Unrichtige Darstellung des Sachverhalts

Vorgetäuschter Unfall und die rechtlichen Folgen

06.03.2015 von Renate Oettinger
Findet eine wahrheitswidrige Schilderung eines Unfallereignisses statt, kann unter bestimmten Bedingungen die Prozesskostenhilfe verweigert werden.

Ein Gericht kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die begünstigte Partei die für die Bewilligung maßgeblichen Voraussetzungen durch eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung - wie z.B. die wahrheitswidrige Schilderung eines unfreiwilligen Unfallereignisses - vorgetäuscht hat. Darauf verweist der Kieler Rechtsanwalt Jens Klarmann, Präsident des VdVKA - Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 24.11.2014 zu seinem Beschluss vom 14.11.2014 (Az. 9 U 165/13).

Schadensersatz für vermeintlichen Verkehrsunfall

Der Fall: Dem heute 35 Jahre alten Kläger aus Hamm war für ein erstinstanzliches Klageverfahren vor dem Landgericht Münster und ein Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit der zugrunde liegenden Klage begehrte der Kläger von den Beklagten Schadensersatz für einen vermeintlichen Verkehrsunfall, der sich im Oktober 2011 in Münster ereignet hatte. Bei diesem war das Fahrzeug der Beklagten, ein Pkw BMW, auf das klägerische Fahrzeug, ein Pkw Mercedes Benz, aufgefahren. Die Schadensersatzklage wies der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nach durchgeführter Beweisaufnahme mit Urteil vom 26.8.2014 rechtskräftig ab, nachdem die Beweisaufnahme ergeben hatte, dass der Kläger den Auffahrunfall provoziert hatte. Deswegen konnte er keinen Schadensersatz beanspruchen, weil er in die Beschädigung seines Fahrzeugs durch die Beklagten eingewilligt hatte.

Wer ein Unfallereignis wahrheitswidrig schildert, muss mit empfindlichen juristischen Nachteilen rechnen.
Foto: Daniel Bujack, Fotolia.com

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Kläger nunmehr auch die für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren jeweils bewilligte Prozesskostenhilfe widerrufen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Partei sei zwar nicht stets dann aufzuheben, wenn die im Rechtsstreit durchgeführte Beweisaufnahme zu Ungunsten dieser Partei verlaufen sei. Ergebe sich aus der Beweisaufnahme aber, dass eine Partei falsch vorgetragen habe und wäre ihr Prozesskostenhilfe ohne diesen falschen Vortrag nicht gewährt worden, könne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben werden. Im vorliegenden Fall sei die Darstellung des Klägers objektiv unrichtig gewesen, weil er ein unfreiwilliges Unfallereignis zur Klagebegründung vorgetragen habe. Aufgrund der rechtskräftigen Feststellungen des Senats im Urteil vom 26.08.2014 stehe allerdings fest, dass der Kläger das Unfallereignis provoziert und darüber hinaus das durch den Auffahrunfall entstandene Schadensbild vertieft habe.

Anmerkung

Nach dem Urteil des Senats vom 26.8.2014 hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen. Durch den Prozess sind ca. 12.000 Euro Sachverständigenkosten entstanden sowie - nach einem Streitwert von ca. 9.500 Euro - ca. 1.700 Euro Gerichtskosten und ca. 7.100 Euro Rechtsanwaltskosten angefallen.

Klarmann empfiehlt, dies zu beachten und in ähnlichen Fällen ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. - www.vdvka.de - verweist.

Weitere Informationen und Kontakt: Jens Klarmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Präsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VdVKA - Verband Deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V., c/o Passau, Niemeyer & Collegen, Walkerdamm 1, 24103 Kiel, Tel.: 0431 9743030, E-Mail: j.klarmann@pani-c.de, Internet: www.pani-c.de

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