Interview mit Infor-Präsident Stephan Scholl

"Was iOS für Apple, ist ION für uns"

25.10.2012 von Uwe Küll
Top-Manager Stephan Scholl, als Präsident verantwortlich für Vertrieb, Beratung, Kooperationen und weltweite Netzwerke bei Infor, erläutert im Gespräch mit Uwe Küll die wichtigsten Aspekte der Produkt- und Vertriebsstrategie des nach SAP und Oracle drittgrößten Unternehmenssoftware-Herstellers der Welt.

Top-Manager Stephan Scholl, als Präsident verantwortlich für Vertrieb, Beratung, Kooperationen und weltweite Netzwerke bei Infor, erläutert im Gespräch mit Uwe Küll die wichtigsten Aspekte der Produkt- und Vertriebsstrategie des nach SAP und Oracle drittgrößten Unternehmenssoftware-Herstellers der Welt.

Welche Bedeutung hat das Produkt ION für Infors Strategie und die Ihrer Partner in Deutschland?

Stephan Scholl: ION ist für uns, was iOS für Apple ist.

Das ist ein gewagter, aber auch sehr allgemeiner Vergleich. Können Sie diese Aussage konkretisieren?

Scholl: Vieles von dem, was ION für uns bedeutet, lässt sich am besten an Kundenbeispielen zeigen. Zum Beispiel Ferrari: Wenn wir nicht dieses breite Anwendungsangebot inklusive ION hätten, dann hätte Ferrari den Konzernstandard von Fiat gewählt - und das ist SAP. Nun hat aber der CIO dort festgestellt, dass die Wahl von SAP einen enorm hohen zeitlichen Aufwand und deutlich höhere Kosten bedeuten würde. Denn wir konnten ihm eine Einführung innerhalb von weniger als einem Jahr bieten, während die SAP-Einführung mehrere Jahre gedauert hätte. Und die technische Grundlage für diesen Unterschied ist unsere neue Middleware ION.

Das klingt zunächst überraschend - schließlich ist Infor nicht unbedingt für seine Middleware bekannt. Da haben andere Anbieter doch viel mehr Tradition.

Infor-Präsident Stephan Scholl: "Warum Ferrari nich den Konzernstandard von Fiat gewählt hat"
Foto: Infor

Scholl: Genau das ist aber unsere Stärke im Moment: Wir haben lange Zeit nicht über eine eigene Middleware verfügt wie IBM, SAP oder andere. Damit hatten wir jetzt die Möglichkeit, eine Lösung zu entwickeln, die den Anforderungen und technischen Standards von heute angemessen ist.

Traditionelle Middleware wurde unter zwei Prämissen entwickelt, die heute keine Gültigkeit mehr haben. Die erste lautete: Netzwerke sind langsam. Und die zweite: Speicherplatz ist richtig teuer. Die Folge war, dass die Entwickler Systeme programmierten, in denen jedes bisschen Integration nach einer eigenen API verlangte - und einen riesigen Aufwand verursachte. Infors ION hingegen basiert auf offenen Standards wie etwa Apache Technologie und XML.

Und was hat das mit Ferrari zu tun?

Scholl: Ferrari betreibt beispielsweise eine eigene Gießerei. Das heißt: Es gibt dort wirklich sehr individuelle, komplexe Abläufe. Mit ION waren wir in der Lage, diese Prozesse in unsere branchenspezifische Fertigungssteuerung zu integrieren bis hin zur Einbindung von externen Logistikpartnern. In einem anderen Szenario wäre das ein Alptraum gewesen - schon allein die Einbindung der Logistikpartner. Und ähnliche Erfahrungen haben Kunden aus komplett anderen Branchen - wie etwa Lebensmittelherstellung - ebenfalls gemacht.

Wie Infor Partner für Middleware begeistern will

Nun ist Ferrari ohne Frage ein illustrer Name, aber auch ein sehr exklusives Beispiel. Ist es nicht schwierig für Infor und seine Partner, potenzielle Kunden für ein sperriges Thema wie Middleware zu begeistern, während die Listen der Top-Trends von Cloud Computing und Big Data angeführt werden?

Infor-Präsident Stephan Scholl: "Das Channel-Geschäft ist zurzeit dasjenige mit dem größten Wachstum bei uns"
Foto: Infor

Scholl: Cloud Computing ist ein wichtiges Stichwort. Sie fragten ja nach der strategischen Bedeutung von ION. Tatsächlich sieht es bei unseren bestehenden Anwendungen bislang so aus, dass sie entweder on premise oder in der Cloud erhältlich sind. Damit ergibt sich für Kunden, die bereits eine on-premise-Lösung von Infor wie etwa LN einsetzen, die Herausforderung der Integration, wenn sie weitere Lösungen - etwa Enterprise Asset Management - als Cloud-Service beziehen möchten. Auch in diesem Fall liefert ION die Lösung -schnell und einfach. Das ist zum Beispiel besonders interessant für alle mittelständischen Unternehmen, die noch System i, i-Series oder AS/400-Anwendungen im Einsatz haben und diese mit modernen Lösungen kombinieren möchten. Sie können alte, aber bewährte und zuverlässige Systeme mit neuesten Cloud-Services ergänzen, ohne ihre Infrastruktur komplett zu erneuern. Wenn Sie Entscheidern im Mittelstand das erklären, wird Middleware plötzlich ein spannendes Thema und ein sehr gutes Verkaufsargument.

Welche Rolle spielt denn der Channel in der Vermarktungsstrategie von Infor?

Stephan Scholl, Infor

Foto: Infor

Als Präsident ist Stephan Scholl für den Vertrieb von Infor, Beratung, Kooperationen und weltweite Netzwerke zuständig. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Unterstützung der Kunden, um mithilfe der Unternehmenssoftware von Infor effizienter und wettbewerbsfähiger zu werden. Vor seiner Tätigkeit bei Infor war Scholl General Manager der Utilities Global Business Unit bei Oracle. Dort half er, Oracle Utilities als Marktführer zu etablieren. Zudem spielte er eine bedeutende Rolle bei der Leitung der Green-Strategie des Unternehmens. Von 2006 bis 2009 führte Scholl die größte Organisation des Unternehmens, die North America Consulting Group von Oracle. Davor arbeitete Scholl in verschiedenen Consulting- und Vertriebsmanagement-Rollen bei PeopleSoft.

Scholl: Tatsächlich ist das Channel-Geschäft zurzeit dasjenige mit dem größten Wachstum bei Infor. Etwa 24 Prozent unseres Umsatzes kommen über den Channel. Ohne den Channel könnten wir nicht sein, was wir sind: die drittgrößte Enterprise Software-Firma der Welt. Deshalb haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren viel Arbeit in den Aufbau unseres Infor Partner Netzwerks (IPN) investiert. Wir haben ganz klar geregelt, wer wann wo was an wen verkaufen kann, was er dafür bekommt, und wie wir ihn dabei unterstützen. Mit diesem Programm haben unsere Partner volle Klarheit und Transparenz, um Aufwand und Erlös zu kalkulieren. Und wir merken, dass das gut ankommt - weil wir eine Reihe neuer Partner gewonnen haben und auch von denjenigen positives Feedback erhalten, mit denen wir schon länger arbeiten.

Können Sie einige Namen aus dem deutschen Markt nennen?

Scholl: Ich denke da an Firmen wie Atzeka, Cronon AG, d.velop, Paper-less und Trubiquity.

Eines der Hauptprobleme des Handels wie auch der Anwender bestand bislang darin, den Überblick über die Vielfalt der Infor-Produkte zu behalten. Wie wollen Sie das ändern?

Scholl: Auch hierbei spielt ION eine wichtige Rolle. Denn in der Vergangenheit hatten wir tatsächlich in erster Linie eine Vielzahl von Produkten im Angebot. Heute unterstützen wir Unternehmen mit industriespezifischen integrierten Lösungen. Diese Lösungen können unsere Partner auf Basis von ION entweder komplett oder in Kombination mit bereits vorhandenen Systemen von Infor oder anderen Herstellern implementieren - das Ergebnis ist immer eine einheitliche Plattform zur Abbildung der Unternehmensprozesse entlang der ganzen Wertschöpfungskette. So liefert ION sowohl für Anwenderunternehmen als auch für unsere Partner den wirtschaftlichen Vorteil, der ihre Investitionen nicht nur rechtfertigt, sondern auch in Zukunft sichert. (uk)