Verkaufserfolg, Teil I: Mit 5 Fragen zur neuen Klarheit

23.01.2006
Im Rahmen einer zweiteiligen Artikelreihe stellt ComputerPartner Tools und Methodiken zur Analyse von aktuellen Verkaufsprojekten vor.

Von Ulrich Kramer

Fünf Fragen helfen, unnötige Schritte zu erkennen. Bild: Photocase.com
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Viele sicher geglaubte Aufträge scheitern oft in letzter Sekunde - zum Beispiel durch ein Kampfangebot eines Mitbewerbers, der vorher nicht einmal sichtbar war. Oder sie kommen trotz anders lautender Einschätzungen der Vertriebsverantwortlichen nicht zustande, werden immer wieder verschoben, bis sie dann eines Tages vollends aus dem Blickfeld geraten. Oder der Kunde entscheidet sich unvermittelt für einen Mitbewerber, der eindeutig mit dem schlechteren Angebot im Rennen war.

Wie viele Projekte, in die man sehr viel Zeit, Geld und Ressourcen investiert hat, hätten mangels Abschlusschancen gar nicht erst begonnen werden dürfen oder hätten von Anfang an straffer geführt werden müssen? Oft hätte nur ein wenig mehr Information über den Kunden, seine Absichten, das Projekt oder über den Mitbewerb geholfen, den Auftrag vielleicht doch zu erhalten.

Lücken im System erkennen

Was auf den ersten Blick wenig spannend und nach täglicher Routine für den erfahrenen Vertriebsprofi aussieht, weist bei näherem Hinsehen doch manche Lücke im System auf. Eine von der Unternehmensberatung UK-Services in diesem Frühjahr durchgeführte Befragung von 37 IT-Unternehmen erbrachte ernüchternde Ergebnisse. Die Analysten wollten wissen, ob und in welcher Form die Geschäftsleitung die im Verkaufstrichter befindlichen Projekte analysiert. Das Fazit: Allzu oft regiert der Bauch, weniger die systematische Untersuchung der Verkaufschancen, mit der Folge, dass wichtige Projekte eher zu positiv hinsichtlich Größe, Auftragswahrscheinlichkeit und Datum des Kaufabschlusses beurteilt werden. Vielfach ist nicht einmal geklärt, welche Bedeutung das Projekt für den Kunden hat, wann und unter welchen Bedingungen der Auftrag vergeben werden soll, wie der Entscheidungsprozeß ablaufen wird, wer die formellen und informellen Entscheider sind. Von allen systematischen und strategischen Fragestellungen oft ganz zu schweigen.

Die Konsequenz: Die Verkaufsplanung ist ungenau mit großen Gefahren für Geschäftsergebnis und Liquidität, bestehende Chancen werden nicht hinreichend genutzt, einige Projekte im Verkaufstrichter hingegen falsch bewertet und mit zu hohem Aufwand bei zu geringen Abschlusschancen fortgesetzt.

Fünf Fragen für den Erfolg

Die Beantwortung der nachstehenden fünf Fragen gibt schnell Aufschluss, ob ein Projekt mit guten Verkaufschancen vorliegt oder ob zunächst einmal weitere Informationen beschafft werden müssen, um zu einer sachgerechten Bewertung zu gelangen.

1. Was ist der Grund/Anlass für die Durchführung des Projektes oder der Beschaffung?

Der Kunde muss einen Vorteil aus dem Erwerb erzielen, sei es in Form von Kosteneinsparungen, mehr Effizienz, zusätzlichem Umsatz oder Gewinn oder besserer Sicherheit. Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass es 4 Bereiche gibt, die entweder alleine oder auch in Kombination ein Kaufbegehren auslösen können.

- Gewinn (im weiteren Sinne: Zugewinne, Einsparungen, Effizienz, etc.)

- Stolz (im weiteren Sinne: Anerkennung, Prestige, Zustimmung, etc.)

- Vergnügen (im weiteren Sinne: Freude, Genus, Komfort, Lifestyle, Wellness, etc.)

- Sicherheit (im weiteren Sinne: Schutz, Zuverlässigkeit, etc.)

Ist eine so beeinflusste Motivation des Kunden nicht hinreichend erkennbar, ist Vorsicht angesagt - der "Leidensdruck" ist vielleicht (noch) nicht ausreichend, aktiv zu werden und die Beschaffung konsequent durchzuführen. Basierend auf der Einschätzung, welche Gründe für den Kunden maßgebend sind, kann entsprechend auch die eigene Argumentation aufgebaut werden. Jene Aspekte des Angebotes, die die Beweggründe des Kunden in besonderem Maße widerspiegeln, sollten dabei auch besonders betont werden. Steht zum Beispiel das Thema "Sicherheit" im Vordergrund, so sollte in der gesamten Kommunikation mit dem Kunden gezielt auf diese Gesichtspunkte eingegangen werden.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gleich mehrere Gründe - zum Beispiel höhere Sicherheit und mehr Komfort - vorliegen können, die eine Anfrage, ein Projekt initiieren. Die Wahrscheinlichkeit der Durchführung ist in diesem Falle ungleich höher als bei nur einem Beweggrund. Dies muss in der Argumentation entsprechend berücksichtigt und adressiert werden. Weiterhin können sich diese Interessen auf verschiedene Personen und Gruppen verteilen. So wird ein IT-Leiter weniger an der Steigerung des Umsatzes durch den Erwerb eines Produktes interessiert sein als vielmehr an Sicherheitsaspekten, verbesserter Leistung oder einfacherer Bedienung. Insofern ist die eigene Botschaft den Interessen der jeweiligen Zielgruppe anzupassen.

Planung ist ausschlaggebend

2. Warum soll die Durchführung/Beschaffung jetzt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen?

Es muss ein zwingender Grund für die unmittelbare Anschaffung in Übereinstimmung mit den vorgenannten Grundmotiven vorliegen, da sonst die Gefahr besteht, daß die Beauftragung immer wieder verschoben wird und nicht ernsthaft genug verfolgt wird. Sollen zum Beispiel aufgrund der Beschaffung erhebliche Kosteneinsparungen realisiert werden, so ist dies meist Motivation genug, das Projekt nicht auf die lange Bank zu schieben. Dahingehend kann auch die eigene Argumentation ausgerichtet sein ("Wenn Sie die Beauftragung im Mai vornehmen, so wird sich die Anschaffung bereits bis Jahresende amortisiert haben"). Eine konsequente Durchführung des Projektes und eine Beschleunigung bei der Auftragsvergabe können die direkte Folge sein.

Sollte ein zwingender Grund für die Anschaffung zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar sein, so sollte der Kunde dahingehend befragt werden, um einschätzen zu können, welchen Stellenwert das Projekt besitzt und ob eine baldige Investition überhaupt wahrscheinlich ist.

Projekt auf dem Prüfstand

3. Welche Konsequenzen hätte die Nichtdurchführung oder ein Misserfolg des Projektes beziehungsweise ein Fehlkauf?

Spätestens bei der Beantwortung dieser Frage wird das Projekt auf den Prüfstand gestellt: Kann der Kunde es sich leisten, nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zu investieren? Welche Konsequenzen wären für die beteiligten Personen und auch das Management zu erwarten? Welche Nachteile müsste das Unternehmen in Kauf nehmen? Wie gravierend können sich diese auswirken? Insbesondere bei Projekten, die sich unverhältnismäßig lange ohne erkennbaren Fortschritt hinziehen, kann eine Analyse dieser Fragestellungen Klarheit schaffen und zu neuen Strategien und Argumentationen führen. Maßvoll eingesetzt kann die Darstellung der sich ergebenden Nachteile beim Kunden auch eine Beschleunigung und Optimierung der Projektdurchführung herbeiführen. Sind beispielsweise Sicherheitsfragen berührt, so können Beispiele über Schadensfälle und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Unternehmen und den Einzelnen zu einem neuen Bewusstsein beim Kunden und zu veränderten Handlungsweise führen.

Projekt statt Politikum

4. Ist das Problem im Unternehmen allgemein bekannt und auch anerkannt?

Häufig kommt es vor, dass die Anschaffung eines Produktes oder die Beauftragung einer Dienstleistung nur durch eine Person oder eine kleine Gruppe initiiert wird, die jedoch nicht unbedingt die Rückendeckung und das Mandat des Managements besitzt. Auch andere Abteilungen oder Unternehmensbereiche sind nicht ausreichend einbezogen, so dass sich das Projekt schnell zu einem "Politikum" entwickeln kann - mit nicht einschätzbaren Folgen für den Projektverlauf und die betroffenen Anbieter. So ist in diesem Zusammenhang stets zu fragen, ob der derzeitige Mangel nur eine kleine Gruppe mit tolerierbaren Nachteilen betrifft oder ob es sich um eine Anforderung handelt, die für große Bereiche des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Ferner ist zu klären, ob die Vorteile der einen Gruppe nicht anderen Beteiligten zum Nachteil gereichen und mit welchem Widerstand in diesem Zusammenhang gerechnet werden muss. Oftmals bringt es Klarheit, die beteiligten (sich "bekämpfenden) Gruppen an einen Tisch zu bringen und dann gemeinschaftlich zu einer Entscheidung zu gelangen.

Informationen sind wichtig

5. Wer im Unternehmen des Kunden oder auch an externer Stelle kann helfen, diese sowie weitere Informationen zu beschaffen?

Erfahrungsgemäß können diese Fragen, so einfach sie auf den ersten Blick auch sein mögen, nicht unmittelbar und vollständig von den Vertriebsverantwortlichen beantwortet werden. In vielen Fällen fehlen Informationen oder wurden bestimmte Sachverhalte noch nicht ausreichend kritisch hinterfragt.

Vor allem bei der Bewertung der internen Beziehungsgeflechte und Entscheidungswege des Kunden und der Existenz und Bedeutung von informellen Entscheidungsträgern tun sich viele Verkäufer schwer und fischen im Trüben - mit den zuvor genannten Negativfolgen für den Verkaufsabschluss.

Stellt sich die Frage, wer diese wichtigen Informationen beschaffen kann: Zunächst einmal ist festzustellen, dass es mindestens einen (erkennbaren) Befürworter des eigenen Angebotes beim Kunden geben muss, soll überhaupt eine Chance zur Auftragsvergabe an das eigene Unternehmen bestehen. Anders ausgedrückt: Ohne Sponsor bestehen keine oder nur geringe Abschlussmöglichkeiten. Mit diesem gilt es, sehr intensiv zusammenzuarbeiten und vor allem zur Begrenzung der eigenen Risiken die vier erstgenannten Fragen zu beantworten. Insofern geht es in diesem Stadium zunächst einmal um das systematische Sammeln von Informationen, die der Befürworter aus einem bestimmten Eigeninteresse heraus sicherlich - in vertretbarem Maße - zu liefern bereit ist. Welche weiteren Fragestellungen in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, hat der Autor in einem Formular zusammengefasst, das über die Internetadresse www.uk-services.de heruntergeladen werden kann. Sollte ein Befürworter nicht vorhanden oder erkennbar sein, so sollte der Projektleiter in diplomatischer aber offener Form befragt werden. Es gilt: Lieber die Erkenntnis zum frühen Zeitpunkt, dass keine reale Chance besteht als in Unkenntnis der wirklichen Sachlage bis zum bitteren Ende in Luftschlösser zu investieren. Die fünf Fragen sind insofern keine Garantie für den Projekterfolg, schützen aber zuverlässig vor falschen Einschätzungen und somit vor vielen unnötigen Ausgaben.

Lesen Sie morgen Teil II: Systematische Bewertung von Verkaufsprojekten