Streit zwischen Oracle und HP

Was wird aus Itanium?

16.05.2011 von Tanja Semet
Nach der Übernahme von Sun Microsystems will Oracle keine Software mehr für die von Intel und HP gemeinsam entwickelten Itanium-Chips entwickeln - und verunsichert damit die Nutzer der HP-Server aus der Integrity-Reihe. Nach dem heftigen Schlagabtausch zwischen Oracle, HP und Intel spekulieren Marktbeobachter darüber, ob der Itanium-Chip auch in Zukunft weiter produziert und unterstützt wird. Eine Virtualisierung, bei der OpenVMS-Applikationen unverändert auf einem x86-Rechner weiter arbeiten, könnte für betroffene IT-Verantwortliche die Lösung sein.

Oracle will ab sofort keine Software mehr für die von Intel und HP gemeinsam entwickelten Itanium-Chips entwickeln - und verunsichert damit die Nutzer der HP-Server aus der Integrity-Reihe. Nach dem heftigen Schlagabtausch zwischen Oracle, HP und Intel spekulieren Marktbeobachter darüber, ob der Itanium-Chip auch in Zukunft weiter produziert und unterstützt wird. Eine Virtualisierung, bei der OpenVMS-Applikationen unverändert auf einem x86-Rechner weiter arbeiten, könnte für betroffene IT-Verantwortliche die Lösung sein.

Die Gerüchteküche um Intels Itanium-Chips brodelt schon seit Jahren. Können die IT-Verantwortlichen auch in Zukunft noch auf Itanium bauen? Im März 2011 verkündete Oracle, dass man nach der Übernahme des HP-Konkurrenten Sun Microsystems keine neue Software mehr für die Itanium-Prozessoren entwickeln werde. Angeblich wurde diese Entscheidung nach Rücksprache mit Intel getroffen. Intel-CEO Paul Ottelini dementierte das wenig später und erklärte, es würden weiter Itanium-Chips hergestellt.

Intels "Itanium"-High-End-Prozessoren werden hauptsächlich in HPs Integrity-Servern für den Enterprise-Markt verbaut.
Foto: Hewlett-Packard

Sollte Oracle Itanium tatsächlich nicht mehr unterstützen, würde das aber vor allem Hewlett-Packard treffen, denn die High-End-Prozessoren werden hauptsächlich in HPs Integrity-Servern für den Enterprise-Markt verbaut. Die Reaktion aus dem Hause HP fiel dementsprechend heftig aus. "Wir sind schockiert, dass Oracle Investitionen von Unternehmen und Regierungen in Millionenhöhe gefährdet", so HPs Hardware-Chef Dave Donatelli.

Hintergrund des IT-Theaters scheint die Übernahme von Sun Microsystems durch Oracle 2010 zu sein. Durch die Fusion übernahm Oracle auch die RISC-Plattform Sparc, die neben HPs Integrity-Servern die beliebteste Hardware auf dem Unix-Markt war. Seit Sun zu Oracle gehört, befinden sich die Sparc-Verkaufszahlen jedoch in freiem Fall. HP wirft Oracle daher vor, Itanium nicht mehr zu unterstützen, um die Konkurrenz für die Sparc-Server auszuschalten. Allerdings ist Oracle nicht der erste Software-Hersteller, der den Chip nicht mehr unterstützt. Bereits seit 2010 entwickeln Red Hat und Microsoft keine Software mehr dafür und seit Jahren gibt es Gerüchte, Intel wolle selbst die Produktion einstellen, da der Markt für Itanium immer kleiner wird.

All diese Ankündigungen und Dementis der letzen Jahre haben auch die VMS-Benutzer auf HPs Integrity-Plattform in Aufruhr versetzt. OpenVMS gilt als das stabilste Betriebssystem, das je entwickelt wurde. Unter anderem gibt es bis heute keine Malware dafür. Aus diesem Grund haben große Firmen wie BMW, Merck und ABB Millionen in Applikationen unter OpenVMS investiert und arbeiten seit Jahrzehnten damit. "Unsere Abteilung deckt den gesamten Automatisierungsbereich damit ab", erklärt Horst Krückemeier, Systemintegration, IT-Support und Logistics bei ABB - Abteilung für Energietechniksysteme.

Virtualisierung als Ausweg

Derartige VAX-Maschinen laufen noch unter OpenVMS
Foto: Stromasys

Weil in den letzten Jahren die Ersatzteilversorgung für seine VAX immer schlechter wurde und die Wartungskosten gleichzeitig ständig stiegen, entschied er sich, die alte Hardware zu virtualisieren. Viele seiner Kollegen, die HP Integrity-Server nutzen, befürchten nun die gleichen Probleme für ihre Rechner. Sollte der Worst Case eintreten und die Itanium-Reihe auslaufen, wird es in einigen Jahren keine Ersatzteile mehr geben, der Support eingestellt werden und ein Software Update unmöglich sein. Was also können besorgte IT-Verantwortliche tun?

Für die Virtualisierung seines VAX-Servers nutzt ABB den Emulator Charon von Stromasys. Die Software ersetzt den physikalischen Server durch eine virtuelle Maschine, auf der OpenVMS ohne Upgrade oder Änderung des Binärcodes weiter arbeiten kann. Das heißt für die Nutzer, dass auch die Applikationen unverändert bleiben. Der Emulator selbst kann unter Windows auf einem gewöhnlichen Intel x86-Server installiert werden.

Ein Integrity-Server von HP ist mit Intels Itanium-CPUs ausgestattet
Foto: HP

"Mit Charon passt unser gesamtes Rechenzentrum in eine x86-Maschine im 19-Zoll-Format mit zwei Höheneinheiten - ansonsten merken wir nichts davon, dass die Daten nicht mehr von der VAX kommen", so Krückemeier. Dogan Baser, Europamanager bei Stromasys, wendet sich angesichts der neuesten Entwicklung bei Oracle an die Nutzer: "Wir bieten Charon sowohl für OpenVMS als auch für Tru64 (Unix-Betriebssystem von Digital, Anm. d. Red.) an. Wenn ein Unternehmen nicht migrieren möchte, kann Emulation eine interessante Alternative sein." Vor kurzem bestätigte VMware, dass der Emulator auch zusammen mit vMotion und vSphere eingesetzt werden kann.

Doch noch ist nichts entschieden. Sowohl HP als auch Intel beteuern bislang, Itanium weiter zu produzieren. Empörte Integrity-Nutzer wollen jetzt sogar versuchen, Oracle von der Entscheidung gegen Itanium abzubringen. Der HP Nutzer-Verein Connect e.V. plant deshalb Ende Mai 2011 ein Treffen zwischen HP Integrity-Nutzern und Vertretern von Oracle. Auf den Ausgang sind schon jetzt viele gespannt. (rw)