Nicht unüberlegt handeln

Was tun bei Mietmangel?

10.05.2011
Warum Mieter und Vermieter Rechtsansprüche sorgfältig prüfen sollten, sagt Burkhard Raffenberg.
Mieter soillten ihre Rechtsansprüche aus dem Mietvertrag nicht um jeden Preis durchsetzen.
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Baulärm, Heizungsdefekt oder Schimmelbefall: Leicht kommt es zu Beeinträchtigungen rund um das Mietobjekt. Bei vielen Privatmietern ist die Toleranzgrenze gering. Auch Gewerbemieter sind schnell verärgert, denn sie sehen ihren Geschäftsbetrieb gefährdet. Schnell stellt sich die Frage, inwieweit es sich um einen Mangel handelt, der eine Minderung oder Zurückbehaltung der Miete rechtfertigt. Betroffene sollten nicht unüberlegt handeln. Häufig kommt es zum Streit mit dem Vermieter, der nicht selten in gerichtlichen Auseinandersetzungen gipfelt.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist für viele Mieter und Vermieter von Bedeutung. Die Richter haben die Voraussetzungen für eine Zurückbehaltung der Miete aufgrund von Mängeln konkretisiert. Im vorliegenden Fall (Az.: VIII ZR 330/09) hatte ein Vermieter seinem Mieter gekündigt, weil dieser in zwei aufeinanderfolgenden Monaten mit seiner Miete im Verzug war. Der Mieter widersprach der Kündigung mit dem Verweis auf Schimmelbefall in der Wohnung. Der BGH entschied zugunsten des Vermieters: Der Mieter habe den Mangel nicht rechtzeitig angezeigt. Erst nachdem der Vermieter über den Mangel informiert ist, können anstehende Mietzahlungen zurückbehalten werden. Das Gesetz sah eine Anzeigepflicht bislang nur für die Mietminderung vor. Mit dem aktuellen BGH-Urteil gilt gleiches nun auch für die Zurückbehaltung.

Grundsätzlich ist zwischen dem Recht zur Minderung und dem Zurückbehaltungsrecht zu unterscheiden. Mieter können beide Rechte nebeneinander geltend machen. Welche Form einer Kürzung ratsam ist, hängt immer von den Bedingungen im Einzelfall ab. Eine berechtigte Minderung reduziert die Miete endgültig. Das Zurückbehaltungsrecht berechtigt zur vorläufigen Einbehaltung eines Mietanteils. Die zurückbehaltene Summe kann bis zu fünfmal höher als der berechtigte Minderungsbetrag sein. Hierdurch kann der Mieter einen enormen Druck auf den Vermieter ausüben und ihn zur zügigen Mängelbeseitigung bewegen. Solange die Beeinträchtigung anhält, kann der Mieter nicht in Zahlungsverzug kommen. Der einbehaltene Betrag ist nach Beseitigung der Mängel an den Vermieter nachzuzahlen.

Mieter sollten ihre Rechtsansprüche genau prüfen, aber nicht um jeden Preis durchsetzen. Ein überzogenes Vorgehen wird schnell zum Bumerang. Bei einer unberechtigten Minderung oder Zurückbehaltung kann der Mieter in Zahlungsverzug geraten. Für einige Vermieter ist dies ein willkommener Anlass, sich vom Mieter zu trennen. Eine Gegenwehr ist oft zwecklos. Oft sprechen Vermieter neben der fristlosen gleich auch eine ordentliche Kündigung aus. Die Beurteilung von Mietmängeln bietet einen großen Interpretationsspielraum. Mieter und Vermieter sollten in jedem Fall systematisch vorgehen und ihre Handlungsoptionen sorgfältig prüfen (siehe nachfolgende Praxistipps).

Was Mieter beachten sollten

Mieter sollten eine Minderung oder Zurückbehaltung der Miete genau prüfen. Es empfiehlt sich, folgende Schritte einzuhalten, um Ansprüche wirksam geltend zu machen.

1. Voraussetzungen prüfen:

Nicht jeder Mangel rechtfertigt eine Minderung oder Zurückbehaltung der Miete. Die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache muss durch den Mangel erheblich eingeschränkt sein. Kleine Beeinträchtigungen wie Risse in Kacheln oder eine defekte Glühbirne im Hausflur erfüllen die Voraussetzungen in der Regel nicht. Ausgeschlossen sind auch Mängel, die der Mieter ganz oder teilweise selbst verschuldet hat. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Rücksprache mit qualifizierten Beratern.

2. Mangel anzeigen:

Mieter müssen einen Mangel zunächst dem Vermieter melden. Erst dann ist eine Minderung bzw. Zurückbehaltung der Miete rechtmäßig. Die Anzeige sollte schriftlich und am besten per Einschreiben erfolgen. Wird der Mangel im Rahmen eines Vor-Ort-Termins angezeigt, ist das Treffen sicherheitshalber zu protokollieren. Im Streitfall muss der Mieter nachweisen, dass der Vermieter eine Mängelanzeige erhalten hat. Unterbleibt eine Mitteilung, riskiert der Mieter zudem Schadenersatzzahlungen für Folgeschäden.

3. Rechte geltend machen:

Erst nach erfolgter Mängelanzeige kann die Miete gemindert oder zurückbehalten werden. Viele Mieter kürzen vergleichsweise hohe Summen. Schnell addieren sich die Beträge auf eine Höhe von zwei Monatsmieten. Erweist sich eine Kürzung als unrechtmäßig, besteht Zahlungsverzug und der Vermieter kann fristlos kündigen. Mieter sollten deshalb sorgfältig abwägen, wie sie vorgehen. Eine Alternative ist die Zahlung unter Vorbehalt: Der Mieter zahlt weiterhin die volle Miete, vermerkt aber seinen Anspruch auf Mietminderung. Ein Hinweis auf dem Überweisungsträger reicht nicht aus. Es sollte eine schriftliche Mitteilung an den Vermieter erfolgen, deren Zugang quittiert wird. Darin ist zu konkretisieren, welcher Betrag bei unterlassener Mängelbeseitigung - rechtlich zulässig - gemindert wird.

Was Vermieter beachten sollten

Vermieter sind einer Minderung oder Zurückbehaltung der Miete nicht schutzlos ausgeliefert. Sie sollten ihre Handlungsoptionen systematisch abwägen.

1. Mängelanzeige prüfen:

Der Vermieter muss auf Grundlage der Mängelanzeige alle notwendigen Entscheidungen zur Mängelbeseitigung treffen können. Auch eine nicht spezifizierte Mängelanzeige ist ernst zu nehmen. Der vermeintliche Mangel sollte in Absprache mit dem Mieter in Augenschein genommen werden. Dann ist der Mangel durch geeignete Maßnahmen nachhaltig zu beseitigen, gegebenenfalls nach Sicherung von Beweisen. Pro forma sollte der Vermieter einer angekündigten oder bereits umgesetzten Minderung widersprechen. Die Durchsetzung von etwaigen Zahlungsansprüchen sollte bis zur endgültigen Klärung der Mangelursache und des Mangelausmaßes zurückgestellt werden.

2. Sachverhalt aufklären:

Es ist zu prüfen, ob der Mangel auch auf das Verschulden Dritter zurückzuführen ist. Dann können Regressansprüche in Betracht kommen. Ferner ist zu prüfen, ob der Mieter ganz oder teilweise für den Mangel verantwortlich ist. Ist dies nachweisbar, ist der Vermieter gegebenenfalls von seiner Gewährleistungshaftung befreit. Typisches Beispiel: Der Mieter hat ohne Absprache Veränderungen an der Mietsache vorgenommen. Zwar ist der Mieter für einen Mangel darlegungs- und beweispflichtig. Doch der Vermieter trägt die Beweislast dafür, dass die Mangelursache beim Mieter zu suchen ist. Im Zweifelsfall sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden.

3. Rechte ausschließen:

Ein lediglich unerheblicher Mangel begründet keine Gewährleistungsrechte des Mieters. Wenn der Mieter den Mangel schon bei Vertragsabschluss kannte und sich keine Rechte vorbehalten hat, darf er die Miete nicht mindern. Zudem stehen ihm keine Schadenersatz- oder Aufwendungsersatzansprüche - etwa für die eigene Mängelbeseitigung - zu. Weiterer Fall: Keine oder eine nur unzureichende Mängelanzeige können dazu führen, dass der Mieter sein Minderungs- und Zurückbehaltungsrecht verliert. Gerät der Mieter in Annahmeverzug, weil er die vom Vermieter konkret angebotene Mängelbeseitigung nicht annimmt oder gar verweigert, befindet sich der Vermieter nicht im Verzug mit der Mängelbeseitigung. Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters entfällt. Gleichwohl kann der Mieter die Miete weiterhin mindern. Gegen die Minderung kann der Vermieter allerdings vorgehen, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt.

Der Autor Burkhard Raffenberg ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentums-recht bei der DHPG Dr. Harzem & Partner KG.

Kontakt:

www.dhpg.de