Viele Standards verzögern den Durchbruch von DVD

03.11.1999

MÜNCHEN: Gerade wird der CD-Brenner erschwinglich, die wiederbeschreibbare CD-RW publik und das CD-Rom-Laufwerk richtig schnell, da behauptet die Industrie, das alles sei Schnee von gestern. Wer wirklich große Datenmengen verwalten muß, sollte jetzt zur Digital Versatile Disk (DVD) greifen. ComputerPartner erklärt was dran ist, an dem neuen Standard.Bis zum Jahr 2002 sollen nach jüngsten Marktstudien bereits 100 Millionen DVD-Rom-Laufwerke im Einsatz sein, davon 35 Millionen in Europa. Ein Anteil von 800.000 Laufwerken soll bereits wiederbeschreibfähig sein.

Äußerlich gibt es auf den ersten Blick keine Unterschiede zu dem bereits in den meisten Rechnern installierten CD-Rom-Laufwerk. Im Gegensatz zur herkömmlichen Silberscheibe können sich auf der DVD aber bis zu vier Schichten mit Daten befinden. Der Vorteil: Eine enorme Erhöhung des Speicherplatz-Angebots. Satte 17 Gigabyte passen auf eine DVD - soviel wie auf die größten Festplatten. Dabei ist der Datenträger kaum teurer in der Produktion als die herkömmliche CD. Und genau hier spielt die Musik: Die Prognose, daß in zwei bis drei Jahren ein so riesiger Datenspeicher um zehn Mark (oder sechs Euro) zur Verfügung steht, ist sicher nicht aus der Luft gegriffen.

Der Druck, dieses Speichermedium zu entwickeln kam von seiten der Video-Industrie, die endlich das veraltete VHS-System mit seinem analogen Verschleiß und der schwachen Bildqualität zu Grabe tragen und durch ein Digitalmedium ersetzen wollte. Um jedoch Kinoepen wie "Ghandi" oder "Ben Hur" ruckelfrei und vor allem in voller Länge auf einem Medium unterbringen zu können, mußte der Datenträger etwa neun Gigabyte speichern können - und das mit einer Übertragungsrate von mindestens 1,8 Megabyte pro Sekunde. Umgerechnet auf klassische CD-Roms bräuchte man da 14 Scheiben und ein Laufwerk mit 36facher Geschwindigkeit. 36fach heißt im Jargon, daß die CD sich 36mal so schnell dreht wie im Ur-Laufwerk der ersten Generation.

Dennoch, auch neun Gigabyte würden bei weitem nicht ausreichen, wenn die Daten nicht mit modernsten Methoden komprimiert würden. "Mpeg-2" heißt das Schlagwort. Mit dieser Technik ist auf der Scheibe sogar noch soviel Platz, daß gleich mehrere Tonspuren in diversen Sprachen und kinotauglichem Dolby-Surround-Sound mit aufgezeichnet werden. Kurzum, dieses Speichermedium ist groß genug, um endlich auch Bewegtbilder in bester Qualität verarbeiten zu können. Eine Innovation auf der Bildebene, die in etwa der CD im Audiobereich vor 14 Jahren entspricht.

Die Vorteile

Die Kapazität der Digital Versatile Disk ist so groß, daß selbst Videoprojekte, derzeit eine der speicherintensivsten Anwendungen, damit bewältigt werden können. Und der Nutzer kann mit dem gleichen Laufwerk zudem seine alten CD-Roms und -Rams weiter verwenden, denn die DVD-Laufwerke sind zu den älteren Scheibenstandards generell kompatibel. Außerdem wächst hier die Unterhaltungselektronik mit der Computertechnik zusammen: Im Wohnzimmer steht zukünftig statt des VHS-Rekorders eine DVD-Aufzeichnungsmaschine - deren Daten lassen sich theoretisch dann im Rechner weiterverarbeiten. Mit einer MPEG-2-Dekoderkarte lassen sich heute schon Spielfilm-DVDs im Rechner betrachten.

Die Hardwareanforderungen

Was braucht der Kunde nun, um über das DVD-Laufwerk Spielfilme auf den Monitor zu bringen? Allgemein gesagt: einen Pentium-Rechner mit 133 Megahertz oder schneller, 32 Megabyte RAM, zwei MB freien Speicherplatz auf der Festplatte, eine Soundkarte, die 16-Bit-Soundblasterkompatibel ist, Stereolautsprecher, Windows 95 (ab OSR-2), und einen freien PCI-Steckplatz für die Mpeg-2-Dekoderkarte. Wird zusätzlich noch Surround-Sound gewünscht, benötigt der Kunde zudem einen AC-3- oder Dolby-Prologic-kompatiblen Verstärker mit einer entsprechenden Anzahl von Lautsprechern.

Speicherplatz

Kurz nachdem die Video-DVD dem staunenden Publikum serviert wurde, erschienen bereits die ersten PC-Laufwerke. Zunächst nur als Abspielmedium, doch in jüngster Zeit auch aufnahmefähig. Diese DVD-Scheiben erreichen eine etwas geringere Speicherkapazität (2,6; 4,7 oder 5,2 Gigabyte), je nachdem ob sie einmal oder mehrmals beschreibbar sind (siehe Kasten: "DVD ê la carte").

Dieses System dürfte schon bald allen externen Speichermedien (Zip, Jaz, Ditto et cetera) den Garaus machen.

Noch nicht alles Gold, was glänzt

Wendet man sich von der begeisternden Theorie der schnöden Praxis zu, entdeckt man wie bei jedem neuen System Kinderkrankheiten:

"Kein Mensch weiß, mit welchen Laufwerken doppelseitige, zweischichtige DVDs lesbar sein werden, denn bislang hat keiner diese Scheiben mit optimaler Systemausnutzung (17 GB) gesehen. Angekündigt sind sie aber noch für 1999. Welches Laufwerk soll der Handel also seinem Kunden empfehlen?

"Der DVD-Audio-Standard, der die Soundqualität der CD nochmals verdoppeln soll (zumindest rechnerisch), wurde gerade erst verabschiedet. Ältere Laufwerke können damit nichts anfangen.

"Einige DVD-Rom-Laufwerke können beschreibbare CD-Rs lesen, andere nicht. Das hängt mit dem eingesetzten Laser und dem Linsensystem zusammen. In der Beschreibung zum jeweiligen Laufwerk sollte immer auch eine Angabe stehen, ob das DVD-Laufwerk CD-Rs und CD-RWs lesen kann.

"Vorsicht vor Schnäppchenposten und Lagerräumungsaktionen der Distis: Geräte der ersten Generation sind nicht in der Lage, wiederbeschreibbare DVDs zu lesen. Das erste DVD-Ram-kompatible Laufwerk wurde gerade von Panasonic vorgestellt.

Allerdings bezieht sich diese Kompatibilität nur auf einseitig beschriebene DVD-Rams mit 2,6 GB Speicherkapazität. 4,7-oder 5,2-GB-Scheiben bleiben zunächst außen vor.

Kampf um den Standard

Im wiederbeschreibbaren DVD-Medienbereich kämpfen derzeit zwei Lager um den Standard der Zukunft: Der vom DVD-Konsortium verabschiedete DVD-Ram-Standard erlangt gerade die Marktreife. Mit diesem Standard arbeitende Geräte gibt es momentan von Panasonic, Pioneer, Hitachi und Toshiba. Dieses 1.000 Mal wiederbeschreibbare System kann aber nicht in DVD-Rom-Laufwerken und Videoplayern gelesen werden. Schon allein deshalb nicht, weil DVD-Ram-Scheiben (um 100 Mark) in Caddys verpackt sind, also physikalisch gar nicht in den Einschub passen. Daneben ist das Betriebssystem, das für die Positionierung des Lasers auf der Scheibe verantwortlich ist - unterschiedlich (siehe Grafik: "Kompatibilität beim Abspielen").

Im Detail gestaltet sich die Markteinführung der DVD-Ram noch diffiziler: Momentan gibt es die Ram-Laufwerke der ersten Generation mit einer Kapazität von 2,6 und - wenn beidseitig beschrieben - 5,2 Gigabyte. Wie gesagt, ist die 2,6-GB-Version aus ihrem Caddy entfernbar und in modernen Rom-Laufwerken abspielbar. Nicht aber in DVD-Videoplayern. Die 5,2-GB-Version kann überhaupt nicht mit Besitzern von Nur-Abspiel-Laufwerken ausgetauscht werden. Nun soll es im Herbst dieses Jahres leistungsfähigere DVD-Ram-Laufwerke mit 4,7 GB pro Seite geben. Diese zweite Generation arbeitet mit einer anderen Technik. Ob sie mit aktuellen Rom-Laufwerken kompatibel sein wird, ist unklar. Immerhin soll sie Daten, die auf DVDs in Maschinen der ersten Entwicklungsstufe gespeichert wurden, lesen können.

Um volle Kompatibilität zu erreichen, propagieren nun folgende Firmen einen DVD+RW-Standard: Philips, Sony, HP, Mitsubishi, Ricoh und Ya-maha. Dieser Standard ist aber leider bisher nicht vom DVD-Konsortium verabschiedet. Erste Geräte sollen im kommenden Herbst verfügbar sein.

Softwareschutz mit Hindernissen

Videos und Spiele haben ein ausgefeiltes Schutzsystem. Vorgefertigte DVD-Silberlinge werden sich - zumindest im Video- und Spielebereich - kaum von Player zu Player kopieren lassen. Auch auf Festplatte nicht, da die Daten verschlüsselt sind und sich erst beim Abspielen entpacken. Verständlich, daß Raubkopierern das Leben schwer gemacht werden muß, da digitale Kopien bekanntermaßen verlustfrei sind.

Weniger verständlich ist die Codierung von DVD-Rom- und DVD-Video-Scheiben mit einem Ländercode. Jeder Kontinent hat grob gesagt seinen eigenen Schlüssel. Das Schloß dazu ist das DVD-Laufwerk. Passen Schlüssel und Schloß nicht zusammen, guckt der Nutzer buchstäblich in die Röhre. Ein Laufwerk, das nicht für den europäischen Markt gebaut wurde, kann die hierzulande angebotene Software also nicht verstehen. Umgekehrt sträubt sich das heimische Laufwerk gegen Spielfilme beispielsweise aus den USA. Auf den Softwareverpackungen muß also die Länderkennzahl 2 oder 0 (Frei) angegeben sein. Erst dann gelangen die Bilder auf den Schirm.

Die momentan herrschende Verwirrung bei Handel und Kunden ist industriegemacht. Speziell für speicherintensive Anwendungen ist dem Kunden eine zusätzliche SCSI-Festplatte allemal eher zu empfehlen als die momentan noch sündhaft teuren DVD-Ram-Lauferke, die an mangelnder Kompatibilität kranken. Ende des Jahres könnte sich aber bereits abzeichnen, welcher DVD-Laufwerkstandard schlußendlich das Rennen machen wird. Vorher wird DVD als Massenspeicher kaum richtig zum Fliegen kommen. (mb/akl)

Warum einfach, wenn's auch umständlich geht: Zu viele DVD-Standards verwirren Handel und Endkunde.

DVD-Video-Abspielgeräte gibt es mittlerweile von jedem Unterhaltungselektronik-Hersteller. Die Aufnahmefunktion läßt allerdings noch auf sich warten.