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Was Analysten zu Windows 10 sagen

02.10.2015 von Simon Hülsbömer
Windows 10 im Unternehmen - ja oder nein? Besonders unter Datenschutzaspekten läuft eine heiße Debatte um Vor- und Nachteile eines Einsatzes des neuen Microsoft-Betriebssystems. Wir haben einige IT-Analysten um ihre Einschätzung gebeten.
 
  • Capgemini: "Microsoft hat sich immer durchgesetzt"
  • Forrester: "Windows 10 ist ein wichtiger Schritt"
  • IDC: "Bleibt die Frage, ob Unternehmen ihre Daten langfristig schützen können"

Windows 10 erlaubt in Sachen Datenübermittlung und Datenschutz zahlreiche Einstellungen, die sich von den Vorgängerversionen unterscheiden. Diese Vielzahl an Einstellungen macht erst deutlich, wie viele Daten das neue Microsoft-System erhebt und an den Hersteller und andere Stellen übermittelt. Datenschützer sind alamiert - unter anderem übte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz jüngst heftige Kritik und sprach gar von "Überwachung bis zum letzten Klick". Steht es wirklich so schlimm um den Datenschutz in Windows 10? Und tangiert das Ganze die Unternehmensanwender überhaupt? Was ist IT-Entscheidern zu raten, wie sie und ihre Unternehmen mit Windows 10 umgehen sollen? Wir haben uns umgehört.

Oliver Schonschek: "Nicht nur positiv"

"Unternehmen bieten sich mit Microsoft Windows 10 interessante, sicherheitsrelevante Funktionen wie die Unterstützung einer biometrischen Zugangskontrolle und die Möglichkeit zur Steuerung von Updates passend zu den betrieblichen Wartungsfenstern.

Oliver Schonschek arbeitet als freier Analyst und Fachjournalist, unter anderem schreibt er regelmäßig für die COMPUTERWOCHE zu Security- und Management-Themen.

Die möglichen Auswirkungen auf die Datensicherheit und den Datenschutz sind aber nicht nur positiv. Wenn der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Windows 10 als 'Fenster zur Privatsphäre' bezeichnet oder die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. bei Windows 10 von 'Überwachung bis zum letzten Klick' spricht, unterstreicht dies die Problematik eindrucksvoll.

Bevor Unternehmen also Windows 10 einführen, um zum Beispiel von neuen IT-Sicherheitsfunktionen zu profitieren, sollten die Datenschutz-Voreinstellungen sehr genau überprüft und entsprechend der Prinzipien Datenvermeidung und Datensparsamkeit verändert werden. Solange Privacy by Default nicht zum Standard in der IT-Branche geworden ist, sind Datenschutzprüfungen bei Einführung eines neuen Betriebssystems und jeder anderen Software Pflicht."

Windows 10 – Datenschutz-Einstellungen im Überblick
Windows 10 - Einstellungen
Einen großen Teil der Privatsphäre- Optionen finden Sie unter Einstellungen im Bereich Datenschutz. Die Einstellungen rufen Sie mit Windows + I auf.
Allgemeine Datenschutzoptionen
Unter den Datenschutzoptionen und Allgemein können Sie beispielsweise Apps die Verwendung der Werbungs-ID untersagen. Ebenso kann man an dieser Stelle die Übermittlung des Schreibverhaltens an Microsoft unterbinden.
Personalisierte Werbung
Über den Link Microsoft-Werbung und andere Personalisierungsinfos landen Sie auf einer Website, auf der Sie festlegen können, ob Sie personalisierte Werbung von Microsoft im Edge-Browser erhalten wollen.
Standortbestimmung
Unter Position legen Sie fest, ob die Positionserkennung beziehungsweise Standortbestimmung aktiviert ist.
Position
Zudem kann man hier bestimmten, welche Apps Zugriff auf die Position haben.
Kamera
Ebenfalls für Nutzer mobiler Geräte relevant sind die Menüpunkte Kamera und Mikrofon. Dort können Nutzer festlegen, ob Apps Kamera und Mikrofon verwenden dürfen und welche Apps das sind.
Mikrofon
Hier wird bestimmt, welche Apps Zugriff auf das Mikrofon haben.
Funkempfang
Zu den für mobilen Anwendern relevanten Punkten zählt zudem der Funkempfang.
Microsoft-Konto
Unter Kontoinformationen legen Sie fest, ob Apps auf Informationen zu dem Microsoft- Konto Zugriff haben.
Einstellungen des Microsoft-Kontos
Apropos Konto, in den Einstellungen und dem Punkt Konten legen Sie fest, welche Informationen über verschiedene Geräte mittels Ihres Microsoft-Kontos synchronisiert werden, also Browsereinstellungen oder Kennwörter.
Weitere Geräte
In den Datenschutz-Einstellungen können Sie über den Punkt Weitere Geräte einstellen, ob Apps Informationen über verschiedene Devices hinweg synchronisieren dürfen.

Malte Rhode, Capgemini: "Windows 7 hat ein Ende"

"Es ist nicht einfach nur ein neues Betriebssystem, es geht um viel mehr. Während man mit Windows XP und Windows 7 einen neuen Desktop einführen konnte, bringt Windows 10 einen neuen Architekturansatz mit sich. Die Industrie steht unter dem Druck der digitalen Transformation. Cloud ist nur ein Stichpunkt.

Kritische Themen gab es schon immer: 'Windows Calling Home' unter Windows XP, der Hype um Linux statt Windows und weitere Themen bringen immer wieder Diskussionsstoff. Microsoft hat sich immer durchgesetzt und ist heute von den Arbeitsplätzen in Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Das wird auch bis auf weiteres so bleiben.

Malte Rhode ist Senior Enterprise Architekt bei Capgemini.
Foto: Capgemini

Man muss sich eher früher als später mit Windows 10 auseinandersetzen. Es geht nur über ein ganzheitliches Projekt, z.B. die Einführung eines modernen Arbeitsplatzes. Hier werden Themen rund um Windows 10, Cloud und Datenschutz behandelt. Fängt man jetzt an, kann man in Ruhe Möglichkeiten analysieren und notwendige Vorkehrungen treffen, bevor Windows 7 abgekündigt wird. Eines ist sicher: Der Lifecycle von Windows 7 hat ein Ende."

Gerald Spiegel, Sopra Steria: "Künstliche Debatte"

"Ja zu Windows 10 im Unternehmen, denn bei der Datenschutzdiskussion handelt es sich um eine künstliche Debatte. Die Gefahr des ungewollten und intransparenten Datenabflusses existiert in allen Unternehmen - unabhängig von Windows 10. Beispielsweise werden bei der geschäftlichen Nutzung von Browsern, mobilen Apps oder Cloud-Diensten immer Daten gesammelt und an Dritte weitergegeben. Doch im Unterschied dazu, weiß jeder Windows-10-Nutzer immerhin wo die Daten dem Vernehmen nach liegen, nämlich bei Microsoft.

Dr. Gerald Spiegel ist Leiter Information Security Solutions bei Sopra Steria Consulting.
Foto: Sopra Steria Consulting

Zudem kann jeder Anwender von Windows 10 die Einstellungen so einrichten, dass weitestgehend keine Daten gesammelt werden. Das kennt man schon von den Privacy-Einstellungen von Browsern. Das bedeutet dann allerdings, dass nicht alle komfortablen Funktionalitäten, die Windows 10 bietet, genutzt werden können. Bei kostenlosen Apps und Cloud-Diensten können dagegen oft gar keine Einstellungen vorgenommen werden. Unternehmen müssen sich also mit oder ohne Windows 10 mit dem Schutz ihrer sensiblen Daten auseinandersetzen."

Zum Video: Was Analysten zu Windows 10 sagen

Frank Gillett, Forrester: "Treibende Kraft"

"Führende IT-Experten sollten Windows 10 als treibende Kraft nutzen, um ihre Windows-Management-Strategie zu modernisieren. Wenn die meisten Ihrer PCs mit Windows 7 laufen und nur einige mit Windows 10, ist es verlockend, bestehende Tools und Policies nur ein wenig anzupassen, anstatt komplett auf Windows 10 und seine Möglichkeiten zu setzen. Das wäre aber ein Fehler - Windows 10 ist nämlich ein wichtiger Schritt in Microsofts Strategie, das Windows-Management zu vereinfachen."

Frank E. Gillett ist Vice President und Principal Analyst bei Forrester Research.
Foto: Forrester Research

Andreas Olah & Chrystelle Labesque, IDC: "Neue Vorteile"

"Die neueste Umfrage von IDC hat ergeben, dass 39 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren PC innerhalb von zwölf Monaten auf Windows 10 migrieren möchten, während 31 Prozent keine Änderungen vornehmen wollen. Diese Zahl reflektiert die hohen Erwartungen an die neue Version von Windows und den starken Bedarf an Verbesserungen, vor allem nachdem Windows 8 / 8.1 nur in limitierter Weise angenommen wurde. Es ist der höchste Prozentsatz im Vergleich zu allen anderen Windows-Versionen und anderen Betriebssystemen. In Deutschland haben im Juni 204 Firmen an der Befragung teilgenommen.

Microsoft bietet mit Windows 10 viel Neues aber auch Vertrautes, wie das Start-Menü,das wieder eingeführt wurde. Microsoft hat auf die Kritik gehört und viele Anpassungen und neue Entwicklungen vorgenommen. Für Unternehmen bedeutet dies neue Möglichkeiten um erhöhte Produktivität und bessere Sicherheit zu bieten.

Andreas Olah ist Senior Research Analyst bei IDC. Seine Kollegin Chrystelle Labesque (von der uns leider kein brauchbares Foto vorliegt) ist Research Manager, EMEA Personal Computing bei IDC.
Foto: IDC

Windows 10 bietet viele neue Vorteile im Bereich der Sicherheit. Mehrere neue Elemente wurden eingeführt, insbesondere biometrische Merkmale (Spracherkennung, Gesichtserkennung, usw.) für die Authentifizierung, die zu mehr Kontrolle beitragen werden. Dazu kommt ein neuer Secure-Boot-Prozess zum Einsatz. Nach wie vor werden Datenverschlüsselung und Schutz vor Malware angeboten, aber die Kombination mit der neuen Verwaltungsmöglichkeit trägt zum besseren Schutz von Daten in Unternehmens bei. Durch mehr Sicherheitstools werden diese Daten besser geschützt, aber es liegt an den Unternehmen, Regelungen für Nutzer durchzusetzen und sie über Risiken zu informieren. Windows 10 bietet IT-Abteilungen eine größere Auswahl und mehr Möglichkeiten für die Verwaltung. Microsoft bietet auch eine größere Auswahl und Kontrolle bei 'Patches' an.

Mit Windows 10 werden Nutzer von kleinen sowie größeren Bildschirmen (vom Smartphone bis zum All-in-One und von mobilen wie auch Desktop-Geräten) das gleiche Erlebnis und die gleichen Möglichkeiten haben. Dieses Kontinuum von Geräten ist eine Premiere - die meisten anderen Hersteller auf dem Markt arbeiten mit zwei verschiedenen Betriebssystemen für Mobilgeräte und PCs. Die Verwaltung durch ein einziges Betriebssystem bringt erhebliche Vorteile vor allem, weil sie Benutzern eine einheitliche Sicht ermöglicht. Es führt auch zu mehr Produktivität für die Anwender. IDC erkennt dabei eine klare Unterstützung für mehr Mobilität und erwartet, dass viele Unternehmen ihre Strategien entsprechend anpassen werden. Hindernisse am Anfang bezüglich der Sicherheit und der Verwaltung von mehreren Betriebssystemen werden als eher leichte Herausforderungen betrachtet.

Die Datenschutzfrage bleibt

Universal Apps ist für Unternehmen für interne sowohl auch für externe Zwecke interessant. In den letzten Jahren wurden viele Apps auf verschiedenen Plattformen in Silos entwickelt, und wurden nicht immer mit existierenden Systemen intergriert. Mit Windows 10 wird die Integration einfacher, und neue Apps können auf mehreren Geräten in verschiedenen Formaten installiert werden. Kosten werden dabei auch optimiert. Firmen können ihre Kunden somit besser bedienen und Mitarbeiter auf relevante Daten zugreifen.

Zum Video: Was Analysten zu Windows 10 sagen

Alle diese Vorteile werden in der letzten Zeit im Schatten des Datenschutzes betrachtet, weil viele Voreinstellungen von Windows 10 in die Privatsphäre eingreifen. Die Sensibilität dieses Themas ist gerade in Deutschland sehr stark. Es ist zunächst wichtig zu klären, dass viele Voreinstellungen angepasst werden können und IT-Abteilungen diese auf mehreren Ebenen verwalten können: Benutzer, Geräte, Apps. Es bleibt aber die Frage, ob Unternehmen ihre eigenen Daten sowohl als auch Mitarbeiterdaten langfristig schützen und gewährleisten können. Wie auch bei der Sicherheit liegt es am Unternehmen, Regelungen für Anwender klar zu definieren und sie über Risiken zu informieren. Eine Gefährdung besteht bereits durch die Nutzung von verschiedenen Plattformen auf vielen privaten Geräten, aber dies soll nicht ein Grund sein, den Status Quo zu akzeptieren. Anwender und Unternehmen sollen ihre Bedenken klar formulieren und weitere Änderungen bei Microsoft anfragen.

Alle Unternehmen werden nicht sofort auf Windows 10 migrieren, wie unsere Befragung zeigt. Aber es besteht viel Interesse, einige Vorteile geben wichtige Gründe, um die Migration zu planen. Viele Unternehmen werden wie üblich ein paar Monate lang abwarten, überlegen und evaluieren. Besonders viele erwarten Windows 10 in Kombination mit der Intel CPU-Plattform Skylake, um valideren zu können, ob Windows ihre Wünsche bezüglich mehr Produktivität und Sicherheit erfüllt."

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In Windows 10 hat Microsoft die Netzwerkverbindungen überarbeitet und verzichtet weitgehend auf die Konfigurationsmöglichkeiten der Kachel-Apps.
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