Nutzwerte Tipps

Vertriebsrecht in- und außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes

07.07.2008
Rechtsanwalt Christian Lentföhr über die praktischen Probleme, die die gesetzliche Form des Handelsvertreters bei neuen Vertriebsformen wie de Franchise mit sich bringt.

Der Vertriebsvertrag ist ein vertikales Absatzmittlungsverhältnis, mit dem der Unternehmer die Kosten des eigenen Vertriebs auf selbständige Kaufleute in den Formen des Handelsvertreters oder Vertragshändlers überträgt.

Die betriebswirtschaftliche Praxis in jüngerer Zeit zeigt, dass die gesetzliche Form des Handelsvertreters, aber auch die in der Praxis entstandene Form des Vertragshändlers, den modernen betriebswirtschaftlichen Anforderungen nicht mehr angemessen ist. Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, einerseits Vertriebskosten dem Vertriebspartner zu übertragen, andererseits jedoch größtmöglichen Direkteinfluss auf das Absatzsystem zu behalten, bringt neue Vertriebsformen, insbesondere in den Spielarten des Franchise, hervor.

Das Vertriebsrecht weist in den verschiedenen Ländern der Welt gravierende Unterschiede auf, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Vergütungsregelung, die Kündbarkeit des Vertriebsvertrages, das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs bei Vertragsbeendigung und die Regelung von Wettbewerbsfragen. Diese Unterschiede beeinflussen die Wettbewerbsbedingungen und die Berufsausübung der Vertriebspartner spürbar. Außerdem beeinträchtigen sie den Schutz, der dem selbständigem Vertrieb z. B. nach deutschem Recht eingeräumt wird, soweit es den Unternehmern möglich ist, auf die Rechtsordnung eines ande-ren Staates mit niedrigerem Schutzniveau auszuweichen.

Die Rechtswahl und ihre Folgen

Das bei grenzüberschreitenden Vetriebsverträgen anwendbare Recht bestimmt sich nach der von den Parteien getroffenen Rechtswahl, in Ermangelung einer solchen nach dem Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses. Wenn, wie im Regelfall, Sitz, Tätigkeitsgebiet und gewerbliche Niederlassung des ausländischen Vertriebspartners im selben Staat liegen, ist nach einhelliger Auffassung das Recht dieses Staates auf das Vertragsverhältnis anwendbar. Anderenfalls wird unterschiedlich angeknüpft an das Tätigkeitsgebiet, überwiegend jedoch an den Ort der gewerblichen Niederlassung, was besonders nahe liegt, wenn sich die Tätigkeit des Vertriebspartners auf mehrere Staatsgebiete erstreckt, z. B. die Benelux-Staaten.

Für die wirtschaftlich relevante Frage, ob einem Vertragshändler bei Beendigung des Vertragsverhältnisses Ausgleichsansprüche zustehen, ist die Rechtswahl somit von entscheidender Bedeutung, denn sie beurteilt sich nach dem anwendbaren ausländischen Recht und ist von Staat zu Staat verschieden zu beantworten.

In den EU-Mitgliedstaaten regelt die Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG die wichtigsten Rechte und Pflichten der Parteien, den Provisionsanspruch, die Kündigung des Vertrages, den Entschädigungsanspruch bei Vertragsbeendigung und die nachvertragliche Wettbewerbsabrede. Sie wird überwiegend auch auf Vertragshändlerverträge angewendet.

Informationspflichten des Unternehmers sollen dem Vertriebspartner ermöglichen, sich bei seinen eigenen Dispositionen auf den zu erwartenden Vergütungsanspruch einzustellen. Außerdem vermag der Handelsvertreter so die zur Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche erforderliche Informationsbasis zu erlangen.

So hat ein Handelsvertreter, der auf Provisionsbasis vergütet wird, für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft Anspruch auf Provision wenn der Geschäftsabschluss auf seine Tätigkeit zurück zu führen ist oder wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hat.

Anspruch auf Direktprovision

Neben dieser sogenannten Abschlussprovision sieht das Handelsvertreterrecht der EU-Mitgliedstaaten vor, dass der Handelsvertreter auch bei Geschäften, die ohne seine Mitwirkung geschlossen werden, einen Provisionsanspruch hat (sog. Direktprovision), wenn ihm ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist oder wenn er die Alleinvertretung für einen bestimmten Bezirk oder Kundenkreis hat und das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen worden ist, der diesem Bezirk oder dieser Gruppe angehört.

Wird das Geschäft dagegen erst nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses geschlossen, so hat der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch auf die sogenannte Überhangprovision, wenn der Geschäftsabschluss auf die Tätigkeit zurück zu führen ist, die er während des Vertragsverhältnisses ausgeübt hat, und dieser innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung erfolgt, oder wenn die Bestellung des Dritten betreffend das Geschäft vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses beim Unternehmer oder beim Handelsvertreter eingegangen ist.

Die letztgenannte Regelung soll verhindern, dass der Unternehmer das entstehen der Provision vereitelt, indem er eine Bestellung verzögert aufnimmt. Dabei wird für eine Überhangprovision vorauszusetzen sein, dass der Handelsvertreter am Zustandekommen gerade des konkreten Geschäftes mitgewirkt hat, und das es sich weder um die Wiederholung eines Auftrages, den der Handelsvertreter bereits einmal eingeworben hat, noch um einen Auftrag handelt, der auf die generelle Marketingtätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen ist.

Sind hinsichtlich der Überhangprovision beim Nachfolger des Handelsvertreters zugleich die Voraussetzungen einer Abschlussprovision gegeben, so muss geprüft werden, ob es die Umstände rechtfertigen, die Provision zwischen beiden zu teilen.

Ist der Handelsvertreter kein selbständiger Gewerbetreibender, so gilt er gemäß § 84 Abs. 2 zweiter Halbsatz HGB als Angestellter des Unternehmens. Die um den Begriff der Selbständigkeit grenzenden Abgrenzungsfragen sind nur dann von Bedeutung, wenn es sich bei dem Handelsvertreter um eine natürliche Person handelt. Ist der Handelsvertreter eine Handelsgesellschaft, so stellt sich die Abgrenzung zwischen Handelsvertreterstellung und Arbeitnehmereigenschaft nicht. Die Abgrenzung verlangt, im Handelsvertretervertrag unter anderem deutlich zu machen, dass dem Handelsvertreter nach Möglichkeit das Recht zugestanden wird, 20 bis 25 Prozent seines Umsatzes mit sogenannten Diversikationsprodukten zu erzielen der Handelsvertreter für seine Tätigkeit einen eigenen kaufmännischen Gewerbebetrieb anzumelden hat und der Handelsvertreter das Unternehmerrisiko seiner Handelsvertretung trägt.

Handelsvertreter oder Vertragshändler?

In Abgrenzung zum Handelsvertreter ist der Vertragshändler oder auch Eigenhändler ein Kaufmann, dessen Unternehmen in die Vertriebsorganisation eines Herstellers von Markenwaren in der Weise eingegliedert ist, dass er durch Vertrag mit dem Hersteller oder einem von diesem eingesetzten Zwischenhändler ständig übernimmt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risiken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen.

Die wesentlichen Begriffsmerkmale sind somit die auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausgeübt wird und zu einer Eingliederung des Vertragshändlers in die Vertriebsorganisation des Herstellers führt. Damit unterscheidet er sich vom Handelsvertreter, der Geschäfte im Namen des Unternehmers, also im fremden Namen vermittelt oder abschließt. Anders als der Kommissionsagent kontrahiert der Vertragshändler für eigene Rechnung. Vom Verkaufskommissionär unterscheidet er sich dadurch, dass er Waren sowohl kauft als auch weiter verkauft.

Wirtschaftlich wird die Position des Vertragshändlers dadurch gekennzeichnet, dass er als verlängerter Arm des Herstellers Aufgaben eines ausführenden Organs übernimmt. Gleichwohl trifft in das Absatz- und Kreditrisiko. Er muss auf seine Kosten ein Lager unterhalten. Die Gefahr, dass er die eingekaufte Ware nicht oder nur zu einem niedrigeren Preis als dem ursprünglich kalkulierten Preis absetzen kann, geht zu seinen Lasten. Dabei muss gesehen werden, dass ihn oftmals vertragliche Mindestabnahmeverpflichtungen gegenüber dem Hersteller zusätzlich belasten. Häufig anzutreffen ist ein dem Vertragshändler zum Ausgleich eingeräumtes Alleinvertriebsrecht, dass zusätzlich mit einem Gebietsschutz zu seinen Gunsten einhergehen kann. Zur Absicherung der Position des Vertragshändlers ist darauf zu achten, dass der Hersteller die vertragliche Verpflichtung übernimmt, keine weiteren Vertragshändler im Vertragsgebiet einzusetzen und seine Ware auch nicht selbst in dem Vertragsgebiet zu vertreiben oder durch Dritte vertreiben zu lassen. Weitergehende Verpflichtungen des Herstellers, wie etwa die, dafür zu sorgen, dass nicht Dritte in das Gebiet des Vertragshändlers verkaufen, sind nur ausnahmsweise und bei ausdrücklicher Vereinbarung anzunehmen. Verstößt der Hersteller gegen das dem Vertragshändler eingeräumte Alleinvertriebsrecht, macht er sich schadenersatzpflichtig. Der Vertragshändler hat dann Anspruch auf den ihm entgangenen Gewinn.

Vertriebsaktivitäten sogenannter Außenseiter im Vertragsgebiet kann der Vertragshändler unter Umständen mit einem Unterlassungsanspruch aus § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb begegnen. Die anspruchsbegründende Sittenwidrigkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hersteller unter Verstoß gegen die Ausschließlichkeitsbindung dem Außenseiter Vertragserzeugnisse zur Verfügung stellt. Hinzutreten müssen besondere Umstände, die dem Verhalten das Gepräge der Sittenwidrigkeit geben.

Beachtung erfordert der Umstand, dass es sich bei dem Vertragshändlervertrag um einen Rahmenvertrag handelt, der die grundlegenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Hinblick auf die künftige Warenabsatz bezogene Kooperation regelt. Die einzelnen Kaufverträge zwischen Hersteller und Vertragshändler werden in Ausfüllung dieses Rahmenvertrages erst anlässlich der einzelnen Warenlieferungen geschlossen. Sie unterliegen bei Exportgeschäften und deutscher Rechtswahl den Vorschriften des Wiener UN-Kaufrechtes (CISG). Daneben ist der Vertragshändlervertrag als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet. Diese Einordnung des Vertragshändlervertrages hat man sich bei der Abfassung eines Vertrages selbst zu vergegenwärtigen. Der Vertragshändlervertrag enthält somit sowohl kaufvertragliche Elemente als auch dem Handelsvertreter ähnliche Dienstleistungselemente, die ihm seine besondere Problematik verleihen.

Kontakt und weitere Informationen: Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Rechtsanwalt Christian Lentföhr, WSP W.Schuster und Partner GmbH, Wirtschaftsprüfer - Steuerberater, Josephinenstrasse 11-13, 40212 Düsseldorf. Tel: +49 (0)211 / 65 88 10 Fax: +49 (0)211 / 65 81 789, eMail: lentfoehr@wsp.de www.wsp.de (mf)