Vortrag und Rede: Stimmungstöter oder Ohrenschmaus?

05.10.2007 von Ingo Vogel
Bei vielen Reden denken die Zuhörer bereits nach wenigen Sätzen nur noch an Eines: an das Buffet. Mit einigen kleinen Kniffen verwandeln Sie die gähnende Langeweile ihres Publikums in gespanntes Lauschen.

Der Saal ist geschmückt. Die Häppchen stehen parat. Die Gäste sind pünktlich erschienen. Nun harren alle der Dinge, die da kommen. Der Redner tritt ans Pult und spricht die ersten Worte. Alle lauschen ihm gebannt. Doch nach zwei, drei Minuten erlahmt das Interesse. Und die Zuhörer fragen sich im Stillen: Wann wird endlich das Büffet eröffnet?

Dieses Phänomen kann man in den kommenden Wochen wieder häufig beobachten. Denn in der Zeit vor und nach dem Jahreswechsel haben Reden und Vorträge Hochsaison. Schließlich gehört die Chef-Ansprache zum obligatorischen Programm jeder Weihnachtsfeier. Oft empfinden die Zuhörer sie allerdings eher als "sättigende Beilage", denn als Ohrenschmaus.

Dabei können Redner ihr Publikum relativ leicht begeistern, wenn sie einige Richtlinien beachten. Denn die Zuhörer blicken der Rede im Allgemeinen mit Spannung entgegen und lassen sich gerne positiv überraschen.

Untersuchungen zeigen: Der Erfolg einer Rede hängt vorwiegend davon ab, ob der Redner die Sympathie des Auditoriums gewinnt. Wichtig sind auch der Aufbau und die dramaturgische Gestaltung des Vortrags. Der Inhalt der Rede hat auf ihre Bewertung hingegen einen eher geringen Einfluss. Vereinfacht könnte man sagen: Der Redner muss vor allem einen Draht zum Publikum finden und seine Inhalte gut verpacken. Was er sagt, ist zweitrangig.

Authentisch sein

Die entscheidende Frage ist: Wie gewinnt ein Redner die Sympathie der Zuhörer? Vor allem dadurch, dass er authentisch wirkt. Die Rede sollte ihm also auf den Leib geschneidert sein. Es wirkt wenig glaubwürdig, wenn ein Erbsenzähler sich als Witzbold präsentiert oder wenn sich ein Einzelkämpfer verbal mit allen Anwesenden verbrüdert. Das wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig. Die Zuhörer gehen auf Distanz.

Ein Redner gleicht einem Reiseführer. Er nimmt seine Zuhörer mit auf eine Gedankenreise - zum Beispiel durch das vergangene Jahr. Also sollte er sich im Vorfeld überlegen: Was ist der Anlass der Reise? Wohin soll sie gehen? Und wer nimmt an der Reise teil? Erst danach sollte er das Reiseprogramm - also Inhalt und Ablauf der Rede - planen. Eine Ansprache bei einer Weihnachtsfeier ist anders konzipiert als eine Neujahrsrede. Bei einer Weihnachtsfeier steht das gemeinsame Feiern im Vordergrund. Bei einem Neujahrsempfang hingegen sollen die Zuhörer oft schon auf die Herausforderungen des neuen Jahres eingestimmt werden. Also kann diese Rede mehr Informationen und Appelle an das Publikum enthalten.

Bereits während der Planung sollte der Redner wissen: Wen will ich erreichen? Sind die Zuhörer vorwiegend Mitarbeiter, die den Chef nur selten sehen, sollte die Rede anders gestaltet sein, als wenn das Auditorium nur aus Führungskräften besteht, mit denen der Chef fast täglich konferiert.

Ebenfalls wichtig: Welche Beziehung besteht zwischen den Zuhörern? Kennen sie sich gut oder sehen sie sich nur einmal jährlich? Gehören sie derselben Organisation an? Wenn die Anwesenden Tag für Tag zusammenarbeiten, haben sie auch gemeinsame Erfahrungen, die der Redner ansprechen kann. Sehen sie sich hingegen nur ein Mal im Jahr, muss er auf andere Elemente zurückgreifen, um ihr Ohr zu finden. Zum Beispiel die Entwicklung der Branche, der alle angehören. Oder die gemeinsamen schlechten Erfahrungen mit der Zahlungsmoral der Kunden.

Mit den Zuhörern kommunizieren

Ein guter Redner kommuniziert mit seinen Zuhörern - selbst wenn nur er spricht. Dies funktioniert vor allem über die Augen, indem er häufig den Blickkontakt mit dem Auditorium sucht. Deshalb sollten Vorträge so frei wie möglich vorgetragen werden.

Wichtig ist auch, dass der Redner das Publikum immer wieder persönlich anspricht. Nicht, indem er alle zwei bis drei Minuten die Floskel "Meine sehr verehrten Damen und Herren" verwendet, sondern indem er den Zuhörern zum Beispiel rhetorische Fragen stellt wie "Kennen Sie folgende Situation, ..." oder "Vielleicht geht es auch Ihnen so ...". Gut ist, wenn die Zuhörer Beispiele aus ihrer eigenen Erfahrungswelt in der Rede entdecken können. Auch ein Schuss Humor und Selbstironie tut jeder Rede gut.

Folgende Maxime gilt prinzipiell bei jedem Vortrag: Je kürzer, desto besser. Eine Festrede zur Weihnachtsfeier sollte nicht länger als zehn, maximal fünfzehn Minuten dauern und höchstens drei Kernbotschaften enthalten. Zum Beispiel: Die Arbeitsplätze sind sicher. Unser Unternehmen sieht einer rosigen Zukunft entgegen. Dass es unserem Betrieb so gut geht, verdanken wir dem Einsatz aller Mitarbeiter.

Knackig einsteigen, feurig enden

Wie aufmerksam das Publikum zuhört, hängt weitgehend vom Einstieg ab. Gute Einstiege sind Anekdoten - zuweilen auch ein Witz. Ein Beispiel: Ein Franzose, ein Deutscher und ein Engländer werden zum Tode verurteilt. Alle haben einen letzten Wunsch frei. Zuerst der Franzose: "Ich möchte noch einmal die Marseillaise hören." Dann der Deutsche: "Ich möchte eine Rede halten." Schließlich der Engländer: "Ich möchte erschossen werden, bevor der Deutsche mit seiner Rede beginnt."

Der Aufbau einer Rede sollte zudem eine gewisse Dramaturgie enthalten. Im besten Fall strebt jeder Satz auf ein großes Finale hin, das dafür sorgt, dass die Rede dem Publikum im Gedächtnis bleibt - ähnlich wie bei einem Feuerwerk.

Kurze Sätze und aktive Sprache

Auch sollte der Redner kurze Sätze verwenden. Schachtelsätze mit mehreren Nebensätzen sind schnell unverständlich. Sie enthalten zudem die Gefahr, dass man sich verheddert und hängen bleibt. Oft ist dann bei ungeübten Rednern auch der Rest der Rede gelaufen. Sie werden nervös und verhaspeln sich immer häufiger. Und irgendwann wartet das Publikum nur noch auf den nächsten Versprecher.

Die kurzen Sätze erreicht man, indem man aktive Sprache verwendet. Also zum Beispiel "Wir planen ..." statt "Unsere Planung sieht vor ..." Substantivierte Verben wie "Durchführung", "Neuorientierung" und "Maximierung" deuten darauf hin, dass diese Aussage einfacher und verständlicher formuliert werden kann.

Redesicherheit gewinnt man vor allem durch Routine und eine gute Vorbereitung. Hierzu zählt unter anderem das laute Üben der Rede. Insbesondere der Einstieg, das Ende sowie die Übergänge zwischen den Redepassagen sollte man auswendig kennen. Wer beim Üben die Dauer der Rede stoppt, merkt zudem schnell, wann es Zeit wird, das Buffet zu eröffnen. Ingo Vogel

Zum Autor: Ingo Vogel, Esslingen, ist Rhetoriktrainer. Er ist Autor des Buchs "So reden Sie sich an die Spitze", Econ-Verlag. Mehr Informationen: Tel. 0711/7676-303; E-Mail: info@ingovogel.de; Internet: www.ingovogel.de