Anwender versus Anbieter

Was den IT-Servicemarkt antreibt

15.10.2014 von Joachim Hackmann
Dank vieler Modernisierungsprojekte wird der IT-Service- und -Beratungsmarkt ordentlich wachsen. Im Jahr 2014 soll sich das Umsatzvolumen in Deutschland um 3,2 Prozent auf 36,8 Milliarden Euro erhöhen. Hinter diesen Zahlen verbergen zwei sehr unterschiedliche Märkte.
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Gemessen an der Prognose für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands (das Bruttoinlandsprodukt soll 2014 zwischen 1,4 und zwei Prozent verbessern) sind die Aussichten für die hiesige IT-Serviceindustrie blendend: Der gesamte IT-Dienstleistungsmarkt soll sich einer Erhebung des Branchenverbands Bitkom zufolge bis Jahresende um 3,2 Prozent auf 36,8 Milliarden Euro verbessern, also mehr als doppelt so schnell wie die Gesamtwirtschaft zulegen.

Anbieterbefragung: Projektnachfrage boomt, Betriebsgeschäft läuft

Die Marktforscher von Lünendonk haben sich den IT-Provider-Markt etwas genauer angesehen, beschränken sich in ihrer Analyse aber auf Angaben von rund 90 Anbietern. Deren kumulierter Jahresumsatz beläuft sich auf rund drei Viertel des vom Bitkom erhobenen gesamten Marktvolumens. Die Lünendonk-Auswertung ist also nicht repräsentativ, dürfte aber im Großen und Ganz die Entwicklung des gesamten IT-Servicegeschäfts wiederspiegeln.

IT-Beratung und Projektgeschäft: Demnach entwickelt sich insbesondere das Geschäft mit IT-Beratung und IT-Projekten mit einem Wachstum von 6,8 Prozent im laufenden Jahre blendend. Das Umsatzvolumen wird sich bis Jahresende auf 12,8 Milliarden Euro summieren. In diesem Geschäft profitieren die Anbieter davon, dass mehr und mehr Kunden in Innovationsvorhaben etwa zur Digitalisierung ihres Kerngeschäfts sowie in die IT-Modernisierung investieren. Die stürmische Entwicklung spiegelt sich auch in der Personalplanung wieder. Die Belegschaft wird sich bis Jahresende gegenüber 2013 um durchschnittlich 7,5 Prozent vergrößern.

Das kommende Jahr verspricht sogar eine noch bessere Entwicklung: Die befragten Anbieter kalkulieren mit einem durchschnittlichen Wachstum von 9,3 Prozent.

IT-Betriebsdienstleistungen: Etwas weniger rasant wächst das Geschäft mit Betriebsdienstleistungen wie Outsourcing, Hosting, Application Management usw. Hier haben die Marktforscher für das laufende Jahr eine Verbesserung von 4,2 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro errechnet. In diesem Segment zeigen Automatisierungsanstrengungen klar erkennbare Wirkung: Die Zahl der Mitarbeiter wächst mit einem Plus von 2,1 Prozent erheblich langsamer als der Umsatz.

Mario Zillmann, Lünendonk: "Die vor Jahren angestoßenen Maßnahmen, die Effizienz der IT-Landschaft zu erhöhen und weniger Kapital in den IT-Prozessen zu binden, zeigen nun ihre Wirkung."
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Dass die Einnahmen mit Betriebsdienstleistungen weniger schnell zulegen als im Projektgeschäft, erklären die Marktforscher mit früheren Effizienzprojekten sowohl auf Anbieter- als auch auf Anwenderseite. Viele interne und ausgelagerte IT-Umgebungen wurden in den vergangenen Jahren bereits überarbeitet und modernisiert, so dass die Betriebskosten gesunken sind. "Die vor Jahren angestoßenen Maßnahmen, die Effizienz der IT-Landschaft durch Virtualisierung, Automatisierung und Standardisierung zu erhöhen und weniger Kapital in den IT-Prozessen zu binden, zeigen nun ihre Wirkung", erläuterte Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei Lünendonk und Studienautor.

Anwenderbefragung: IT-Betrieb bindet Budgets, Fachbereiche starten IT-Projekte

Eine parallel zur Anbieterbefragung betriebene Erhebung unter 44 großen Anwenderunternehmen mit (zumeist) mehr als eine Milliarde Euro Jahresumsatz stützt im Wesentlichen die zuvor unter Anbietern erhobene Prognose, weist zudem aber auf unterschiedliche Erwartungen hin.

Die Mehrheit der Befragten plant, die Ausgaben für den IT-Budget zu reduzieren (hellblaue Balken). Wachsende Ausgabe sind für die Softwareentwicklung und für Beratungsprojekte reserviert.
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IT-Betrieb: Die Hälfte der befragten Anwenderunternehmen plant 2015 mit rückläufigen Ausgaben im IT-Betrieb (siehe Grafik oben). Das geschieht auf hohem Niveau, immerhin investieren die CIO nach wie vor zwei Drittel ihres IT-Budgets in den Unterhalt ihrer IT-Anlagen.

Die Einsparungen der Anwender im IT-Betrieb auf der einen Seite, und die zeitgleichen Hoffnungen der Anbieter auf moderate Mehreinahmen in diesem Segment auf der anderen Seite, passen auf den ersten Blick nicht zusammen. Die Diskrepanz lässt sich darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen künftig mehr Leistungen von externen Partnern beziehen werden, also größere Anteile ihre IT-Budgets dem externen Markt überlassen. Mit dem Auslagern von Services erhoffen sich IT-Leiter unterm Strich eine Entlastung für ihr IT-Budget.

Ob sich das immer so einstellt, ist keineswegs sicher. Viele Auslagerungsprojekte der Vergangenheit wurde aus vergleichbaren Beweggründen gestartet, konnten die Erwartungen oft nicht erfüllen. Mittlerweile verfügen Anwender und Anbieter aber umfangreiche Erfahrungen mit Auslagerungsprojekte, so dass frühere Fehler im Outsourcing vermeidbar sind.

In den meisten Unternehmen wachsen die IT-Budgets der Fachbereiche: Knapp über 50 Prozent der Befragten rechnen mit zum Teil stark steigenden Ausgaben in den Fachbereichen. 25 Prozent erwarten, dass die dort verfügbaren Mittel auf dem aktuellen Niveau verharren.

IT-Beratungs- und -Projektgeschäft: Im Geschäft mit IT-Projekten stützt die Befragung der Anwender den schon oft diskutierten und beobachteten Trend, wonach Fachbereiche immer häufiger IT-Aufträge vergeben. Der Lünendonk-Erhebung zufolge erhöht die Mehrzahl der Unternehmen die IT-Ausgaben in den Fachbereichen (siehe Grafik). Die Entwicklung ist allerdings nicht durchgängig zu beobachten: Immerhin knapp jedes vierte Unternehmen plant mit schrumpfenden IT-Töpfen in den Geschäftseinheiten.

Was Anbieter erwarten und Anwender wollen

Außerdem haben die Marktforscher von Lünendonk die Anwender und Anbieter zu den künftigen IT-Investitionen befragt und die Antworten gegenüber gestellt.

Die Software-Modernisierung steht bei den befragten Anwendern hoch im Kurs (hellblaue Balken), bei den Anbietern ist es Business Analytics und Big Data. Die teils enormen Abweichungen sind damit zu erklären, dass die befragten IT-Manager den IT-Betrieb effizienter gestalten wollen, die Anbieter dagegen vor allem auf Innovationsprojekte in den Fachbereichen hoffen.
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Durchweg sind die Erwartungen der Anbieter optimistischer als die Pläne der Anwender (siehe Grafik oben). Die markantesten Abweichungen haben sich in den Segmenten "Digitalisierung" sowie "Big Data" ergeben. Für die Anwender spielen beide Trendthemen nahezu keine Rolle, während die Anbieter große Hoffnungen in entsprechende Projekte haben.

Hier könnte das Jobprofil der befragten Anwender eine Erklärung liefern. Die Marktforscher haben die Daten vornehmlich unter IT-Leitern und CIOs erhoben. In dieser Klientel spielen Projekte zur Software-Modernisierung und IT-Sanierung eine bedeutende Rolle. Innovationsprojekte in den Bereichen Digitalisierung und Big Data finden zunehmend in den Fachbereichen statt, werden dort allerdings unter anderem Namen betrieben (etwa Business Analytics, Social Media Marketing).

Die Bedeutung der IT wird steigen

Damit ist auch das Kernproblem der heutigen internen IT genannt. Die spannenden, innovativen Vorhaben finden nicht in der zentralen IT-Abteilung statt, sondern in den Fachbereichen. Das ist das Image, das den ITlern in den Unternehmen anhaftet, und das an ihrem Selbstbewusstsein nagt.

Die interne IT spielt derzeit eine etwas durchwachsene Rolle im Unternehmen. Ihr Wertbeitrag soll in den kommenden Jahren aber wachsen, erwarten die befragten CIOs.
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Die Mehrheit der befragten CIOs glaubt nicht, dass ihre IT heute eine wertsteigernde Rolle im Unternehmen spielt (siehe Grafik). Das kann kein Zustand sein, den die IT-Manager dauerhaft akzeptieren, und offenbar arbeiten sie auch daran, diese Situation zu beheben: Befragt nach der künftigen Rolle der internen IT, überwiegen die optimistischen Antworten: Über 77 Prozent der IT-Chefs gehen davon aus, dass die IT in den kommenden Jahren einen wichtigen Beitrag zum Kerngeschäft liefern wird. Mit welchen Maßnahmen die CIOs diesen Wandel einleiten, lässt die Studie offen.