Marktbedingungen ändern sich schnell

Warum Sie zum Selbstmanager werden sollten

27.11.2012
In der I&K-Branche lastet ein besonders großer Druck insbesondere auf den Führungskräften und Projektmanagern. Wer in diesem Umfeld überleben möchte, muss auch ein guter Selbstmanager sein, sagt Bernhard Kuntz.
Wer lernt, mit Stress und Druck umzugehen, braucht keine Medikamente.
Foto: MEV Verlag

"Mein Arbeitsalltag wird immer stressiger. Ich stoße zunehmend an meine Belastungsgrenze." Solche Klagen vernimmt man oft von Führungskräften und Projektverantwortlichen in IT-Unternehmen. Das ist kein Zufall! Davon ist Hans-Jörg Schumacher, Leiter des Geschäftsbereichs Leadership Develop-ment bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, überzeugt. Denn keine andere Branche sei so stark von "disruptiven", nicht nur technologischen Entwicklungssprüngen geprägt wie die Informations- und Kommunikationstechnologiebranche. Entsprechend groß sei der Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen laste.

Das könne man schon daran sehen, betont Schumacher, dass viele Unternehmen, die noch vor wenigen Jahren als "Benchmark" nicht nur in ihrer Branche galten, heute als Krisen-, wenn nicht gar Sanierungsfall gelten. Als Beispiele nennt der Berater die Unternehmen Nokia und Research in Motion. Auch dass insbesondere die Führungskräfte und Projektverantwortlichen über einen sehr hohen Arbeitsdruck klagen, ist für ihn kein Zufall. Denn aufgrund der stets vernetzteren Strukturen in den Unternehmen und der immer flacher werdenden Hierarchien liefen auf ihren Schreibtischen immer mehr Fäden zusammen. "Daraus resultiert ein erhöhter Koordinierungs- beziehungsweise Managementaufwand."

Lernen, mit dem Stress zu leben

Hierüber zu klagen, bringt wenig. Davon ist Schumacher überzeugt, "denn an dieser Situation wird sich aufgrund der Marktdynamik wenig ändern". Umso wichtiger sei es, dass die Betroffenen sich - alleine oder mit Unterstützung des Unternehmens - Techniken und Strategien aneigneten, um mit dem Stress umzugehen beziehungsweise ihren Arbeitsalltag so zu strukturieren, dass in ihm weniger Stress entsteht.

Ähnlich sieht dies Julia Voss, Geschäftsführerin des Hamburger Trainings- und Beratungsunterneh-mens Voss+Partner. Sie konstatiert gerade im Kontakt mit Technologieunternehmen immer wieder, dass deren mittlere Führungskräfte nicht ausreichend für ihre Führungsfunktion qualifiziert sind. "Viele definieren sich immer noch primär über ihr fachliches Know-how." Die Folge: Sie reißen noch viele Fachaufgaben an sich "statt diese an ihre Mitarbeiter zu delegieren und sich weitgehend auf ihre Führungs- und Steuerungsaufgaben zu konzentrieren". Hier, so ihre Überzeugung, besteht in vielen Technologieunternehmen noch ein großer Qualifizierungsbedarf.

Lernen, den Stress zu reduzieren

Ähnlich verhält es sich bezogen auf die Projektverantwortlichen in den Unternehmen. Hier führt laut Schumacher häufig folgender Punkt zum Gefühl des Überlastet-Seins: Oft werden hochkomplexe Projekte noch recht jungen Informatikern oder Technikern übertragen, die keine systematische Projektmanagement-Ausbildung durchlaufen haben. Das heißt: Die Projektverantwortlichen haben noch wenig Routine im Umgang mit den bewährten Projektmanagement-Tools - "sofern sie diese über-haupt kennen". Weit folgenreicher ist aber, dass sie oft noch wenig Praxiserfahrung im Planen, Managen und Steuern von Projekten haben. Die Folge: Sie begehen vielfach bereits in der Startphase der Projekte gravierende Fehler - zum Beispiel bei der Ziel- und Auftragsklärung und bei der Zusammensetzung ihrer Teams. Deshalb werden sie im weiteren Projektverlauf ihres Lebens nicht mehr froh - zum Beispiel, weil aufgrund des unklaren Projektauftrags permanent Konflikte mit den firmeninternen Kunden entstehen. Oder weil wegen der falschen Teamzusammensetzung oder ungenügenden Ausstattung mit personellen Ressourcen das Projekt nicht wie gewünscht voranschreitet.

In solchen Situationen geraten junge Projektleiter meist schnell ins Schlingern - auch weil sie aufgrund ihrer noch recht kurzen Betriebszugehörigkeit nicht stark genug in der Organisation verankert sind, um sich ohne Rückendeckung gegen die etablierten Leiter der Fachabteilungen durchzusetzen. "Eigentlich sollte eine systematische Projektmanagement-Ausbildung für die Männer und Frauen, die in Unternehmen strategische oder strategisch relevante Projekte leiten, Pflicht sein", fordert denn auch Schumacher. Dies ist aber vielfach nicht der Fall, obwohl inzwischen die meisten Technologie-Unternehmen betonen: Die Projektarbeit ist bei uns die Regelarbeitsform.

Lernen, sich selbst zu managen

Dass eine fundiertere Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte und Projektverantwortlichen in IT-Unternehmen notwendig ist, davon ist auch die Wiener Managementberaterin Sabine Prohaska überzeugt - jedoch müsse sich auch deren Konzept ändern. Denn bisher läge ihr Fokus zumeist darauf: Wie führe ich meine Mitarbeiter oder mein Team? Oder: Wie führe oder manage ich ein Projekt? Kaum eine Rolle spiele in den Aus- und Weiterbildungen jedoch das Thema: Wie führe beziehungsweise manage ich mich selbst, wenn ich in einem hochkomplexen und -dynamischen Umfeld arbeite, in dem

- Hunderte von Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind,

- sehr viele "Stakeholder" permanent etwas von mir wollen und

- eine langfristige (Detail-)Planung aufgrund der vielen Unwägbarkeiten kaum möglich ist.

"Wer in einem solchen Umfeld überleben möchte, muss eine stabile Persönlichkeit und ein guter Selbstmanager sein."

Zum Selbstmanager-Sein zählt für Prohaska unter anderem, dass die Projektverantwortlichen und Führungskräfte die Techniken verinnerlicht haben, "die eigentlich bereits seit Jahrzehnten in Selbstmanagement-Seminaren vermittelt werden." Drei Dinge sind Prohaska dabei besonders wichtig:

1. Das Prioritäten-Setzen.

Denn je größer die Zahl der Aufgaben und Herausforderungen ist, umso wichtiger wird es, im Betriebsalltag bei der Planung der eigenen Arbeit und der des Teams zwischen wichtigen und dringlichen Aufgaben zu unterscheiden. Gehört haben dies die meisten Führungskräfte und Projektmanager schon oft. Trotzdem haben viele im Arbeitsalltag damit Probleme. Immer wieder registriere man in ihm, dass Führungskräfte und Projektmanager in die Dringlichkeitsfalle tappen und bevorzugt die Aufgaben erledigen, die scheinbar brennen - zum Beispiel, weil ein Vorgesetzter sagte: "Ich würde mich freuen, wenn …." Und die für den Erfolg wirklich wichtigen Aufgaben? Sie bleiben liegen.

2. Das Ressourcen-Planen.

Auch dieses gewinnt in einem hochdynamischen Umfeld, indem neben der Zeit der Mitarbeiter auch die eigene Zeit stets knapp ist, an Bedeutung. Denn wenn der Schreibtisch eigentlich permanent von unerledigten Aufgaben überquillt, dann muss eine Führungskraft oder ein Projektmanager auch genau unterscheiden können: In welche Aufgabe muss ich mehr Zeit und Energie investieren und in welche weniger? Oder: Bei welcher Aufgabe genügt - gemäß dem altbekannten Pareto-Prinzip - eine 80- oder gar 60-Prozent-Lösung oder welcher muss ich viel Aufmerksamkeit schenken, weil wir hier eine 1A-Lösung brauchen?

3. Das Nein-Sagen.

Auch dieses fällt, so Prohaska, vielen Führungskräften und Projektverantwortlichen schwer. Oft lassen sie sich "en passant" von Kunden und Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kollegen irgendwelche Aufgaben auf die Backe drücken, von denen sie im Nachhinein denken: Was habe ich mir da denn wieder aufgehalst? Sei es, weil sie sich nicht trauten "nein" zu sagen oder weil sie vorschnell ja sagten, ohne die Folgen abschätzen zu können.

Ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln

Doch das Beherrschen der vorgenannten Techniken allein macht noch keinen "Selbstmanager" aus. Davon sind außer Sabine Prohaska auch Hans-Jörg Schumacher und Julia Voss überzeugt. Wichtig ist auch ein gesundes Selbstbewusstsein: "Irgendwie schaffe ich das schon - selbst wenn ich jetzt noch nicht genau weiß wie." Denn dann geraten die Betroffenen nicht so schnell in Panik und somit Stress, wenn scheinbar die Welt um sie herum zusammenbricht. Eine solche Denke bringen manche Führungskräfte und Projektmanager "von zu Haus aus" mit. In der Regel entwickeln sich, so Schumacher, dieses Selbstvertrauen und die damit verbundene Gelassenheit jedoch aufgrund der Erfahrung, in der Vergangenheit schon ähnlich komplexe Herausforderungen gemeistert zu haben - weshalb ältere Führungskräfte und Projektmanager in solchen Situationen meist souveräner agieren.

"Selbstmanager sein" bedeutet laut Julia Voss aber auch zu wissen beziehungsweise zu spüren: "Ich stoße an meine (Belastungs-)Grenzen", und sich und anderen einzugestehen: "Ich brauche Hilfe." Denn nur dann lässt sich im Bedarfsfall auch die erforderliche Unterstützung beziehungsweise Entlastung organisieren, bevor die Welt tatsächlich zusammenbricht. (oe)

Der Autor Bernhard Kuntz ist Inhaber der PRofilBerater GmbH, Darmstadt (www.die-profilberater.de). Er ist Autor der Bildungs- und Beratungsmarketing-Fachbücher "Die Katze im Sack verkaufen" und "Fette Beute für Trainer und Berater" sowie des PR-Ratgebers "Warum kennt den jeder?".