Schlecht verhandelt

Wenn die Kollegen viel mehr verdienen

19.04.2016 von Alexandra Mesmer
Ein IT-Berater hat neun Monate nach dem Start beim neuen Arbeitgeber entdeckt, dass sein Gehalt 30 Prozent niedriger ist als das der Kollegen. Soll er schon nachverhandeln?

Ein IT-Berater hat nach sechs Jahren den Arbeitgeber gewechselt und hat sich bei seiner Gehaltsforderung am gültigen Tarifvertrag der Branche orientiert. Mittlerweile musste er feststellen, dass das Gehaltniveau in der Firma rund 15 bis 30 Prozent höher liegt und fühlt sich seitdem etwas verärgert: "Am meisten ärgere ich mich natürlich über mich selber, die Lage falsch eingeschätzt zu haben und zu wenig gefordert zu haben. " Nun will er im Online-Karriereratgeber wissen, ob er neun Monate nach dem Einstieg schon eine Erhöhung fordern kann.

Zu wenig gefordert hat ein IT-Berater im Vorstellungsgespräch, weil er sich am Tarifvertrag der Branche orientiert hat.
Foto: slasnyi - Fotolia.com

"Eigentlich wollte ich nach einem Jahr das Gespräch suchen. Nun werden wir jedoch organisatorisch umstrukturiert und ich bekomme in Kürze einen neuen Vorgesetzten. Aus meiner Sicht ist der Zeitpunkt für Gehaltsgespräch sehr schlecht. Mein alter Chef wird bald nichts mehr mit mir zu tun haben. Der neue Chef wird wieder erst Leistung sehen wollen, bevor er bereit ist, über eine Gehaltserhöhung zu sprechen." Bei einer Gehaltsverhandlung sieht er folgende Fragen auf sich zukommen:

  1. Sie sind ja erst sehr kurz im Unternehmen und wir möchten erst sehen, ob sie neben kurzfristig guter auch kontinuierliche Leistung erbringen können. Dann werden wir auch über das Thema Gehalt sprechen.

  2. Eine Erhöhung schon im ersten Jahr ist bei uns nicht vorgesehen.

  3. Sie leisten sehr gute Arbeit, weshalb wir sie ja auch eingestellt haben. Und wir zahlen für ihre Leistung ja auch sehr gut, wie damals verhandelt.

  4. Durch die Umstrukturierung können wir derzeit leider das Thema nicht angehen. Das müssen Sie mit ihrem neuen Vorgesetzten besprechen.

Bei Chefwechsel: Zwischenzeugnis ausstellen lassen

Birgit Zimmer-Wagner, Bewerber Consult: "Bei einem Chefwechsel sollte man ein Zwischenzeugnis einfordern, damit die Leistung gut dokumentiert ist."
Foto: Birgit Zimmer-Wagner

Karrierecoach Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult antwortet: "Ich verstehe Ihr Dilemma, kann Sie aber beruhigen. Sie befinden sich in "guter Gesellschaft", gerade Personen, die sich auf ihre Leistung konzentrieren und mit sich selbst sehr kritisch sind ("habe ich einen Fehler gemacht?"), vergessen manchmal ihre eigenen Ziele.

Sie haben die wichtigsten Fragen, die bei einer Gehaltsverhandlung eine Rolle spielen, schon selbst genannt. Mir fällt auf: Sie sehen diese Situation fast ausschließlich als Ihr Problem, das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Nur könnte man auch argumentieren, dass Ihr Arbeitgeber an dieser Situation, neun Monate beschäftigt und dann schon eine Umstrukturierung, nicht ganz unschuldig ist. Wusste der Arbeitgeber nicht schon vor Ihrer Einstellung, dass es Veränderungen geben wird?

Gehaltsstudie 2015: Das verdienen IT-Führungskräfte
Die Gehälter der IT-Führungskräfte 2015
Für die Vergütungsstudie „Führungskräfte und Spezialisten in IT-Funktionen 2014/2015“ wurden insgesamt 16.547 aktuelle Gehaltsdaten ausgewertet.
Gehalt ist eine Frage der Branche
Wie viel eine IT-Führungskraft verdient, hängt vor allem von der Branche ab, in der er tätig ist. Welche Branchen die lukrativsten sind, zeigt Ihnen unsere Bildergalerie.
IT-Projektleiter ...
... bewegen sich in der Regel hierarchisch zwischen Abteilungs- und Gruppenleitern. In den letzten Jahren haben sie gehaltlich aber mächtig aufgeholt und verdienen nun häufig mehr als Gruppenleiter.
... verdient ...
... ein Projektleiter im Softwarehaus
Damit ist sein Gehalt im Vergleich zum Vorjahr um 3,3 Prozent gestiegen.
... bekommt ...
... ein Projektleiter in einem Systemhaus
Auch die Systemhäuser zahlen besser als im letzten Jahr. Um 2,2 Prozent sind die Gehälter gestiegen.
... erhält ...
... ein IT-Projektleiter in der Automobilindustrie
Auch in der Automobilbranche ist das Gehalt für Projektleiter um 2,2 Prozent angestiegen.
... verdient ...
... ein Projektleiter in der Telekommunikationsbranche
Damit wird er sehr gut bezahlt, sein Einkommen ist im Vergleich zum Vorjahr allerdings nur um 1,5 Prozent gestiegen.
... bekommt ...
... ein IT-Projektleiter, der bei einer Bank arbeitet
Damit zahlen Banken ihren IT-Projektleitern im Branchenvergleich am meisten.
Die Gehaltsaussichten von Gruppenleitern
Gruppenleiter sind die erste Hierarchiestufe in den Unternehmen. Die Verdienstperspektiven in den einzelnen Branchen liegen zwischen 64.000 und 87.000 Euro.
... erhält ...
... ein Gruppenleiter in der Bekleidungs- und Textilindustrie
Sein Verdienst in im letzten Jahr nur um ein Prozent gestiegen.
... verdient ...
... ein Gruppenleiter in einem Softwarehaus
Im Vergleich zum Vorjahr sind das 3,3 Prozent mehr.
... bekommt ...
... ein Gruppenleiter in der Automobilbranche
Drei Prozent mehr bekommt er somit als im Vorjahr.
... erhält ...
... ein Gruppenleiter in der Telekommunikation
Im Vergleich zum Vorjahr stieg sein Einkommen um 2,3 Prozent.
... verdient ...
... ein Gruppenleiter in der Konsum- und Gebrauchsgüterindustrie
Hier werden IT-Führungskräfte überdurchschnittlich bezahlt.
... bekommt ...
... ein Gruppenleiter in der Halbleiterindustrie
Um ein Prozent ist das Gehalt im letzten Jahr gestiegen
... erhält ...
... der IT-Gruppenleiter bei Banken
Somit zahlen die Banken auch ihren Gruppenleitern im Branchenvergleich am meisten.
Die Gehälter der IT-Abteilungsleiter
... bewegen sich laut Personalmarkt-Studie in einer Range von 103.000 bis 121.000 Euro im Jahr. Hier sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen, abgesehen vom Spitzenreiter, nicht so groß.
... verdient ...
... bekommt ...
... ein Abteilungsleiter in Softwarehäusern
Ein Anstieg von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
... erhält ...
... ein Abteilungsleiter in der Halbleiterindustrie
Sein Verdienst ist im letzten Jahr um 1,5 Prozent gestiegen.
... verdient ...
... ein IT-Abteilungsleiter in der Automobilbranche
Um 1,4 Prozent stieg das Gehalt im letzten Jahr.
... bekommt ...
... der Abteilungsleiter in einem Systemhaus
Ein Zuwachs von 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
... erhält ...
... der IT-Abteilungsleiter in Banken
Auch hier bezahlen die Banken am besten. Im letzten Jahr stieg das Gehalt des IT-Abteilungsleiters einer Bank außerdem um 3 Prozent.
Der Sprung zum IT-Bereichsleiter
... zahlt sich in allen Branchen aus. IT-Bereichsleiter können ihr Gehalt fast ... verdoppeln und bewegen sich oft auf dem Niveau von IT-Vertriebsleitern in Unternehmen mit 1000 bis 5000 Mitarbeitern. Aber auch hier gibt es Ausnahmen.
... verdient ...
... ein IT-Bereichsleiter in einem Systemhaus
Im Vergleich zum Vorjahr sind das 4,6 Prozent mehr.
... bekommt ...
... der IT-Bereichsleiter in der Softwarebranche
Satte 11,7 Prozent legt der Bereichsleiter in dieser Branche damit im Gegensatz zum Vorjahr zu.
... erhält ...
... der Bereichsleiter in der Autoindustrie
Der Verdienst in dieser Branche hat sich im Vergleich zu letztem Jahr nur minimal erhöht.
... verdient ...
... ein IT-Bereichsleiter in der Telekommunikation
Um 14 Prozent ist das Gehalt hier im letzten Jahr gestiegen.
... bekommt ...
... der IT-Bereichsleiter in einer Bank
Der absolute Top-Verdiener unter den IT-Führungskräften ist also Bereichsleiter bei einer Bank, auch wenn sich das Gehalt im Vergleich zum Vorjahr nur um zwei Prozent erhöht hat.
Gehalt ist eine Frage der Region
Nicht nur im Vergleich zwischen den Branchen, auch im Städtevergleich in Deutschland zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Gehältern der IT-Führungskräfte. Durchschnittlich verdienen sie bundesweit 105.800 Euro.
In Dresden ...
... verdienen IT-Führungskräfte mit einem Gehalt von 87.700 Euro am wenigsten.
In Berlin ...
... sieht es bereits besser aus. 98.900 Euro können Führungskräfte dort verlangen.
In Nürnberg ...
... verdienen die IT-Führungskräfte 108.100 Euro.
In Hamburg ...
... werden sie etwas besser bezahlt. 108.750 Euro überweisen die Arbeitgeber ihren IT-Führungskräften jährlich.
In Hannover ...
... bekommen die Führungskräfte 105.800 Euro. Das ist auch das Durchschnittsgehalt für IT-Führungskräfte.
In Köln ...
... verdient man besser. Als IT-Führungskraft kann man mit 110.550 Euro jährlich rechnen.
In Düsseldorf ...
... erhalten die Führungskräfte in der IT-Branche 115.800 Euro.
In Stuttgart ...
... bezahlen Arbeitgeber ihren IT-Führungskräften 119.600 Euro jährlich. Damit liegt Stuttgart auf dem dritten Platz im Städtevergleich.
In Frankfurt ...
... liegen die Gehälter der Führungskräfte bei 122.300 Euro. Das macht den zweiten Platz für die Stadt am Main.
In München ...
... werden die IT-Führungskräfte am besten bezahlt. Mit 124.000 Euro liegt die Stadt auf Platz eins im Städtevergleich.

Ich sehe einen direkten Anknüpfungspunkt bei einem Gespräch mit Ihrem früheren Vorgesetzten: Sie brauchen ein Zwischenzeugnis, damit die ersten neun Monate dokumentiert sind und nicht später mal unter den Tisch fallen. Ein Zeugnis wegen Vorgesetztenwechsel ist üblich, aber eine Holschuld des Arbeitnehmers. Sie müssen sich also selbst darum kümmern. Viele Bewerber gehen direkt an die Personalabteilung, diese geht dann an den Fachvorgesetzten. Besser ist es, wenn Sie mit Ihrem Vorgesetzten eines entwerfen, und die Personalabteilung dies nur noch "ausfertigt".

Versuchen Sie, Ihre Fragen mit ihm zu besprechen, möglicherweise kann er eine Gehaltserhöhung auch nach neun Monaten realisieren. Auch die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, Ihnen größere Projekte an zu vertrauen und damit eine Gehaltssteigerung zu argumentieren, könnten Sie mit ihm besprechen. Die größere Verantwortung wird Ihnen nur gegeben, wenn Ihr Vorgesetzter dies positiv beurteilt.

Variables Gehalt als Alternative?

Sie könnten auch anregen, statt Fixgehalt auf die Variante Fixgehalt plus Bonus (Leistungsmotivation) umzusteigen. Selbst wenn Boni nicht üblich sind: In jedem Unternehmen gewisse ungeschriebene Gesetze, aber auch immer Ausnahmen. Sie brauchen gute Argumente, aber die haben Sie ja schon selbst geliefert, ob man sich darauf einlässt, zeigen die Verhandlungen. Bonusvereinbarungen liegen in der Regel bei zehn bis 15 Prozent des Grundgehaltes.

Wenn Sie sich Ihrer Leistung sicher sind und diese gut dokumentiert ist, gibt es noch die Variante "pokern": Sie bringen sich intern für eine andere, bessere Stelle ins Gespräch. Wenn Sie gut sind und alle soviel von Ihnen halten, kann man Sie doch auch befördern? An diese Variante denken Bewerber oft nicht, wir haben aber schon viele Kandidaten kennen gelernt, die im Zuge einer Umstrukturierung einen Aufstieg realisiert haben.

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