Vom Anbieter kostenloser Web-Tools zur B2B-Softwareschmiede

21.11.2002
Die Zeiten als Anbieter von kostenloser Online-Übersetzungssoftware sind für Babylon seit vergangenem Jahr vorbei.Das Unternehmen veränderte sein Geschäftsmodell und will nun Geld verdienen. Im deutschen Markt streckt die MünchenerVertriebsniederlassung gerade ihre Fühler in Richtung Handel aus.

Beim Namen Babylon fallen Anwendern zwei Dingeein: "Übersetzungstool für Deutsch/Englisch oder umgekehrt" und "kostenlos übers Web verfügbar". Dass das israelische Unternehmen mittlerweile eine strategische Kursänderung in Richtung professionelle Aufstellung vorgenommen hat, haben viele nicht bemerkt. "Sicher profitieren wir heute von der Marke, die sich seit 1997 in den Köpfen festgesetzt hat. Viele Kunden kennen uns daher bereits, was ein klarer Vorteil ist", sagt Reinhard Dobelmann, seit 1. Oktober 2001 Geschäftsführer der Babylon GmbH in Ismaning bei München.

Im Februar 2001 orientierte sich das Mutterunternehmen um und führte kostenpflichtige Softwarelizenzen ein. Die abgestuften Lizenzmodelle orientierten sich dabei in erster Linie an den Bedürfnissen von Unternehmenskunden verschiedener Größe - vom Mittelstand bis zu global agierenden Konzernen.

Das Verkaufsargument ist dabei einfach: "Jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen braucht eigene Nachschlagwerke", meint Dobelmann. Aber nicht jeder sei automatisch an seinem Arbeitsplatz online und habe so Zugriff auf kostenlose Internetdienste, fügt der Geschäftsführer hinzu. Und Babylon biete den Vorteil, Anwender auch offline mit den gewünschten Informationen zu versorgen (siehe Kasten).

Heute orientiert sich Babylon in zwei Richtungen: Einerseits werden Kooperationen mit etablierten Verlagen oder so genannten Content-Anbietern abgeschlossen, in Deutschland beispielsweise mit der Bertelsmann-Tochter Wissen Media Verlag GmbH. Verhandlungen mit anderen namhaften Häusern der deutschen Verlagsszene laufen noch. Der generierte Umsatz zwischen Babylon und dem beteiligten Verlag wird dann "in der Regel 50 zu 50" (Dobelmann) geteilt.

Auf der anderen Seite stehen die verschiedenen Lizenzangebote für den Kunden und die darauf basierende Vertriebspolitik. Im deutschsprachigen Raum verkauft dasUnternehmen seine Produkte zweigleisig: zu 80 Prozent direkt an Unternehmenskunden und 20 Prozent über Partner. "Ein wichtiger Punkt für die geringe Umsatzbeteiligung über Reseller ist die Tatsache, dass das aktuelle Modell und das damit verbundene Potenzial vielen Händlern noch nicht bekannt ist", wirbt Dobelmann in Richtung potenzieller Kunden von der Wiederverkaufsfront. Allerdings fügt der Geschäftsführer hinzu, dass Babylon bereits "Aufträge im sechsstelligen Bereich über Reseller" abgewickelt habe.

Einen ersten Schritt in Richtung Channel hat Babylon bereits unternommen: den Vertrieb reorganisiert und für das erste Quartal 2003 ein Händlerprogramm in Aussicht gestellt. "Wir haben bisher unseren Vertrieb in DirectSales und Channel Sales unterteilt. Diese Struktur haben wir jetzt aufgebrochen und unseren Vertrieb für die DACH-Region vertikal nach Kundengruppen wie beispielsweise Key Accounts oder Mittelstand segmentiert", erklärt Dobelmann und ergänzt: "Bei den Premium-Resellern sieht es schon ganz gut aus; aber mittelständische Händler fehlen uns noch."

www.babylon.com

ComputerPartner-Meinung:

Die Wendung zum professionellen Unternehmen - mit Umsatz- und Gewinnorientierung - ist Babylon gelungen. Jetzt folgt, zumindest für die deutsche Niederlassung, die mühsame Aufbauarbeit, inklusive entsprechender Vertriebsstrategie. Nur eine Interessenserklärung in Richtung Channel wird nicht ausreichen, die angekündigte Strategie muss auch - gerade im deutschen Markt - gelebt werden. (ch)

Babylon GmbH

Facts & Figures

Als eigenständige GmbH ist Babylon seit 1. Oktober 2001 in München vertreten. Heute beschäftigt die Vertriebsniederlassung sechs Mitarbeiter plus Freiberufler. Nach Angaben von Geschäftsführer Reinhard Dobelmann arbeite man bereits nach einem Jahr Marktpräsenz "profitabel". Konkrete Umsatzzahlen will er nicht nennen und verrät nur so viel: "Trotz IT-Krise und Investitionsstopp wachsen wir von Quartal zu Quartal - ohne Ausnahme im zweistelligen Bereich." Als Referenzkunden, die mit Babylon arbeiten, gibt Dobelmann beispielsweise FSC, Philips und Braun an. Als Produkte führt das Unternehmen im Portfolio:

- Babylon-Pro: als Informationsplattform. Sie bietet nach Herstellerangaben einzelne Wortübersetzungen und Informationen aus rund 1.500 Wörterbüchern sowie Lexika für verschiedene Fachbereiche in 60 Sprachen sowie Umwandlungen von Währungen, Zeitzonen oder Maßeinheiten.

- Babylon-Corporate: als Intranet-Version. Sie wird für den internen Einsatz im Unternehmen auf zentralen Servern installiert und benötigt keinen Internetzugang. Die Corporate-Version ermöglicht außerdem die Integration firmeneigener Wörterbücher mit Terminologien und Abkürzungen. (ch)