieferumfang enthalten sind und welche separat berechnet werden.

Doch damit ist die Palette der Verhandlungsthemen nicht erschöpft. Insbesondere dann nicht, wenn

- beide Unternehmen eine längerfristige Kooperation erwägen;

- ein Partner auf die Leistung des anderen existenziell angewiesen ist;

- bei der Zusammenarbeit beider Partner auch Informationen ausgetauscht werden, die unter das Siegel "top secret" fallen;

- für das Erbringen der vereinbarten Leistung Arbeitsprozesse in den beiden Unternehmen aufeinander abgestimmt werden und deren Mitarbeiter eng miteinander kooperieren müssen.

Dies ist nicht nur bei vielen Handelsunternehmen und ihren Lieferanten, sondern auch bei produzierenden Unternehmen und ihren Zulieferern der Fall. Deshalb stehen, wenn sich ihre Mitarbeiter zum Verhandeln treffen, oft Hunderte von Fragen auf dem Programm.

"Was gibst du mir, wenn ich dir ...?"

Doch leider ist dies den Ein- und Verkäufern oft nicht bewusst. Entsprechend unvorbereitet gehen sie in die Verhandlungen. Selbstverständlich überlegen sie sich zwar vorher: Welchen Preis will ich für meine Leistung haben beziehungsweise bezahlen? Und: Welche Menge will ich verkaufen beziehungsweise kaufen? Wenige Gedanken verwenden sie darauf zu überlegen, welche Zusatzleistungen beziehungsweise welchen Zusatznutzen man seinem Gegenüber noch anbieten könnte oder selber haben will. Hierüber denken viele Ein- und Verkäufer, wenn überhaupt, erst nach, wenn sie sich schon auf dem Weg zu ihrem Gesprächspartner befinden oder dieser bereits im Vorzimmer steht.

Entsprechend schnell werden sie von ihrem Gegenüber oft nicht nur "überfahren". Häufig enden Verhandlungen auch in der Sackgasse, weil die Beteiligten vorab nicht definiert haben: Was kann ich - außer dem Preis - noch als Verhandlungsgegenstand in die Waagschale werfen, wenn mir mein Partner zum Beispiel mit der Aussage "Das geht nicht" oder "Das ist für mich nicht akzeptabel" signalisiert: "Ich habe andere Interessen als du"? Entsprechend unflexibel sind viele beim Verhandeln, weshalb es ihnen auch nicht gelingt, getreu der Maxime "Was gibst du mir, wenn ich dir ... ?" eine Lösung auszuhandeln, mit der beide Seiten leben können.

Tragfähige Ergebnisse erzielen

In den meisten Fällen verlässt jener Verhandlungspartner die Verhandlung als "Sieger", der vorab Folgendes definiert hat:

- Welche Wünsche und Bedürfnisse hat mein Gegenüber?

- Welchen Zwängen ist er unterworfen?

- Welche Verhandlungsgegenstände habe ich anzubieten?

- Welche "Leistungen" könnten meinem Partner einen Nutzen bieten?

und darauf aufbauend seine Gesprächsstrategie entwarf. Doch oft erweist sich dieser Sieg im Nachhinein als Pyrrhussieg - speziell dann, wenn in der Verhandlung die Basis für eine langfristige Zusammenarbeit gelegt werden soll. Denn dann stellt sich beim "unterlegenen", weil unvorbereiteten Partner meist - kaum hat er den Verhandlungsraum verlassen - das Gefühl ein: "Verflixt, was habe ich mir hier wieder eingehandelt?" Damit steht die Zusammenarbeit von Anfang an auf einem unsoliden Fundament, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann der "unterlegene" Partner versucht, die Verhandlungsergebnisse abzuändern oder die Zusammenarbeit zu beenden.

Deshalb gilt es zunächst festzuhalten: Nicht nur, ob eine Verhandlung erfolgreich verläuft, sondern auch, wie tragfähig die Verhandlungsergebnisse sind, wird meist im Vorfeld einer Verhandlung entschieden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligten zueinander in einer Chef-Mitarbeiter-, Kunden-Lieferanten- oder Liebesbeziehung stehen. Eine entsprechende Aufmerksamkeit sollten beide Parteien der Verhandlungsvorbereitung schenken, denn hier wird der Grundstein für den Erfolg gelegt.

Trotzdem nehmen sich viele Verhandler hierfür wenig Zeit. Sie verfahren nach der Devise: "Ich höre mir erst mal an, was die andere Seite sagt." Entsprechend leicht werden sie vom Gegenüber über den Tisch gezogen, da sie nicht wissen, was ihnen wichtig ist. Deshalb sollten Sie vor jeder Verhandlung (schriftlich) fixieren:

- Um welche Inhalte/Gegenstände geht es in dem Gespräch?

- Welche Interessen/Wünsche habe ich bezogen auf die einzelnen Verhandlungsgegenstände?

- Was ist meine Ausgangsposition?

- Welche Ziele sind für mich unabdingbar? Wann breche ich die Verhandlung ab?

Erst anschließend sollten Sie sich mit dem Verhandlungspartner treffen.

Dann beginnt die Diskussionsphase. Hier beschnuppern sich die Partner gegenseitig. Sie versuchen, durch ein wechselseitiges Frage- und Antwortspiel auszuloten, welche Interessen die jeweils andere Seite hat. Außerdem: Wie groß sind ihre Verhandlungsspielräume, was ist ihr besonders wichtig? Dabei ist diese Phase schon durch ein Geben und Nehmen geprägt. Verhält sich ein Partner extrem zugeknöpft, offenbart sich auch der andere nicht. Schnell gerät die Verhandlung dann in eine Sackgasse.

Spielräume ermitteln

Entsprechend wichtig ist es, eine harmonische Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Einesolche können Sie zum Beispiel herstellen, indem Sie Ihren Verhandlungspartner loben. Oder indem Sie ihm Zustimmung signalisieren: "Ich bin wie Sie der Meinung, dass ..." Oder indem Sie durch Rückfragen klären, warum dem Partner bestimmte Dinge wichtig sind.

Haben die Partner die jeweiligen Positionen geklärt, beginnt die zweite Stufe der Diskussionsphase. Nun gilt es, Signale für die eigene Verhandlungsbereitschaft auszusenden und die eigenen Antennen für die Signale des Partners auszufahren. Solche Signale sind zum Beispiel Sätze wie "Normalerweise gehört dies nicht zu meinen Aufgaben" (aber unter bestimmten Umständen wäre ich bereit, ...) oder: "Ich kann Ihre Forderung so nicht akzeptieren" (aber vielleicht, wenn Sie die Form ändern).

Oft begehen Verhandler in dieser Phase den Fehler, Signale des Partners bewusst zu ignorieren: "Lass ihn mal zappeln. Dann wird er weich." Meist ist dies falsch gedacht, denn hierdurch zerstören sie die Gesprächsbasis. Schließlich wagt sich der Partner, wenn er ein Signal aussendet, aus seinem Schneckenhaus hervor. Wird er hierfür nicht gelobt und mit Gegensignalen belohnt, zieht er sich wieder zurück. Die Folge: Die Verhandlung zieht sich entweder in die Länge oder gerät in eine Sackgasse.

Angebote an Bedingungen knüpfen

Wenn die Partner sich wechselseitig Signale ihrer Verhandlungsbereitschaft gesandt haben, beginnt die Vorschlagsphase. Nun unterbreiten sich die Partner gegenseitig Vorschläge. Dabei besteht ein Vorschlag stets aus zwei Elementen: einer Bedingung und einem Angebot. Zum Beispiel:

- "Wenn Sie die Ersatzteile besorgen, könnte ich das Gerät eventuell morgen reparieren."

- "Wenn Sie uns die Entwürfe bis morgen zukommen lassen würden, könnten wir das Projekt vielleicht noch in unsere Arbeitsplanung integrieren."

- "Wenn Sie eine Risikolebensversicherung abschließen, würde unsere Kreditabteilung vermutlich den Kredit bewilligen."

Beim Formulieren der Vorschläge gilt: Unterbreiten Sie nie sogleich Ihr Maximalangebot. Außerdem: Legen Sie nie alle Verhandlungsgegenstände, die Sie noch in die Waagschale werfen könnten, auf den Tisch. Denn dann haben Sie keine Asse zum Pokern mehr im Ärmel. Außerdem: Erklären Sie Ihren Vorschlag, wenn Sie ihn formuliert haben, nicht lang und breit. Nun ist Ihr Gegenüber an der Reihe, darauf zu reagieren. Zum Beispiel, indem er

- sich nach den genauen Bedingungen erkundigt,

- Ihnen seine Bedenken erläutert oder

- Ihnen einen Gegenvorschlag unterbreitet.

Über Vorschläge kann und sollte man debattieren. Dann wird schnell deutlich, was den Beteiligten besonders wichtig ist. Zum Beispiel: ein "guter" Preis, mehr Sicherheit, weniger Arbeit/mehr (Frei-)Zeit, mehr Anerkennung, mehr Komfort/Bequemlichkeit.

Ergebnisse detailliert festhalten

Wenn dies klar ist, können die ersten Alternativvorschläge unterbreitet werden. Zum Beispiel: "Wenn Sie Ihr Angebot dahingehend abändern, dass Sie mir Ihren Anforderungskatalog statt in zwei Wochen schon kommende Woche senden, könnte ich Ihnen die gewünschte Leistung/das gewünschte Produkt schon Ende des Monats liefern." Nun werden also die ersten Angebotspakete geschnürt. Diese haben jedoch Vorschlagscharakter. Das heißt, sie sind an mehrere Bedingungen geknüpft. Ist so eine weitgehende Einigung erzielt und zeichnet sich die konkrete Lösung ab, beginnt die Phase der Abmachung.

Hier gilt es, eine konkrete Vereinbarung zu erzielen. Hierfür müssen zunächst für die einzelnen Verhandlungsgegenstände Teilübereinkünfte erzielt werden. Dabei sollten Sie keine Konzessionen ohne Gegenleistung machen. Außerdem muss stets deutlich bleiben: Alle Verhandlungsgegenstände sind miteinander verknüpft, und nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.

Dies ist deshalb so wichtig, weil (unfaire) Verhandlungspartner oft versuchen, Teilübereinkünfte, die schon erzielt wurden und die ihnen entgegenkommen, bereits als bindend zu erklären, wenn andere Verhandlungsgegenstände noch offen sind. Typische Formulierung: "Aber wir waren uns doch einig, dass ...". Oft bluffen sie auch mit einem "letzten Angebot" oder drohen mit dem Abbruch der Verhandlung. Deshalb ist es wichtig festzuhalten: keine Zugeständnisse ohne Gegenleistung. Ist die letzte Hürde überwunden, gilt es, das Vereinbarte festzuhalten, und zwar in allen Einzelheiten - ein Punkt, der oft vernachlässigt wird, weshalb eine Teilvereinbarung schnell in "Vergessenheit" gerät.

Weitere Informationen: www.staminski.de

Der Autor Wolfgang Stickler ist Projektleiter und Verhandlungstrainer beim Trainingsinstitut Staminski & Partner in Fulda.