Weniger Fachwissen, mehr Management

Was IT-Manager im Mittelstand können müssen

03.04.2013 von Ingrid  Weidner
Weg von Bits und Bytes, hin zum Manager mit strategischen Aufgaben, so definieren Personalexperten das zukünftige Job-Profil eines IT-Leiters in mittelständischen Unternehmen.

Die Position des EDV-Leiters verschwindet in vielen Firmen. Vorbei sind die Zeiten, in denen die IT-Abteilungen in mittelständischen Unternehmen in einem abgelegenen Gebäudetrakt untergebraucht waren und hauptsächlich an den Rechnern ihrer Kollegen schraubten, neue bestellten und alle paar Jahre einen besseren Drucker installierten. Heute rückt in vielen mittelständischen Firmen die IT-Mannschaft zum strategischen Business-Partner auf. Ihr Chef sitzt bei allen wichtigen Besprechungen mit am Tisch. Ganz egal ob ein neues ERP-System eingeführt wird oder eine Software, mit der sich Geschäftsprozesse vereinfachen lassen, die Projektleitung für diese Themen übernimmt meistens die IT-Abteilung.

Jürgen Rohrmeier, Personalberater sowie Senior Partner und Mitglied des Vorstandes der Pape Consulting Group in München.
Foto: Pape Consulting Group

Kein Wunder, dass sich auch die Stellenbeschreibung eines IT-Leiters immer mehr verändert. "Idealerweise sind IT-Leiter heute Teil der erweiterten Geschäftsleitung", sagt Jürgen Rohrmeier, Personalberater sowie Senior Partner und Mitglied des Vorstandes der Pape Consulting Group in München. Gerade in kleineren, mittelständischen Firmen berichten die leitenden IT-Manager oftmals direkt an den Geschäftsführer. Rohrmeier unterteilt das Anforderungsprofil von Kandidaten in drei Säulen. Wer eine solche Position anstrebt, sollte umfassende fachliche, persönliche und soziale Kompetenzen mitbringen. "Bewerber sollten über mehrjährige Berufserfahrung verfügen sowie fundiertes Fachwissen erworben haben." Dazu zählt der Spezialist beispielsweise Kenntnisse über ERP-Systeme, Server-Architekturen oder auch Projekt-Management-Erfahrung und Verhandlungsgeschick.

Gerade mittelständische Anwenderunternehmen, deren Geschäftsfeld nicht die IT ist, brauchen IT-Leiter, die verständlich und mit einfachen Worten erklären können, was beispielsweise der Nutzen einer Software ist und weshalb ein ERP-System die Abläufe im Unternehmen beschleunigt. "Auch Service- und Kundenorientierung sind im Mittelstand entscheidend, denn vielen Firmen wachsen und internationalisieren ihr Geschäft", beobachtet Rohrmeier. Damit steigen auch die Anforderungen an die Kandidaten. Zu den persönlichen Stärken eines IT-Leiters zählt der Berater auch, dass fachliche Aspekte mehr in den Hintergrund rücken und Bewerber stattdessen bereit sein sollten, Führung- und Management-Aufgaben zu übernehmen.

Systematische, auf den Mittelstand zugeschnittene Weiterbildungsangebote gibt es nur wenige. Einige Bachelor- und Master-Studiengänge führen zwar den Begriff "Mittelstand" im Titel, doch Stephan Pfisterer, Bereichsleiter Bildung und Personal beim Branchenverband Bitkom in Berlin, hält solche Angebote für die Ausnahme. "Manche mittelständische Firmen integrieren in ihren Personal-Entwicklungsprogrammen auch Managementkurse für ihre angehenden Führungskräfte, doch viele buchen solche Kurse erst, wenn sie sich auf Führungsaufgaben vorbereiten", erläutert Pfisterer. Gerade Management-Wissen lasse sich gut nach dem Baukastenprinzip in unterschiedlichen Modulen berufsbegleitend erarbeiten. Dagegen entscheiden sich die wenigsten für einen Master als Vorbereitung auf die Führungsaufgaben. "Meistens fehlt dafür schlichtweg die Zeit. Mit gezielten Kursen lassen sich Lücken gut schließen", sagt Pfisterer.

Der IT-Leiter als Eigengewächs

Das Recruiting von IT-Führungskräften erfolgt im Mittelstand oft in den eigenen Reihen. "Viele IT-Leiter sind Eigengewächse der Unternehmen", beobachtet Personalberater Ulf Andresen von HSC Personal-Management aus Hamburg. "Viele kommen aus der Anwendungsentwicklung und sind ausgesprochene Spezialisten", so der Direktor des Deutschlandgeschäfts von HSC und Leiter des Competence Center Consulting. Die Nähe zum Tagesgeschäft bewahren viele dieser Manager, auch wenn sie Führungsaufgaben übernehmen. "Oftmals sind die Ressourcen in der IT-Abteilung begrenzt und ein IT-Leiter muss selbst mitarbeiten", so Andresen. Doch darin bestehe für viele Kandidaten auch der besondere Charme des Jobs. Viele möchten sich nicht von der Technik verabschieden, darüber hinaus aber auch Personal- und Budget-Verantwortung übernehmen.

Auch Andresen weiß von Anfragen mittelständischer Firmen, die viel Wert auf die fachliche Qualifikation der Bewerber legen, sowie ein möglichst breit angelegtes Wissensprofil fordern. Gerade wenn es um neue Technologien und IT-Lösungsszenarien für das Unternehmen geht, erwarten Mittelständler, dass sie die IT-Profis im eigenen Haus umfassend beraten können. Selbstständig Themen auf die Agenda des Unternehmens setzen und Impulse für IT-Strategien liefern, auch das wird von IT-Managern erwartet. Deshalb sollten IT-Leiter beides können, nämlich die eigene Passion für Technik pflegen, gleichzeitig aber auch in der Lage sein, den Nutzen dieser Errungenschaften für die IT-Laien und Entscheider im Unternehmen verständlich zu erklären. Schließlich agieren Mittelständler pragmatischer und kostenbewusster. Technische Spielereien haben keinen Platz, vielmehr soll das Unternehmen davon profitieren.

Argumente für bessere Geschäftsprozesse liefern

Sich und seine Ideen präsentieren und vermarkten nennt Rohrmeier deshalb als eine wichtige Qualität eines IT-Leiters. Gerade wenn es in strategischen Gesprächen mit der Geschäftsleitung um IT-Kompetenzen geht, brauchen Kandidaten diplomatisches Fingerspitzengefühl. "Ich empfehle IT-Managern, nicht mit IT-Argumenten in die Verhandlungen zu gehen und keinesfalls zu forsch oder besserwisserisch aufzutreten?, sagt Rohrmeier, der auch als Coach arbeitet. Gerade wenn die Informationstechnologie nicht das Kerngeschäft des Unternehmens ist, sondern Mittel zum Zweck, sollten IT-Leiter sich in ihrer Argumentation an den Geschäftsprozessen orientieren. "IT-Leiter sollten nicht zu Feature-verliebt sein und stattdessen den Nutzen der Technik in den Mittelpunkt stellen", empfiehlt der Personalberater.

IT-Entscheider mit Mut zum Risiko

Ulf Andresen von HSC Personal-Management.
Foto: HSC Personal-Management

Umfassendes Wissen erwarten die Arbeitgeber von ihren IT-Managern auch im Arbeitsalltag. "Während in einem Konzern Aufgaben wie Sales und Delivery-Management von unterschiedlichen Abteilungen bearbeitet werden, kann es sein, dass in mittelständischen Firmen ein IT-Leiter durchaus den Verkauf unterstützen und gleichzeitig Projekte leiten muss, mit denen die Lieferkette optimiert werden soll", erklärt Andresen. Der Hamburger Headhunter nennt noch weitere Aspekte des Job-Profils eines IT-Manager im Mittelstand. "Geeignete Kandidaten zeichnen sich durch Entscheidungsfreude sowie eine gewisse Risikobereitschaft aus. Das kann auch mal heißen, sich im Sinne des Unternehmenserfolges über Instanzen hinwegzusetzen. Ein IT-Manager im Mittelstand sollte mutig sein und sich mit einer Entscheidung auch mal aus dem Fenster lehnen", erläutert Andresen. Zu den Aufgaben zählt oftmals auch das Controlling, denn gerade mittelständische Firmen gelten als kostenbewusst.

IT-Manager statt EDV-Leiter

Rohrmeier sieht die Position eines IT-Leiters im Mittelstand vor ganz neuen und interessanten Herausforderungen. Weg vom EDV-Leiter hin zum IT-Manager und strategischen Partner. "Das größte Problem für viele Kandidaten ist es, dass sie bereit sein müssen, sich von der Technik zu lösen und sich mehr auf die Geschäftsprozesse zu konzentrieren." Das setze voraus, dass sie gut qualifizierte IT-Mitarbeiter im Team haben, denen sie vertrauen und die das Tagesgeschäft erfolgreich managen. Dann eröffnen sich auch neue Perspektiven für den IT-Chef. Doch der Münchner Personalberater weiß auch, dass solche Aufgaben erst für größere Mittelständler mit einer eigenen IT-Abteilung mit mindestens zehn Mitarbeitern eine Rolle spielen. In kleineren Firmen heißt es für die IT-Leiter oftmals: Ärmel hochkrempeln.

Mehr Verantwortung und weniger Gehalt

Im Mittelstand warten interessante Aufgaben auf die gut qualifizierte IT-Experten mit Karriereambitionen. Doch die Headhunter verschweigen auch nicht die Schwierigkeiten. In manchem Stellenprofil werde zwar die entscheidungsfreudige Persönlichkeit gesucht, doch die Personalberater achten auch darauf, dass ihre Kandidaten nicht nach kurzer Zeit von einem engen Korsett und strengen Hierarchiewegen frustriert werden. "Zu meinen Aufgaben gehört es, das Job-Profil zu überprüfen. Gerade wenn dort unrealistische Versprechungen gemacht werden, die später im Arbeitsalltag keine Rolle spielen, frage ich bei meinen Auftraggebern: `Meint ihr das wirklich so?", sagt Rohrmeier.

Der Mittelstand zahlt niedrigere Gehälter und die Leistungspakete sind meistens weniger umfangreich als die von Konzernen. Außerdem bevorzugen mittelständische Firmen meistens Fixgehälter, variable Gehaltsanteile sind die Ausnahme. "Für besondere Leistungen gibt es keine extra Entlohnung, darüber sind gerade IT-Manager nicht immer glücklich?, weiß Andresen aus vielen Gesprächen. Doch dafür gelten die Jobs im Mittelstand als sicherer, da diese Unternehmen im allgemeinen seriöser wirtschaften und selbst in Krisensituationen versuchen, ihr Personal zu halten und seltener entlassen als Konzerne.

Manchen Kandidaten stört an mittelständischen Unternehmen auch der Firmensitz. Gerade jüngere Bewerber ziehen einen Arbeitgeber in einer Metropolregion einem Mittelständler auf dem Land vor. Hier heißt es für die Personalberater echte Überzeugungsarbeit leisten. Doch wer sich für den Mittelstand entscheidet, tue dies oftmals ganz bewusst. "Viele schätzen es, wenn sie Manager und Informatiker oder Ingenieur sein dürfen und beides in ihrem Arbeitsalltag verwirklichen können", beobachtet Andresen. (pg)

Die Arbeitswelt eines IT-Leiters

Paul Arndt, Invensity in Wiesbaden.
Foto: Invensity

Paul Arndt arbeitet seit gut einem Jahr als IT-Leiter des Beratungsunternehmens Invensity in Wiesbaden. Nach dem Diplom in Informatik an der Technischen Universität Darmstadt entschied sich Arndt für das Start-up-Unternehmen.

CW: Herr Arndt, als Sie 2008 mit dem Diplom in der Tasche auf Jobsuche gingen, standen Ihnen sicher viele Wege offen. Weshalb haben Sie sich für ein kleines Unternehmen wie Invensity entschieden?

Paul Arndt: Mich haben die Möglichkeiten gereizt, gestaltend am Unternehmen mitzuarbeiten. Anfangs war ich als Informatiker noch ein Exot, denn viele Kollegen brachten ein Wirtschaftsingenieurstudium mit. Mittelweise beschäftigen wir 120 Mitarbeiter, von denen einige auch ein Informatikstudium mitbringen. Ich habe mich auch für eine kleine Firma entschieden, weil ich schnell voran kommen wollte, was mir auch gelungen ist.

CW: Vor gut einem Jahr übernahmen Sie mit 31 Jahren die Aufgaben des internen IT-Leiters. Wie kam es zu diesem schnellen Aufstieg?

Arndt: Ich habe vor und während des Studiums als Werkstudent in einem kleinen Verlag die Aufgaben eines IT-Systemadministrators übernommen. Zwar bin ich bei Invensity im Consulting eingestiegen, doch weil ich zahlreiche Verbesserungsvorschläge für die interne IT hatte, lag es nahe, mich für die Position des IT-Leiter zu bewerben, als sie ausgeschrieben wurde.

CW: Wie sieht heute Ihr Arbeitsalltag aus. Beschäftigen Sie sich überwiegend mit strategischen Fragen?

Arndt: Ganz und gar nicht. Meistens arbeite ich vier Tage die Woche als Berater in Kundenprojekten und an einem Tag kümmere ich mich um die interne IT. Insgesamt umfasst unsere IT-Abteilung fünf Mitarbeiter, von denen nur ein Kollege ganz mit Support und Technik beschäftigt ist. Mir gefällt die Kombination von Projektalltag beim Kunden und internen IT-Aufgaben.

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