Warum Firmen die Luft ausgeht

23.11.2005
Macht Eigenkapitalschwäche anfällig für Insolvenzen? Sind international agierende Firmen gesünder? Ist Umlaufvermögen eine Lust oder eine Last? Eine Studie der KfW Bankengruppe greift diese und andere Fragen auf.

In einer Marktwirtschaft sind Firmenpleiten alltäglich. Neue Unternehmen werden gegründet, andere verschwinden vom Markt. Weil sich zum Beispiel Verbrauchergewohnheiten ändern oder Ressourcen anderweitig bessere Verwendung finden. Soweit das Ideal. Doch die Wirklichkeit kennt eben auch Marktmacht, Zahlungsverzug und Konjunkturschwankungen als Ursache für Firmenzusammmenbrüche. Selbst kerngesunde Firmen können ins Wanken geraten und mit ihnen an sich konkurrenzfähige Arbeitsplätze. Wer Risikofaktoren für Pleiten möglichst frühzeitig erkennt, kann vorbeugen und gegensteuern

Gründerboom und Pleitenrekord

In den 90er Jahren ist die Zahl der Insolvenzen in Deutschland kräftig angestiegen, und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zum Unternehmensbestand. Seit 2000 hat sich diese Entwicklung dann sogar noch verstärkt. In den neuen Ländern schlugen vor allem die Pleiten im Bausektor zu Buche. Zudem wurden häufig sehr junge Firmen zahlungsunfähig. Der Umstand, dass nicht alle Unternehmen gleichmäßig von Insolvenzen betroffen sind, sondern Pleiten in einigen Bereichen der Unternehmenslandschaft gehäuft auftreten, legt die Suche nach den Ursachen nahe.

In einer Untersuchung der KfW Bankengruppe "Warum Firmen Pleite machen" wurden relevante Einflussgrößen identifiziert und deren Wirkung auf das Insolvenzgeschehen gemessen, u. a. anhand unternehmensinterner Messgrößen wie Eigenkapitalausstattung, Umsatz oder Zinsaufwand. Aber auch externe Faktoren wie Marksituation, Branchenkonjunktur und regionale Besonderheiten wurden in di Betrachtung einbezogen. Insgesamt wurden über 30.000 Jahresabschlüsse ausgewertet.

Wer viel schreibt, der bleibt

Zuerst die gute Nachricht: Unternehmen, die gute Umsätze schreiben, sind viel weniger insolvenzgefährdet als solche mit stagnierenden Umsätzen. Für die Umsatzrendite, also das Verhältnis von Umsatz und erzieltem Gewinn, gilt dies so uneingeschränkt nicht. Eine höhere Umsatzrendite, so ein Ergebnis der KfW-Untersuchung, schlägt sich nicht automatisch in höherer Bestandsfestigkeit nieder. Bis zu einem gewissen Grad kann sie durchaus als Gütesiegel für eine professionelle Unternehmensführung gewertet werden. Aber darüber hinaus mischen sich vermehrt Risikofaktoren in das positive Bild. Mehr als die absolute Höhe wirkt sich die Dynamik der Umsatzrendite aus. Konnte das Unternehmen

seine Rendite verbessern, so blieb die Wahrscheinlichkeit, Insolvenz anmelden zu müssen, knapp 50 Prozent unter den Werten von ansonsten gleichen Unternehmen mit rückläufiger Rendite.

Dichtung und Wahrheit

Gemeinhin gilt: Wer wenig Eigenkapital sein Eigen nennt, der gehört a priori zu den Ausfallkandidaten der Branche. Doch dies trifft in dieser allgemeinen Form nicht zu. Denn wichtiger als die absolute Eigenkapitalquote ist deren Veränderung. Konnte ein Durchschnittsunternehmen seine Quote verbessern, so sank die Insolvenzgefahr dadurch um rund 40 Prozent. Mit anderen Worten: Ein ausreichender Eigenkapitalpuffer kann zwar temporäre Schwierigkeiten überbrücken helfen, eine Fehlausrichtung des Unternehmens oder Mängel der Unternehmensführung lassen sich damit aber nicht heilen.

Die KfW-Studie zeigt, wie wichtig der Zinsaufwand und vor allem sein Zustandekommen für den Unternehmenserfolg sind und erteilt damit zugleich der allseits verbreiteten Finanzierung größerer Anschaffungen über Kontokorrentkredite der Hausbank eine deutliche Absage. Ein größeres Umlaufvermögen erhöht demgegenüber die Bestandsfestigkeit, weil im Umlaufvermögen liquiditätsnahe Positionen enthalten sind, die zur Liquiditätssicherung beitragen. Auch Exportweltmeister sind im übrigen nicht vor Firmenpleiten geschützt. Zwar werden Unternehmen mit Absatzschwerpunkt im Ausland seltener insolvent. Doch dieser Effekt wirkt nicht unbegrenzt. Ab einer gewissen Schwelle steigt mit zunehmender Exportquote auch die Insolvenzwahrscheinlichkeit an. So führt eine um ein Prozent höhere Exportquote immerhin noch zu einer Erhöhung der Insolvenzwahrscheinlichkeit um 0,5 Prozent. Und mit noch einer Überraschung wartet die KfW-Studie auf: Betriebe, deren Absatzmarkt regional begrenzt ist, sind regelmäßig bestandsfester als bundesweit tätige. Hier spielen möglicherweise die größere Nähe zum Kunden und der damit verbundene geringere logistische und organisatorische Aufwand eine Rolle.

Immer schön flüssig bleiben

Laut KfW-Untersuchung ist die Wahrscheinlichkeit, für ein Unternehmen mit Liquiditätsproblemen zu scheitern, 25-mal höher als bei guter Liquidität. Offenbar wirken sich Liquiditätsprobleme deutlich gravierender auf die Bestandsfestigkeit von Unternehmen aus, als weithin angenommen wird. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu beobachten, dass für rund 20 Prozent der

Insolvenzen allein exogene Faktoren, wie etwa Forderungsverluste oder der Ausfall eines Großabnehmers, verantwortlich gemacht werden. Offenbar sind auch ansonsten gesunde Unternehmen in einem solchen Fall häufig nicht in der Lage, die Krise aus eigener Kraft zu überwinden.

Erfolgsfaktor Unternehmerpersönlichkeit

Schlechtes Management und mangelnde Führungsqualitäten werden häufig als Insolvenzursache Nummer Eins genannt. So kommt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium zu dem Ergebnis, dass rund 80 Prozent der Pleiten selbstverschuldet sind.

Danach werden mit Abstand die meisten Fehler bei Absatzplanung (falsche Markteinschätzung) und Finanzierung (zu hoher Fremdkapitaleinteil und nicht fristenkongruente Finanzierung) gemacht. Doch die vermeintliche Hiobsbotschaft hat auch ihre gute Seite. Wenn nur 20 Prozent der Pleiteursachen vom Unternehmer quasi nicht beeinflussbar sind, bleibt im Umkehrschluss ein respektables Handlungsfeld, um Schieflagen rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können. Die Möglichkeit, sich gegen vermeintlich Unabwendbares zu wappnen (... der Markt, die schwache Nachfrage, die Billigkonkurrenz aus Fernost) ist offenbar viel größer als bisweilen angenommen.

Auch die Untersuchung der KfW Bankengruppe kommt zu dem Ergebnis, dass es die zentrale Ursache für Insolvenzen nicht gibt. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass jede einzelne Ursache für sich genommen nur eine geringe Wirkungskraft hat. Erst das Zusammentreffen mehrerer Ursachen, respektive die Kumulierung der Risikofaktoren, führen zur Zahlungsunfähigkeit. Grund genug, die relevanten Faktoren fest im Auge zu behalten. (mf)