Führungstipp

Wenn der Chef benotet wird

20.04.2015
Frage: Meist werden Mitarbeiter mit Führungsverantwortung nur durch den Vorgesetzten beurteilt. Gibt es weitere Möglichkeiten, um ein besseres Bild von diesem Manager zu bekommen?

Marcus Toussaint, HR Director von Nexinto aus Hamburg: "Um der Eindimensionalität zu entgehen, haben wir ein 360-Grad-Feedback für die Führungskräfte aufgesetzt. Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt, mit dessen Hilfe die Mitarbeiter die eigene Führungskraft und die Peers sich untereinander mittels 20 Fragen bewerten können.

Marcus Toussaint: "Der Bewertungsbogen muss das Führungsleitbild des Unternehmens widerspiegeln."
Foto: Marcus Toussaint - Nexinto

Voraussetzungen für eine solche Befragung sind Freiwilligkeit und Anonymität, denn nur in diesem Fall sind von den Mitarbeitern und Peers ehrliche und unverfälschte Antworten zu erwarten. Die Fragen des Bewertungsbogens müssen dabei das Führungsleitbild des jeweiligen Unternehmens widerspiegeln. Einen ‘Muster-Fragenkatalog‘ kann es daher nicht geben.

Bei Nexinto werden Fragen in den Kategorien Persönlichkeit, Professionalität, Teamwork, Leadership, Problemlösung, Vision sowie Passion bewertet. Die Einschätzung erfolgt anhand des Schulnotensystems mit der Möglichkeit ergänzender Freitexte. Die Fragen orientieren sich eng am Berufsalltag und haben einen starken Praxisbezug; sie lassen wenig Interpretationsspielraum zu.

Die Ergebnisse der Befragung werden anschließend mit der jeweiligen Führungskraft sowie deren Vorgesetzten individuell besprochen. Dabei kommt es nicht auf gute Noten oder gar ein Ranking an, sondern vielmehr darauf, Verbesserungspotenziale zu identifizieren, um dadurch maßgeschneiderte Weiterentwicklungsschritte einzuleiten. In den Bewertungen kann sich durchaus aber auch die Eignung des Betreffenden für weitergehende Aufgaben abzeichnen. Wird dieses Human-Resources-Instrument über mehrere Jahre genutzt, kann auf diese Weise die Entwicklung des Führungsklimas im gesamten Unternehmen nachgezeichnet werden.

Häufige Fehler von Vorgesetzten (aus "Mitarbeitergespräche" von W. Mentzel, S. Grotzfeld und C. Haub)
Falsche Form der Kritik
Auf einer unsachlichen Ebene werden nur negative Aspekte beleuchtet.
Fehlende Mitsprache
Bei Änderungen kann der Mitarbeiter nicht ausreichend mitreden.
Unklare Anweisungen
Arbeitsaufträge werden nicht klar definiert und mitgeteilt.
Überheblichkeit
Der Vorgesetzte tritt auf unnötige Weise überheblich auf.
Zeitmangel
Das Gespräch findet unter Zeitdruck und Hektik statt.

Gerade für größere Unternehmen sollte bei dieser Konzeption aus Effizienzgründen der Einsatz von Online-Tools geprüft werden. Ebenfalls ist das Timing der Umfrage entscheidend. Von solchen Umfragen sollte in Ferienzeiten sowie während interner Umstrukturierungsmaßnahmen oder Gehalts- und Jahreszielgesprächen abgesehen werden." (pg)