Newplacement

Wenn der Noch-Arbeitgeber zum Karriereberater wird

01.09.2008
Häufig engagieren Unternehmen Personalberater, um gekündigten sowie nicht mehr benötigten Mitarbeitern zu helfen, neue Arbeitsplätze zu finden. Das tun sie aus Eigennutz - zum Beispiel, um den Betriebsfrieden zu wahren und sich Kündigungsschutzprozesse zu ersparen. Doch auch die gekündigten Mitarbeiter profitieren hiervon, wie folgendes Praxisbeispiel zeigt.

Viele Industriezulieferer erzielen den größten Teil ihres Umsatzes mit wenigen Schlüsselkunden. Kündigt ein Großkunde die Zusammenarbeit, bricht somit ein großer Teil des Auftragvolumens und Umsatzes weg. Zudem wird ein beachtlicher Teil der Mitarbeiter nicht mehr benötigt. Diese Situation ergab sich Anfang 2007 auch bei einem baden-württembergischen Industrie-Zulieferer. Deshalb stellte die Geschäftsführung des fast 500 Mitarbeiter zählenden Familienunternehmens zunächst alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Deshalb entschied die Unternehmensleitung: Wir müssen zirka zehn Prozent unserer Mitarbeiter entlassen.

Leicht fiel der Geschäftsführung diese Entscheidung nicht - auch weil sie befürchtete: Wenn wir erstmals Mitarbeiter in größerem Umfang auf die Straße setzen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur. Deshalb entschied sie: Wir suchen einen externen Partner, der uns hilft, den Trennungsprozess zu gestalten und die entlassenen Mitarbeiter dabei unterstützt, für sich eine neue berufliche Perspektive zu finden.

Führungskräfte auf die heikle Aufgabe vorbereitet

Über Empfehlungen stieß die Geschäftsführung auf die Adensam Managementberatung, Ludwigshafen. Zwei Kennenlern-Termine folgten. Dann fiel die Entscheidung: Wir arbeiten mit dem Out- und Newplacement-Spezialisten zusammen. Daraufhin entwarf Frank Adensam, der Inhaber der Managementberatung, ein Konzept, wie sich der Trennungsprozess gestalten könnte. Den Auftakt bildete ein halbtägiger Workshop mit den Führungskräften des Unternehmens. Dort informierte die Geschäftsleitung die Führungskräfte über den geplanten Personalabbau. Danach erläuterte Adensam ihnen, wie der Trennungsprozess verlaufen solle. Außerdem klärte er mit ihnen nochmals ihre Funktion im Unternehmen. Dies war nötig, weil viele Führungskräfte auch private Kontakte zu ihren oft gleichaltrigen Mitarbeitern hatten. Deshalb waren Rollenkonflikte vorprogrammiert.

Danach erarbeitete Adensam mit den Führungskräften ein Drehbuch und eine "To-do-Liste". Sie enthielt auch detaillierte Absprachen darüber, wie die Kündigungsgespräche zu führen seien. Wer führt die Gespräche? Wann, wo und wie werden sie geführt? Hierdurch sollte auch sichergestellt werden, dass alle Führungskräfte weitgehend dieselben Argumente und Sprachregelungen gebrauchen und keine Widersprüche zwischen ihren Aussagen auftauchen.

Angebot: Gekündigte erhalten Unterstützung

Drei Tage nach dem Workshop fand eine Betriebsversammlung statt. Dort informierte die Geschäftsführung die Mitarbeiter über die geplanten Entlassungen. Außerdem teilte sie ihnen mit, dass die Betroffenen nach der Betriebsversammlung auf ihrem Schreibtisch ein Schreiben fänden. Dieses enthalte jedoch nur eine Ankündigung der Kündigung. Die eigentliche Kündigung werde den Betroffenen in den nächsten Tagen von ihren Führungskräften überreicht. Dann teilte die Geschäftsführung den Mitarbeitern mit, dass am Nachmittag für alle Betroffenen eine Informationsveranstaltung mit Beratern der Adensam Managementberatung in einem Seminarhotel stattfände.

Dort erläuterte Frank Adensam den betroffenen Mitarbeitern, welche Unterstützung das Unternehmen ihnen in den kommenden Monaten gerne bieten würde, um ihnen die berufliche Neuorientierung zu erleichtern. Dann bat er sie, sich binnen einer Woche zu entscheiden, ob sie von dem Angebot Gebrauch machen wollen. Von den Mitarbeitern eine sofortige Entscheidung zu fordern, hätte sie überfordert. Schließlich mussten sie die Kündigungsbotschaft erst verdauen.

In den kommenden Tagen führten die Führungskräfte mit den betroffenen Mitarbeitern die offiziellen Kündigungsgespräche und erläuterten ihnen nochmals die Entscheidung. Anschließend fand ein zweiter Workshop mit den Führungskräften statt. Er sollte ihnen helfen, das Erlebte aufzuarbeiten. Dies war nötig, weil viele Führungskräfte erstmals vor der Aufgabe standen, Kündigungen auszusprechen. Das bereitete ihnen schlaflose Nächte. Hinzu kam: Bei den Gesprächen erfuhren die Führungskräfte zuweilen Details über das Privatleben ihrer Mitarbeiter, die sie an der Richtigkeit und juristischen Korrektheit der Auswahl zweifeln ließen. So war zum Beispiel eine Führungskraft überzeugt, dass ein Mitarbeiter alleinstehend sei. Im Kündigungsgespräch erfuhr sie jedoch: Es gibt ein unterhaltsberechtigtes Kind aus einer früheren Verbindung. In solchen Gesprächssituationen hart, genauer gesagt, konsequent zu bleiben, fiel allen Führungskräften schwer.

Bewerbungsstrategien und Bewerberprofile erstellt

Eine Woche nach der Betriebsversammlung trafen sich Adensam-Berater erneut mit den gekündigten Mitarbeitern. Alle Mitarbeiter wollten an dem Newplacement-Prozess teilnehmen. Also begannen die Berater, mit ihnen Strategien zu entwerfen, um möglichst schnell neue Jobs zu finden. Dabei war es ihnen wichtig, den Teilnehmern zu vermitteln: "Leute, ihr seid alle keine Berufseinsteiger, ihr habt jahrelange Berufserfahrung. Deshalb könnt ihr in Unternehmen wichtiges Know-how einbringen."

In der folgenden Woche fanden fünf dreitägige Bewerbertrainings statt - jeweils zwei für die Produktionsmitarbeiter sowie die Mitarbeiter in den Büroetagen und eines für das Führungspersonal. Dort entwickelten die Teilnehmer für sich eine berufliche Perspektive: Suche ich mir eine neue Stelle oder mache ich mich selbstständig? Steige ich beruflich gleich wieder voll ein oder nutze ich den "Break", um mich weiterzubilden oder für eine Erziehungspause?

Die Teilnehmer ermittelten auch, welche "Pfunde" sie als Bewerber in die Waagschale werfen können. Außerdem analysierten sie, bei welchen Unternehmen Bewerbungen besonders Erfolg versprechend wären - sei’s wegen vorhandener Kontakte oder spezieller Kenntnisse. Dann begannen sie, ihre Bewerberprofile zu entwerfen und ihre Bewerbungsunterlagen zu optimieren.

Nach den Bewerbungstrainings trafen sich die Adensam-Berater mit jedem Stellensucher zu einem Vier-Augen-Gespräch, um deren Bewerbungsmappe den letzten Schliff zu geben; außerdem, um mit ihnen individuelle Bewerbungsstrategien auszutüfteln. Diese persönliche Beratung war nötig, weil sich viele Teilnehmer seit Jahren, teilweise sogar Jahrzehnten nicht mehr beworben hatten. Entsprechend unsicher waren sie, wie sie vorgehen sollten.

Viele Teilnehmer waren sich auch nicht der Fähigkeiten bewusst, die ihnen, sofern sie sich beim richtigen Unternehmen bewerben, Pluspunkte bringen können. Adensam nennt hierfür ein Beispiel: Ein mittelständischer Industrie-Zulieferer hat eine andere Arbeitsstruktur und -kultur als ein Konzern. In ihm haben die Mitarbeiter zum Beispiel vielfach ein breiteres Aufgabenfeld als die Mitarbeiter von Großunternehmen, in denen viele Aufgaben an Spezialisten delegiert werden können. In einem solchen Umfeld erfolgreich gearbeitet zu haben, kann beim Bewerben ein Plus sein - auch bei Konzernen, die möchten, dass ihre Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung zeigen und vielseitiger einsetzbar sind.

Berater spricht aktiv neue Arbeitgeber an

So vorbereitet begannen die gekündigten Mitarbeiter, sich aktiv zu bewerben. Die Adensam Managementberatung unterstützte sie dabei. Unter anderem, indem sie die Profile der Stellensucher anonymisiert an Unternehmen sandte, bei denen die Vermutung bestand: Dieses Unternehmen könnte einen Mitarbeiter mit genau diesem Profil gebrauchen. Von Vorteil waren hier die gewachsenen Industriekontakte der Managementberatung, da es meist einer intimen Kenntnis der Arbeitsinhalte und -strukturen eines Unternehmens bedarf, um einen Bewerber dort er-folgreich zu platzieren. Dies gilt insbesondere für Spezialisten. Denn den Wert von deren Spezialwissen können die Personalabteilungen oft nicht einschätzen. Deshalb kontaktierten die zuständigen Adensam-Berater in der Regel unmittelbar die Fachabteilungen, in denen dieses Know-how gebraucht wird, und die folglich auch einschätzen können: Dies ist ein Top-Mann.

Durch dieses gezielte Vorgehen hatten am 31. Juni, dem offiziellen Kündigungsdatum, 26 der 50 entlassenen Mitarbeiter eine neue Stelle. Vier weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen. Und bei fünf war der Entschluss gereift, zunächst zuhause bei den Kindern zu bleiben beziehungsweise vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Folglich fehlte zum offiziellen Kündigungstermin nur noch 15 der 50 entlassenen Mitarbeiter eine neue berufliche Perspektive. Diese Mitarbeiter unterstützte die Adensam Managementberatung weiterhin bei der Stellensuche. Dies führte dazu, dass Ende September, also drei Monate nach dem offiziellen Ausscheiden aus dem Unternehmen, nur noch drei ehemalige Mitarbeiter ohne Job waren.

Über diese positive Entwicklung informierte die Geschäftsführung des Unternehmens Anfang Juni die verbliebenen Mitarbeiter in einer Kick-off-Veranstaltung, die sozusagen den Neustart in dem gesundgeschrumpften Unternehmen einläutete. Dies stärkte, so Adensams Einschätzung, die Identifikation der verbliebenen Mitarbeiter mit dem Unternehmen, "weil sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen - und damit vermutlich auch unseres - ist unseren Chefs nicht egal". (Ina Ochsenreiter/mf)